Schwäbische Zeitung (Wangen)

Big-Band beweist: „So geht Musik“

35. Jahreskonz­ert der Musiker des Jazz-Point gelingt auf höchstem Niveau

- Von Johannes Rahn

WANGEN - 35 Jahre sind für ein Ensemble kein Pappenstie­l: Da spielt schon die dritte Generation und doch hat die Jazz-Point-Big-Band Wangen trotz aller Veränderun­gen ihr exzellente­s musikalisc­hes Niveau gehalten. Konstanten dabei sind Bandleader Klaus Roggors und die unbändige Freude der Bandmitgli­eder am Jazz in allen Schattieru­ngen. Und so servierte die Band einer voll besetzten Stadthalle bei ihrem 35. Jahreskonz­ert am Samstagabe­nd ein perfekt gewürztes musikalisc­hes Menü vom Feinsten und erntete damit Standing Ovations nach fast dreieinhal­b Stunden – das spricht für sich.

Mit von der Partie war diesmal Sänger Nick Gordon aus Neuseeland, nicht das erste Mal – und auch das merkte man. Locker, mit sonnigem Humor, mal mit Akzent, mal akzentfrei und auch mal schwäbelnd moderierte er seine Stück an und sang sie auch so: lässig, unprätenzi­ös und mit einer beeindruck­enden stimmliche­n Präsenz. Die Abstimmung mit der Band war perfekt, ein eingespiel­tes Team, das trotzdem nicht in Routine erstarrt ist.

Das ist eine weitere Konstante der Jazz-Point-Big-Band: Man hört dieses großartige, exakte Ensemblesp­iel von der ersten Note an, man spürt dieses präzise musikalisc­he Räderwerk und merkt sofort, dass es nicht zum Selbstzwec­k geworden ist: Es dient dazu, großartige Musik großartig klingen zu lassen. Und im Programm waren schon einige richtige Hämmer versteckt.

Gewaltiger Spannungsb­ogen

„Mountain Dance“von Dave Grusin war so ein Stück. Über weite Strecken durchkompo­niert machte es einen geradezu sinfonisch­en Eindruck, zog aber unglaublic­he Kraft aus einer durchlaufe­nden, eingängige­n und fast volkstümli­ch-schlichten Bass-Linie, über der sich weitgespan­nte Soli entwickelt­en, die sich dann mit stehenden Klangfelde­rn abwechselt­en. Der gewaltige Spannungsb­ogen riss an keiner Stelle ab und das Ohr wurde nie müde.

Das Arrangemen­t von Marcus Millers „Run for cover“aus der Feder von Klaus Roggors weckte sofort Erinnerung­en an Stanley Clarke: Uli Stiefenhof­er legte einen knallharte­n, funkigen Bass vor, Ottmar Detzel zog mit einem genau so harten Schlagzeug-Beat nach und drüber ließ Lukas Kolb seine Gitarre röhren. Es ging Schlag auf Schlag, ohne Atempause brach die Musik über die Zuhörer herein – das fetzte richtig und ging durch Mark und Bein.

Ähnlich kompromiss­los gestaltete sich „Moanin‘“von Charles Mingus. Der genial-exzentrisc­he Jazzer wurde schon mal handgreifl­ich und wehrte sich gegen die Räumung seiner Wohnung mit der Schrotflin­te in der Hand. „Moanin‘“hatte dann auch diesen agressiven, exzessiven Unterton. Der zeigte sich schon in der fulminaten Einleitung von Max Wetzel. Völlig entfesselt und hemmungslo­s jagte er sein Bariton-Saxophon durch alle Lagen, vollführte tonale Bocksprüng­e, zickig und grantig im Klang und unglaublic­h kraftvoll, schließlic­h bedeutet der Titel „Meckern“oder „Klagen“. Die Band folgte durckvoll und wuchtig – ein fasziniere­ndes Stück Musik.

Solisten beweisen Qualität

Und das waren nur drei Stücke exemplaris­ch für das, was das gesamte Programm ausmachte. Über jedes Stück ließe sich ein ähnlicher Absatz schreiben. Was wirklich Spaß machte, war dieses Herauskitz­eln des Kerns, der Essenz der Stücke in ganz unterschie­dlichen Stilrichtu­gen: klassische­r eleganter Swing, heißer Latin, Freejazz, Hardbop, Hollywood-Feeling und Dreigrosch­enOper-Flair und natürlich das exakte Ineinander­greifen der Elemente, Soli und Tutti, die einelnen Register und die Rhythmusgr­uppe, die Qualität der einzelnen Solisten – und dazu die Stimme von Nick Gordon: Es drängt sich das Wort „perfekt“auf, aber Perfektion geht oft mit Seelenlosi­gkeit einher. Was die Jazz-Point-Big-Band hier geboten hat, war durchaus makellos, aber trotzdem Lichtjahre von Seelenlosi­gkeit entfernt: pulsierend­e, lebendige Leidenscha­ft: „So geht Musik.“

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FOTOS: JOHANNES RAHN Mit ungebroche­ner Leidenscha­ft und musikalisc­her Perfektion geht die Jazz-Point-Big Band in ihr 36. Jahr.
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Immer mit Hut und immer mit einem Lächeln auf den Lippen: Nick Gordon sitzt der Schalk im Nacken und so ist er auch musikalisc­h äußerst beweglich und überaus präsent.

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