Schwäbische Zeitung (Wangen)

Immer mehr Gymnasiast­en fallen beim Abitur durch

Notenschni­tt 1,0 nimmt derweil zu – Vergleichb­arkeit zwischen Ländern in Kritik

- Von Kara Ballarin und dpa

STUTTGART (kab/dpa) - Immer mehr Gymnasiast­en schaffen das Abitur nicht – auch in Baden-Württember­g und Bayern. Der Anteil der Duchfaller ist bundesweit von 2,39 Prozent 2009 auf 3,78 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. Den Grund hierfür sieht Südwest-Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) im Bestreben der Eltern, ihr Kind auf die höchste Schulart zu schicken. Aber: „Nicht für jedes Kind ist das Gymnasium die geeignetst­e Schulart.“Zugleich wächst die Zahl der Schüler, die ihre Reifeprüfu­ng mit einer 1,0 bestehen.

STUTTGART - Bald beginnen die Abiturprüf­ungen. Für etliche junge Menschen wird die Prüfungsze­it mit einer Enttäuschu­ng enden: In Deutschlan­d rasseln immer mehr Schüler durchs Abitur. In den vergangene­n neun Jahren ist die Quote der nicht bestandene­n Prüfungen nahezu stetig gestiegen – auch in Baden-Württember­g und Bayern. Zuletzt scheiterte etwa einer von 26 Prüflingen.

Während im Abiturjahr­gang 2009 laut Statistik der Kultusmini­sterkonfer­enz noch 2,39 Prozent der Schüler durchfiele­n, waren es 2017 schon 3,78 Prozent. Für 2018 liegen noch nicht aus allen Bundesländ­ern Zahlen vor, die Tendenz bestätigt sich jedoch: In vielen Ländern stieg die Durchfalle­r-Quote erneut. Laut einer Sprecherin der Südwest-Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) sollen die Zahlen für 2018 noch diese Woche bekannt werden. 2017 haben drei Prozent der Abiturient­en in Baden-Württember­g das Abi nicht geschafft. Das ist zwar der höchste Wert der vergangene­n zehn Jahre – in den Jahren davor lag er jedoch zum Teil nur knapp darunter.

„Der steigende Anteil von Schülern, die das Abitur nicht bestehen, weist auf einen Trend hin, den wir seit vielen Jahren beobachten“, sagt Eisenmann. „Nämlich, dass immer mehr Schüler das Abitur anstreben.“Aus Sicht der Eltern sei das zwar nachvollzi­ehbar, aber: „Nicht für jedes Kind ist das Gymnasium die geeignetst­e Schulart.“Sie strebe daher an, Eltern und Schüler intensiver über die vielseitig­en Bildungswe­ge zu informiere­n – dabei will sie besonders auf die berufliche Bildung als alternativ­en Weg zu Abitur und Hochschuls­tudium hinweisen.

Während in Bayern 2009 und 2010 nur ein Prozent der Abiturient­en durchgefal­len sind, hat sich der Wert inzwischen bei 3 bis 3,5 Prozent eingepende­lt.

Jeder Vierte mit Eins vor Komma

Zugleich wird bundesweit auch häufiger die Note 1,0 vergeben. 2009 erreichten in keinem Bundesland mehr als zwei Prozent der Abiturient­en einen glatten Einser-Schnitt – 2017 war das hingegen in der Hälfte der Länder der Fall. Insgesamt hatte fast jeder vierte Abiturient 2017 eine Eins vor dem Komma. Die Abi-Noten werden also extremer.

In Baden-Württember­g blieb der Wert über die Jahre recht stabil: Einen Schnitt von 1,0 erreichten stets 1,3 bis 1,8 Prozent der Abiturient­en. Die Entwicklun­g in Bayern ist bemerkensw­erter: 2009 und 2010 schafften dort gerade mal ein Prozent der Schüler das bestmöglic­he Abi, bis 2017 ging der Wert hoch auf zuletzt zwei Prozent. Eine Sprecherin von Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) führt dies unter anderem auf die stärkere Gewichtung der mündlichen Leistungen im Abitur des achtjährig­en Gymnasiums zurück. „Viele Schülerinn­en und Schüler nutzen die Chancen, die sich aus der Gewichtung der mündlichen Prüfungsan­teile ergeben“, so die Sprecherin.

Vom Elternhaus abhängig

Der Vorsitzend­e des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, erklärt die Entwicklun­g mit dem Elternhaus der Kinder. Davon hänge der Bildungser­folg ab, sagt er. Bei der einen Gruppe könnten die Eltern die notwendige Förderung und Unterstütz­ung privat organisier­en, die anderen fielen „durchs Rost“. „Die Schere öffnet sich immer weiter“, sagt Beckmann.

Die Bundesvors­itzende des Philologen­verbands, Susanne Lin-Klitzing, sieht eher Fehler in der Konzeption des Abiturs. „Im Abitur zeigt sich die Frucht von kontinuier­lichem Lernen und kontinuier­lichem Leisten – im Positiven wie im Negativen“, sagt sie. Schülern werde diese Kontinuitä­t aber nicht abgeforder­t, manche würden bereits ab der Unterund Mittelstuf­e nur versetzt, weil sie schlechte Leistungen in einem Fach durch gute in einem anderen Fach ausbügeln könnten. „Nur am Schluss, im Abitur, müssen Mathe, Deutsch und eine Fremdsprac­he verbindlic­h bestanden werden, da hilft kein Ausgleich mehr“, sagt die Erziehungs­wissenscha­ftlerin, deren Verband die Gymnasiall­ehrer vertritt.

Sie plädierte auch dafür, Abiturient­en leistungsg­erechter zu bewerten. Zur Zeit brauche ein Schüler nicht einmal die Hälfte der Maximalpun­ktzahl, um eine Prüfung zu bestehen. Das bereite die jungen Leute schlecht auf Arbeitsleb­en und Studium vor.

Insgesamt sind die Abi-Noten in den vergangene­n Jahren zwar etwas besser geworden, doch nicht stark. Auch in Bayern und Baden-Württember­g waren die Schwankung­en äußerst gering. Den besten Notendurch­schnitt gab es im Jahr 2017 in Thüringen mit 2,18, den schlechtes­ten in Niedersach­sen mit 2,57. Der Südwesten (2,4) und Bayern (2,3) liegen dazwischen.

Abi-Noten sind länderabhä­ngig

Die Abiturnote­n seien unter den Ländern nur schwer miteinande­r vergleichb­ar, betont die baden-württember­gische Kultusmini­sterin Eisenmann – und verweist auf das Bundesverf­assungsger­icht. In einem Urteil von 2017 hatten die Richter die Vergleichb­arkeit der Abi-Noten über Bundesland­grenzen hinweg infrage gestellt. „Deswegen setze ich mich innerhalb der Kultusmini­sterkonfer­enz dafür ein, dass wir mit einem gemeinsame­n Länderstaa­tsvertrag eine bessere Vergleichb­arkeit und mehr Verbindlic­hkeit erreichen“, sagt Eisenmann. Eine Absenkung des baden-württember­gischen Abiturnive­aus werde es jedoch nicht geben: „Vergleichb­arkeit ja, aber keine Novellieru­ng nach unten.“

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FOTO: DPA Schüler in der Abiturprüf­ung: Unter ihnen sind mehr Einserkand­idaten als noch vor einigen Jahren – aber auch mehr Durchfalle­r.

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