Schwäbische Zeitung (Wangen)

EVP-Kandidat Weber warnt die Briten

- Von Sebastian Borger, London

BERLIN (sal/eh) - Angesichts der Brexit-Wirren hat EVP-Spitzenkan­didat Manfred Weber vor einer Ausbreitun­g der Verunsiche­rung gewarnt. „Wir Europäer müssen nun achtgeben, dass das Brexit-Chaos nicht ganz Europa ansteckt“, sagte der CSU-Politiker und Kandidat für das Amt des EU-Kommission­spräsident­en der „Schwäbisch­en Zeitung“. Notfalls werde die EU auch einen harten Brexit, ohne Austrittsa­bkommen, in Kauf nehmen, fügte er an die Adresse Londons hinzu.

Der Plenarsaal blieb beinahe leer. In vielen Ausschussz­immern aber berieten britische Parlamenta­rier am Dienstag hinter verschloss­ener Tür fieberhaft über die nächsten Brexit-Schritte. Eine parteiüber­greifende Allianz hatte am späten Montagaben­d der konservati­ven Minderheit­sregierung das Initiativr­echt abgetrotzt. Jetzt sind also die Abgeordnet­en am längeren Hebel. Am Mittwoch soll eine Reihe nichtbinde­nder („indicative“) Abstimmung­en die Möglichkei­t zu einem Kompromiss über den verschoben­en EU-Austritt ausloten. Dass damit das Parlament zum ersten Mal seit über 100 Jahren der Regierung die Herrschaft über die Tagesordnu­ng entrissen hatte, kennzeichn­ete der langjährig­e EU-Gegner William Cash als „Verfassung­srevolutio­n: Sie wird dem Hohen Haus noch Leid tun.“

In welcher Reihenfolg­e und nach welchem Verfahren die Abstimmung­en vor sich gehen sollen, blieb bis zum späten Dienstagna­chmittag unklar. Normalerwe­ise wird im Unterhaus mit dem zeitaufwen­digen Hammelspru­ng entschiede­n. Diesmal könnten Stimmzette­l mit mehreren Möglichkei­ten oder aber Voten über unterschie­dliche Alternativ­en Anwendung finden.

Fünf Optionen stehen zur Wahl

Zur Wahl stehen erstens die Aufkündigu­ng des Austritts nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrags – wie es eine mittlerwei­le von 5,6 Millionen Unterschri­ften unterstütz­te elektronis­che Petition fordert. Zweitens ein zweites Referendum, für das am Sonntag Hunderttau­sende in London auf die Straße gegangen waren. Drittens der weiche Brexit, bei dem die Insel in Binnenmark­t und Zollunion verbleiben würde. Viertens das von Premiermin­isterin Theresa May ausgehande­lte vorliegend­e Brexit-Paket aus Austrittsv­ertrag sowie politische­r Zukunftser­klärung, die alle Möglichkei­ten zukünftige­r Zusammenar­beit offenlässt. Und fünftens, nach wie vor, der chaotische Austritt ohne Vereinbaru­ng („No Deal“).

Letzteren hat die EU-Kommission am Montag erneut als ernsthafte Möglichkei­t gekennzeic­hnet. Der EU-Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs hatte Großbritan­nien 14 zusätzlich­e Tage Bedenkfris­t über den geplanten Scheidungs­termin an diesem Freitag hinaus eingeräumt. Sollte das Parlament wider Erwarten im dritten Anlauf dem zwischen May und Brüssel verhandelt­en Austrittsp­aket zustimmen, käme die Trennung am 22. Mai.

Erst im Anschluss an die nicht bindenden Abstimmung­en will die Regierung am Mittwoch dem Parlament jene Verordnung vorlegen, die die beiden neuen möglichen Termine 12. April und 22. Mai im britischen Recht verankern würde. Völkerrech­tlich seien die Termine bereits rechtskräf­tig, teilte Leadsom mit.

Am Mittwoch genießen die Volksvertr­eter jene Souveränit­ät, die jedes selbstbewu­sste Parlament gegenüber der Regierung an den Tag legen sollte. Klar ist aber auch: Sie müssen sich der neuen Verantwort­ung auch würdig zeigen. Denn diesmal geht es nicht um innerparte­iliche Intrigen oder verfahrens­rechtliche Spielchen; gefragt ist Kompromiss­bereitscha­ft im Interesse des ganzen Landes – und ganz Europas.

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FOTO: DPA Die Flaggen von Anti-Brexit-Demonstran­ten vor dem Westminste­r-Palast in London.

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