Weiter heftige Kritik an Pflasterplänen
Kopfsteinpflaster in der Altstadt: Bei einem SPD-Termin wird erneut deutliche Kritik laut
Sie betreffen nicht nur die Karlstraße. Aber die Stadt kündigt Verbesserungen an.
WANGEN - Die Diskussion um das Kopfsteinpflaster in der Wangener Altstadt geht weiter: Scharfe Kritik daran entzündete sich unter den Teilnehmern eines von der SPD organisierten Ortstermins. Ähnlich äußert sich auch der Sozialverband VdK – insbesondere zu den städtischen Planungen für die Sanierung der Karlstraße. Die Verwaltung hingegen verteidigt ihre Linie und spricht Verbesserungen an. Unterstützung erhält sie dabei vom Altstadtund Museumsverein (AMV).
Helena Rauch fährt in ihrem Rollstuhl über die Pflastersteine am Saumarkt. Auf jedem Meter ruckelt es mehrmals kräftig. Die Pfarrerin wird regelrecht durchgeschüttelt, wenn sie auf den Straßen der Wangener Altstadt unterwegs ist. Das wird deutlich, als sie ihre Probleme mit dem Belag bei einem Ortstermin der hiesigen SPD am frühen Montagabend demonstriert. Und nicht viel besser ist es für sie auf dem Kleinpflaster entlang der Bindstraße, etwa, wenn sie eine Regenrinne zwischen Gehbereichen und Straße queren will. Deshalb schimpft sie: „Die Stadt ist für die Bürger da – und nicht für Steine.“
„Thema wird abgetan“
Helena Rauch ist auf den Rollstuhl angewiesen. Auch sie hatte zusammen mit ihrem Ehemann Christoph zuletzt in einem Leserbrief auf die Schwierigkeiten von Gehbehinderten hingewiesen. Verärgert sind beide aktuell vor allem darüber, dass die Stadt mit der Karlstraße auch eine der letzten asphaltierten Verbindungen in Wangens Zentrum mit dem für sie äußerst hinderlichen Belag versehen lassen will. Als „Frechheit“empfindet Helga Siegle die Pläne: „Mein Eindruck ist, dass das Thema abgetan wird.“
Auch aus anderen Äußerungen wird deutlich: Die etwa dutzendköpfige Runde an diesem Abend ist sich in ihrer Ablehnung des Vorhabens einig. Darunter sind auch fast alle aktuellen SPD-Stadträte. Fraktionschef Alwin Burth erinnert an die Beschlusslage in der vorletzten Sitzung des Stadtparlaments zum Thema: Da sei es um eine Auftragsvergabe gegangen, erläutert er. Nicht um den Belag. Diskutiert wurde dieser dennoch, am Ende gab es aber eine breite Zustimmung für die Sitzungsvorlage – bei zwei Enthaltungen von Burth, der in der Karlstraße „zumindest einen glatten Gehweg“vorgeschlagen hatte, sowie seinem Fraktionskollegen Gerhard Lang.
Beim Termin am Saumarkt sagt Burth zum Thema Karlstraße: „Ich weiß nicht, ob noch eine Chance besteht, vielleicht gibt es ja noch ein Einsehen.“In jedem Fall wolle die SPD aber „das Thema am Leben halten“. Das ist den Anwesenden wichtig, wie sich in dem rund einstündigen Austausch zeigt – und zwar in vielerlei Facetten.
„Zynisch“nennt Helena Rauch eine Äußerung von OB Michael Lang in der Ratssitzung Ende Februar. Der Rathauschef hatte damals vorgeschlagen, hiesige Händler beim Angebot für holprigen Untergrund geeigneter Gehhilfen zu beraten. Dazu sagt sie: Sie selbst nutze einen der kostspieligsten Rollstühle überhaupt. Es helfe nicht. Und aus ihrer Arbeit als Klinikseelsorgerin am Wangener Krankenhaus wisse sie: „Viele Leute haben zu kämpfen, um überhaupt an Hilfsmittel zu kommen.“Der niedergelassene Arzt Alwin Burth bestätigt: „Die Hartgummireifen der Krankenkassen sind völlig ungeeignet.“
Andere erweitern den vom Kopfsteinpflaster betroffenen Personenkreis zum Beispiel auf Mütter mit Kinderwagen. Hilde Pfau spricht zudem kleine Kinder mit Buggys an und berichtet: Als Radlerin habe es ihr unterwegs schon manche Milchflasche zerschlagen. SPD-Stadtrat Siegbert Schlor widerspricht überdies ablehnenden Argumenten, glattes Pflaster passe nicht zum historischen Stadtbild: „Es geht nicht um glatten, sondern um begehbaren Belag.“Als Positivbeispiel führt er die Konstanzer Altstadt an, in der es eine – zuletzt in Bad Waldsee ebenfalls angedachte – „Rollator-Spur“bereits gebe.
Appell an Händlerinteressen
Die Anwesenden verdeutlichen am Montagabend auch mögliche weitere Folgen: Siegfried Wiedenbach berichtet von eigenen Beobachtungen: In der Stadt lebende Menschen führen mit dem Bus ins Waltersbühl zum Einkauf, weil es sich dort besser gehen lasse: „Das sind die Konsumenten, die in Wangen ihre Schuhe oder anderes kaufen.“Und nicht im Internet. Christoph Rauch, wie seine Ehefrau ebenfalls evangelischer Pfarrer, schlussfolgert mit Blick auf Unterstützer des Wunschs einer besser begehbaren Altstadt deshalb: „Im Prinzip müsste der Einzelhandel daran Interesse haben, Kundschaft zu bekommen.“
Helena Rauch jedenfalls will es bei dem Besuch des Ortstermins nicht bewenden lassen. Ihr gehe es auch um andere Probleme von behinderten Menschen in der Stadt. Dabei spricht sie beispielhaft die Besuche von Museen, Gemeinderatssitzungen, Geschäften und öffentlichen Veranstaltungen an. Am Ende kündigt sie einen Brief an die Stadt und alle Gemeinderäte an. Unterschrieben werden soll er von allen fünf Klinikseelsorgern.