Im Wald wird alles anders
Landesregierung verabschiedet Forstreform – Was sich ändert und was es kostet
STUTTGART (tja) - In Baden-Württembergs Wäldern gelten ab 2020 neue Regeln. Die Landesregierung hat sie am Dienstag beschlossen. Vor allem für private Waldbesitzer ändert sich einiges. Förster im Landesdienst werden ihnen künftig mehr Geld berechnen. Diskussionen gibt es um die Frage, wie viel Naturschutz das Land vorschreibt. Waldbesitzer halten die Regeln für zu streng, Naturschützer für zu lasch.
STUTTGART - Er kümmerte sich seit 1833 um die Wälder, jetzt steht er vor dem Aus: der „Einheitsförster“im Landesdienst. Ab 2020 fällt die Waldbetreuung in verschiedene Hände. Das bedeutet für 240 000 Privatbesitzer, Gemeinden und Landkreise Veränderungen. Ein Knackpunkt: Wie viel Naturschutz darf das Land vorschreiben? Ein Überblick.
Was ändert sich bei der Betreuung durch Förster?
Derzeit kümmert sich ein Förster in Landesdiensten um die Wälder im Landesbesitz sowie auf Wunsch um jene von Privatleuten und Gemeinden. Die Förster wählen zum Beispiel zu fällende Bäume aus. Vor allem die 200 000 Besitzer kleiner Waldstücke nutzen das. Sie zahlen dafür eine Pauschale pro Festmeter Holz. Diese deckt aber nicht die Kosten für den Einsatz des Försters. Ab 2020 müssen sie 16,50 Euro pro Stunde zahlen. Eigentlich kostet die Arbeit des Försters nach Kalkulation des Landes 60 Euro – die Differenz gleicht das Land aus und fördert so die Betreuung. Die Waldbesitzer zahlen Umsatzsteuer für den kompletten Stundensatz. Die Beratung durch Förster des Landes bleibt kostenlos.
Was ändert sich sonst noch?
Das Land gründet eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die sich nur um landeseigene Wälder kümmert. Alle anderen Förster sind dann bei den Kreisen angestellt. Das Land unterstützt – anders als bisher – weder Private noch Kommunen beim Verkauf ihres Holzes.
Warum wurde das notwendig?
Das Land verschaffte sich nach Ansicht der Kartellbehörden Wettbewerbsvorteile beim Holzverkauf, wenn es nicht nur eigene Bäume anbietet. Außerdem macht ein Bundesgesetz Änderungen notwendig.
Macht das Land den Waldbesitzern künftig strengere Auflagen?
Das bleibt umstritten. Vertreter von Grünen und CDU sagen: Nein. Entsprechende Formulierungen seien entschärft. Das Gesetz nannte zuvor bestimmte Ziele, etwa zum Schutz des Waldbodens oder zum Umgang mit abgestorbenen Bäumen. Die Befürchtung von Kritikern: Daraus könnten verpflichtende Regeln abgeleitet werden. Agrarminister Peter Hauk (CDU) hält die Ängste für unbegründet. Jerg Hilt von der Forstkammer bleibt skeptisch. Er vertritt die Interessen der 240 000 privaten und kommunalen Waldbesitzer. „Unseres Wissens nach wurden die entsprechenden Passagen nicht gestrichen. Dabei gibt es weiter keinen inhaltlichen Grund dafür, sie überhaupt in das Gesetz hineinzuschreiben.“Naturschützer halten den Widerstand gegen das Gesetz für überzogen. „Wenn die Waldbesitzer so nachhaltig wirtschaften, wie sie behaupten, dürften ihnen die Vorgaben keine Sorgen bereiten. In anderen Bundesländern gelten strengere Richtlinien, da hätten wir mehr von Grün-Schwarz erwartet“, so Johannes Enssle vom Naturschutzbund Nabu.
Was bedeutet die Reform für private Waldbesitzer?
Hier gibt es mehrere spannende Fragen. Die erste: Müssen sie mehr für die Betreuung durch Förster zahlen? Aus Sicht der Forstkammer ist das schwer zu sagen, weil die Berechnungsmodelle sich unterscheiden. Das Ministerium geht von Kostensteigerungen von einigen Cent pro Festmeter Holz aus, je nach Waldgröße könne es aber auch günstiger werden als bisher. Die zweite Frage: Wie wirken sich Vorgaben bei den Grundpflichten aus – also dem, was Waldbesitzer laut Gesetz leisten müssen? Darüber gibt es wie oben ausgeführt Debatten. In der Konsequenz fürchtet Forstkammer-Chef Hilt, dass weniger Privatwaldbesitzer Holz verkaufen. Dabei ist es Ziel der Landesregierung, mehr mit heimischem Holz zu bauen. Es bindet klimaschädliches CO2 – der Effekt tritt nur ein, wenn das Gas nicht durch Verbrennen oder Verfaulen wieder freigesetzt wird.
Was bedeutet die Reform für Waldbesucher?
Sie dürfen weiter jeden Wald betreten. Diese Recht gilt deutschlandweit unabhängig davon, wem ein Wald gehört. Die Besitzer müssen Rad- und Wanderwege frei halten. Doch die Forstkammer hat im Vorfeld eine Rechnung aufgemacht: Wenn Kosten und Aufwand der Waldbewirtschaftung durch das neue Gesetz stiegen, müsse man über den Allgemeinwohlausgleich reden – also darüber, was die Waldbesitzer als Lohn für das Freihalten der Wege und anderes bekommen. Bis 2028 fordern sie 300 Millionen Euro mehr als bisher.
Was kommt auf die Förster zu?
Derzeit arbeiten rund 2000 Menschen für die Forstverwaltung. Davon werden etwa 1400 in die neue Anstalt wechseln. Wer an einem neuen Dienstort arbeiten muss, ist noch offen. Der Bund deutscher Forstleute begrüßt, dass es nach jahrelangen Debatten Klarheit gebe. Allerdings brauche das Land 100 zusätzliche Forstwirte, um die Arbeit zu bewältigen. Die werde mehr – etwa durch den Klimawandel, der Wälder verändere und Schädlingsbefall fördere.
Was kostet die Reform?
Das Land muss bis 2025 rund 34,4 Millionen Euro zahlen, um die Anstalt für den Staatswald aufzubauen. Das Geld fließt auch, um Privatwaldbesitzer zu beraten und um genügend Forstwirte auszubilden. Danach rechnet das Ministerium damit, dass pro Jahr mehr als acht Millionen Euro weniger anfallen. Gespart werde durch effizientere Strukturen und die Beteiligung der Wirtschaft an der Forstwirte-Ausbildung.