EVP-Kandidat Weber warnt die Briten
BERLIN (sal/eh) - Angesichts der Brexit-Wirren hat EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber vor einer Ausbreitung der Verunsicherung gewarnt. „Wir Europäer müssen nun achtgeben, dass das Brexit-Chaos nicht ganz Europa ansteckt“, sagte der CSU-Politiker und Kandidat für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten der „Schwäbischen Zeitung“. Notfalls werde die EU auch einen harten Brexit, ohne Austrittsabkommen, in Kauf nehmen, fügte er an die Adresse Londons hinzu.
Der Plenarsaal blieb beinahe leer. In vielen Ausschusszimmern aber berieten britische Parlamentarier am Dienstag hinter verschlossener Tür fieberhaft über die nächsten Brexit-Schritte. Eine parteiübergreifende Allianz hatte am späten Montagabend der konservativen Minderheitsregierung das Initiativrecht abgetrotzt. Jetzt sind also die Abgeordneten am längeren Hebel. Am Mittwoch soll eine Reihe nichtbindender („indicative“) Abstimmungen die Möglichkeit zu einem Kompromiss über den verschobenen EU-Austritt ausloten. Dass damit das Parlament zum ersten Mal seit über 100 Jahren der Regierung die Herrschaft über die Tagesordnung entrissen hatte, kennzeichnete der langjährige EU-Gegner William Cash als „Verfassungsrevolution: Sie wird dem Hohen Haus noch Leid tun.“
In welcher Reihenfolge und nach welchem Verfahren die Abstimmungen vor sich gehen sollen, blieb bis zum späten Dienstagnachmittag unklar. Normalerweise wird im Unterhaus mit dem zeitaufwendigen Hammelsprung entschieden. Diesmal könnten Stimmzettel mit mehreren Möglichkeiten oder aber Voten über unterschiedliche Alternativen Anwendung finden.
Fünf Optionen stehen zur Wahl
Zur Wahl stehen erstens die Aufkündigung des Austritts nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrags – wie es eine mittlerweile von 5,6 Millionen Unterschriften unterstützte elektronische Petition fordert. Zweitens ein zweites Referendum, für das am Sonntag Hunderttausende in London auf die Straße gegangen waren. Drittens der weiche Brexit, bei dem die Insel in Binnenmarkt und Zollunion verbleiben würde. Viertens das von Premierministerin Theresa May ausgehandelte vorliegende Brexit-Paket aus Austrittsvertrag sowie politischer Zukunftserklärung, die alle Möglichkeiten zukünftiger Zusammenarbeit offenlässt. Und fünftens, nach wie vor, der chaotische Austritt ohne Vereinbarung („No Deal“).
Letzteren hat die EU-Kommission am Montag erneut als ernsthafte Möglichkeit gekennzeichnet. Der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs hatte Großbritannien 14 zusätzliche Tage Bedenkfrist über den geplanten Scheidungstermin an diesem Freitag hinaus eingeräumt. Sollte das Parlament wider Erwarten im dritten Anlauf dem zwischen May und Brüssel verhandelten Austrittspaket zustimmen, käme die Trennung am 22. Mai.
Erst im Anschluss an die nicht bindenden Abstimmungen will die Regierung am Mittwoch dem Parlament jene Verordnung vorlegen, die die beiden neuen möglichen Termine 12. April und 22. Mai im britischen Recht verankern würde. Völkerrechtlich seien die Termine bereits rechtskräftig, teilte Leadsom mit.
Am Mittwoch genießen die Volksvertreter jene Souveränität, die jedes selbstbewusste Parlament gegenüber der Regierung an den Tag legen sollte. Klar ist aber auch: Sie müssen sich der neuen Verantwortung auch würdig zeigen. Denn diesmal geht es nicht um innerparteiliche Intrigen oder verfahrensrechtliche Spielchen; gefragt ist Kompromissbereitschaft im Interesse des ganzen Landes – und ganz Europas.