„Trump des Fußballs“auf Schlingerkurs
Kritik an DFB-Boss Reinhard Grindel wird immer größer
AMSTERDAM (SID/sz) - Als sich Reinhard Grindel in dem alten Filmbeitrag selbst auf dem Bildschirm sah, musste er kurz schmunzeln. Beim Fernsehkochen mit Hannelore Kohl – es gab Quarkkeulchen – führte der damalige ZDF-Journalist charmant durch die Sendung. „Ich war schlanker und konnte den Witz, den ich durchaus habe, schlagfertig einsetzen“, sagte Grindel rückblickend. Es klang ein wenig wehmütig. „Als Präsident“, meinte Grindel, „muss man da ein bisschen aufpassen.“
Als Chef des mit sieben Millionen Mitgliedern größten Sportfachverbandes der Welt lauern überall Fettnäpfchen, und in so manches ist der Nachfolger von Wolfgang Niersbach bereits getreten. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete scheint noch immer mit dem Profifußball zu fremdeln, auch ein fehlendes Gespür für das richtige Timing und die richtige Tonlage werfen ihm Kritiker vor. Und manche sogar noch mehr.
„Ich habe im Sommer gesagt, das ist der schlechteste Präsident seit 50 Jahren. Zu dieser Aussage stehe ich heute noch. Es ist alles noch viel schlimmer geworden“, sagte der ehemalige DFB-Pressesprecher Harald Stenger im „Doppelpass“auf Sport1. Für den 68-Jährigen sei Grindel so etwas wie „der Donald Trump des deutschen Fußballs, der in jedes Fettnäpfchen tritt.“Stenger führte seine Meinung aus: „Er ist ein Populist par excellence. Wenn er drei Aussagen zu einem Thema binnen einer Woche macht, sind vier Meinungen dazu auf dem Markt. Das ist bei einem Präsidenten auf Dauer nicht haltbar.“
Nach dem blamablen VorrundenAus bei der WM sei es doch klar, so Grindel, „dass vieles kritisiert wird und sich auch vieles auf den Präsidenten bezieht“. Dinge wie die erfolgreiche Bewerbung für die EURO 2024, der Neubau der DFB-Akademie und sein soziales sowie gesellschaftspolitisches Engagement würden „in den Hintergrund treten, wenn der sportliche Erfolg nicht da ist“.
Hitzige Aussprache wegen Grindel
Problematisch ist der Schlingerkurs, den Grindel in den wichtigen Fragen mitunter fährt. Nachdem Löw den 2014-Weltmeistern Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng das Aus verkündet hatte, reagierte Grindel mit einer Äußerung, die man als Kritik am Bundestrainer verstehen konnte. Es „wäre klug gewesen“, sagte Grindel, hätte man am Tag der Veröffentlichung eine Pressekonferenz abgehalten, um „die Wertschätzung für die Spieler deutlich zu machen“.
Nachdem diese Aussage hohe Wellen geschlagen hatte, stellte Grindel klar: Dies sei „keine Kritik an Jogi Löw“gewesen. Und im BR-Interview klang alles noch rosiger. Löw und er hätten ein „freundschaftliches Vertrauensverhältnis“, betonte Grindel: „Ich bin dankbar, dass ich intensiv informiert werde von den Überlegungen, die er so hat.“
Wirklich? Von dem Aus des Weltmeister-Trios soll Grindel erst am Tag selbst erfahren haben – und zwar nicht von Löw. Wegen der unglücklichen Kommunikation gab es unter mehreren Präsidiumsmitgliedern eine Aussprache, bei der es laut „kicker“„richtig gekracht“habe. Im Zentrum der Kritik: Reinhard Grindel. Für Stenger, ein Intimus von Joachim Löw und Oliver Bierhoff, auf die Dauer untragbar: „Das ist ein ganz schlechtes Bild für den gesamten deutschen Fußball.“
Die ruhigen Zeiten dürften für den Präsidenten also vorbei sein.