Beschluss mit Signalwirkung
Der Beschluss des EU-Parlaments zur Abschaffung der Zeitumstellung war überfällig. Damit ist, typischerweise für die EU, aber noch keine Entscheidung gefallen. Müssen doch eine Reihe an politischen und bürokratischen Hürden genommen werden, bevor das Hin und Her von Winter- und Sommerzeit endet. In dem Procedere stecken somit Risiken für die EU, aber auch Chancen.
Als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vergangenes Jahr das Ende der Zeitumstellung für besiegelt erklärte und bereits 2019 als Stichdatum nannte, war das Staunen groß, steht Brüssel nicht gerade für Entschlossenheit und Schnelligkeit. Die Skepsis war berechtigt, nun ist das Ende angedacht frühestens für 2021. Das klingt deutlich realistischer, schließlich geht es dabei auch um Fragen der Gesundheit, der Sicherheit und der Ökonomie. Damit relativiert sich der Vorwurf, die EU habe Wichtigeres zu tun, als an der Uhr zu drehen. Andersrum stellt sich ohnehin die Frage: Wenn die EU nicht einmal einen wirklichkeitsfremden Vorgang abschaffen kann, wie soll sie dann Probleme bei Migration, Außenpolitik und Klima bewältigen. Zumal bei einem Thema, das die Menschen emotional berührt und in ihren Alltag eingreift. Mit dem Beschluss zur Abschaffung der Zeitumstellung geht somit eine Signalwirkung einher.
Das größte Risiko liegt dabei in einem chaotischen Ergebnis, das genau jenen Alltag empfindlich stören würde: So wäre es den Menschen nicht vermittelbar, wenn der Bürger an einem Tag durch mehrere Zeitzonen reisen müsste, weil jedes Land sich bei Winter- und Sommerzeit anders entschieden hat.
In Deutschland gaben bei einer Umfrage kürzlich mehr als 80 Prozent an, die EU sei eine gute Sache. Ein ungewöhnlich hoher Wert, womöglich dem Brexit geschuldet und der wachsenden Unsicherheit in der politischen Landschaft. Mit einem lebensnahen Kompromiss zur Abschaffung der Zeitumstellung, zeitnah umgesetzt, könnte Europa weiter Eigenwerbung betreiben, anstatt alte Muster zu bedienen.