Kein Name, großer Schaden
Sportlich kriselt der deutsche Eisschnelllauf – nun soll es einen Dopingfall geben
BERLIN (SID) - Der Verband steht unter Schock, die wenigen Leistungsträger sind verärgert und beteuern ihre Unschuld: Der jüngste Bericht der ARD-Dopingredaktion über die Beteiligung eines deutschen Eisschnellläufers in den Dopingskandal um Sportarzt Mark S. bringt die in Deutschland ohnehin kriselnde Sportart stark in Bedrängnis.
Die beiden Leistungsträger Nico Ihle und Patrick Beckert versicherten, selbst nicht involviert zu sein. „Es ist traurig, dass wahrscheinlich auch Eisschnelllauf betroffen ist. Ich hoffe, dass es nur ein Einzelfall im deutschen Eisschnelllauf ist“, sagte der Erfurter Langstreckenspezialist Beckert. Ähnlich äußerte sich der Chemnitzer Sprinter Ihle: „Ich finde es sehr schade, dass der Eisschnelllauf mit so einem Thema wieder in die Presse gerät. Das ist für all die Athleten unfair, die sauber für ihre Leistung kämpfen.“Zugleich hofft das Duo auf eine vollumfängliche Aufklärung. Diese sei wichtig für alle sauberen Sportler. „Doping ist leider schon lange ein Problem im Sport, umso besser, dass man jetzt scheinbar ein ganzes Netzwerk zerschlagen hat“, sagte Beckert, der forderte, „Ross und Reiter“zu nennen.
Nach dem ARD-Bericht stand auch das Telefon bei Aktivensprecher Moritz Geisreiter nicht mehr still. „Eigentlich ist es für mich immer etwas Erleichterndes, wenn ein Dopingfall bekannt wird. Aber jetzt ist die eigene Sportart, der eigene Verband betroffen. Es ist ein verdammt naher Einschlag, den ich so nicht erwartet habe. Es ist unfassbar, dass es einer von uns gewagt hat, so etwas zu tun“, sagte der 31-jährige Inzeller. Der Langstreckler hatte nach den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang seine Laufbahn beendet und die Funktion als Aktivensprecher übernommen. Und Geisreiter forderte wie Beckert: „Ich will jetzt unbedingt den Namen erfahren. Unklar ist ja auch noch, bei welchen Olympischen Spielen er teilgenommen hat.“
Dass der mutmaßlich überführte Eisschnellläufer mit ihnen bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang gestartet ist, glauben Beckert und Ihle nicht. „Es wird keiner von denen gewesen sein, sondern vorher“, sagte Ihle. Beckert meinte: „Ich traue es ehrlich gesagt keinem meiner Weggefährten zu.“
NADA kennt den Namen
Die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) hatte sich in einem Statement „bestürzt und geschockt zugleich“gezeigt. Der Verband wolle dem erhobenen Verdacht „mit allen Mitteln“nachgehen.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, wären die Folgen für den Verband gravierend. Sportlich ist die einstige Goldschmiede auf internationalem Niveau mit wenigen Ausnahmen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. In der abgelaufenen Weltcup-Saison gewannen die Athleten in 78 Rennen keine (!) Medaille.
Die anhaltende sportliche Krise hat sich längst negativ auch auf die Finanzen ausgewirkt, die DESG bemüht sich nach Kräften um neue Sponsoren. Ein Dopingfall eines prominenten Eisschnellläufers wäre dabei alles andere als hilfreich.
Dabei ist die DESG womöglich nicht der einzige deutsche Verband, den die Folgen der „Operation Aderlass“erreichen. Weitere in den Skandal involvierte Sportler sollen laut der ARD-Dopingredaktion aus Deutschland kommen.
Der Name des Eisschnellläufers sei der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) bekannt, berichtete die ARD. Die Münchner Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt. „Aus ermittlungstaktischen Gründen sagen wir weder etwas über die Sportart, das Geschlecht noch über die Nation der Betroffenen. Diese können sich weiterhin bei uns melden“, sagte Pressesprecherin Anne Leiding. Ein frühzeitiges Geständnis verbessere trotz fehlender Kronzeugenregelung die Aussicht auf Strafmilderung.