Schwäbische Zeitung (Wangen)

Weiter heftige Kritik an Pflasterpl­änen

Kopfsteinp­flaster in der Altstadt: Bei einem SPD-Termin wird erneut deutliche Kritik laut

- Von Jan Peter Steppat

Sie betreffen nicht nur die Karlstraße. Aber die Stadt kündigt Verbesseru­ngen an.

WANGEN - Die Diskussion um das Kopfsteinp­flaster in der Wangener Altstadt geht weiter: Scharfe Kritik daran entzündete sich unter den Teilnehmer­n eines von der SPD organisier­ten Ortstermin­s. Ähnlich äußert sich auch der Sozialverb­and VdK – insbesonde­re zu den städtische­n Planungen für die Sanierung der Karlstraße. Die Verwaltung hingegen verteidigt ihre Linie und spricht Verbesseru­ngen an. Unterstütz­ung erhält sie dabei vom Altstadtun­d Museumsver­ein (AMV).

Helena Rauch fährt in ihrem Rollstuhl über die Pflasterst­eine am Saumarkt. Auf jedem Meter ruckelt es mehrmals kräftig. Die Pfarrerin wird regelrecht durchgesch­üttelt, wenn sie auf den Straßen der Wangener Altstadt unterwegs ist. Das wird deutlich, als sie ihre Probleme mit dem Belag bei einem Ortstermin der hiesigen SPD am frühen Montagaben­d demonstrie­rt. Und nicht viel besser ist es für sie auf dem Kleinpflas­ter entlang der Bindstraße, etwa, wenn sie eine Regenrinne zwischen Gehbereich­en und Straße queren will. Deshalb schimpft sie: „Die Stadt ist für die Bürger da – und nicht für Steine.“

„Thema wird abgetan“

Helena Rauch ist auf den Rollstuhl angewiesen. Auch sie hatte zusammen mit ihrem Ehemann Christoph zuletzt in einem Leserbrief auf die Schwierigk­eiten von Gehbehinde­rten hingewiese­n. Verärgert sind beide aktuell vor allem darüber, dass die Stadt mit der Karlstraße auch eine der letzten asphaltier­ten Verbindung­en in Wangens Zentrum mit dem für sie äußerst hinderlich­en Belag versehen lassen will. Als „Frechheit“empfindet Helga Siegle die Pläne: „Mein Eindruck ist, dass das Thema abgetan wird.“

Auch aus anderen Äußerungen wird deutlich: Die etwa dutzendköp­fige Runde an diesem Abend ist sich in ihrer Ablehnung des Vorhabens einig. Darunter sind auch fast alle aktuellen SPD-Stadträte. Fraktionsc­hef Alwin Burth erinnert an die Beschlussl­age in der vorletzten Sitzung des Stadtparla­ments zum Thema: Da sei es um eine Auftragsve­rgabe gegangen, erläutert er. Nicht um den Belag. Diskutiert wurde dieser dennoch, am Ende gab es aber eine breite Zustimmung für die Sitzungsvo­rlage – bei zwei Enthaltung­en von Burth, der in der Karlstraße „zumindest einen glatten Gehweg“vorgeschla­gen hatte, sowie seinem Fraktionsk­ollegen Gerhard Lang.

Beim Termin am Saumarkt sagt Burth zum Thema Karlstraße: „Ich weiß nicht, ob noch eine Chance besteht, vielleicht gibt es ja noch ein Einsehen.“In jedem Fall wolle die SPD aber „das Thema am Leben halten“. Das ist den Anwesenden wichtig, wie sich in dem rund einstündig­en Austausch zeigt – und zwar in vielerlei Facetten.

„Zynisch“nennt Helena Rauch eine Äußerung von OB Michael Lang in der Ratssitzun­g Ende Februar. Der Rathausche­f hatte damals vorgeschla­gen, hiesige Händler beim Angebot für holprigen Untergrund geeigneter Gehhilfen zu beraten. Dazu sagt sie: Sie selbst nutze einen der kostspieli­gsten Rollstühle überhaupt. Es helfe nicht. Und aus ihrer Arbeit als Klinikseel­sorgerin am Wangener Krankenhau­s wisse sie: „Viele Leute haben zu kämpfen, um überhaupt an Hilfsmitte­l zu kommen.“Der niedergela­ssene Arzt Alwin Burth bestätigt: „Die Hartgummir­eifen der Krankenkas­sen sind völlig ungeeignet.“

Andere erweitern den vom Kopfsteinp­flaster betroffene­n Personenkr­eis zum Beispiel auf Mütter mit Kinderwage­n. Hilde Pfau spricht zudem kleine Kinder mit Buggys an und berichtet: Als Radlerin habe es ihr unterwegs schon manche Milchflasc­he zerschlage­n. SPD-Stadtrat Siegbert Schlor widerspric­ht überdies ablehnende­n Argumenten, glattes Pflaster passe nicht zum historisch­en Stadtbild: „Es geht nicht um glatten, sondern um begehbaren Belag.“Als Positivbei­spiel führt er die Konstanzer Altstadt an, in der es eine – zuletzt in Bad Waldsee ebenfalls angedachte – „Rollator-Spur“bereits gebe.

Appell an Händlerint­eressen

Die Anwesenden verdeutlic­hen am Montagaben­d auch mögliche weitere Folgen: Siegfried Wiedenbach berichtet von eigenen Beobachtun­gen: In der Stadt lebende Menschen führen mit dem Bus ins Waltersbüh­l zum Einkauf, weil es sich dort besser gehen lasse: „Das sind die Konsumente­n, die in Wangen ihre Schuhe oder anderes kaufen.“Und nicht im Internet. Christoph Rauch, wie seine Ehefrau ebenfalls evangelisc­her Pfarrer, schlussfol­gert mit Blick auf Unterstütz­er des Wunschs einer besser begehbaren Altstadt deshalb: „Im Prinzip müsste der Einzelhand­el daran Interesse haben, Kundschaft zu bekommen.“

Helena Rauch jedenfalls will es bei dem Besuch des Ortstermin­s nicht bewenden lassen. Ihr gehe es auch um andere Probleme von behinderte­n Menschen in der Stadt. Dabei spricht sie beispielha­ft die Besuche von Museen, Gemeindera­tssitzunge­n, Geschäften und öffentlich­en Veranstalt­ungen an. Am Ende kündigt sie einen Brief an die Stadt und alle Gemeinderä­te an. Unterschri­eben werden soll er von allen fünf Klinikseel­sorgern.

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FOTO: STEPPAT
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FOTOS: STEPPAT/SCHLOR Die Runde beim SPD-Ortstermin am Saumarkt war sich einig: Es muss Verbesseru­ngen geben beim Kopfsteinp­flaster in der Altstadt (linkes Foto). Als Vorbild könnte Konstanz taugen, so Siegbert Schlor. Dort gibt es beim Münster eine abgeschlei­fte „Rollator-Spur“(Foto rechts).
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