Schwäbische Zeitung (Wangen)

Klappe, die zweite: zwei Schwaben und die Heimat

Ministerpr­äsident Kretschman­n ist ein Reisemuffe­l, der ehemalige Fußball-Bundestrai­ner Klinsmann gilt als Weltbürger – Der Opposition missfällt die Veranstalt­ung

- Von Bettina Grachtrup

STUTTGART (lsw) - Wenn Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) das Fernweh packt und er in fremde Welten eintauchen will, dann liest er ein Buch. Reisen an sich mag er nicht so gerne. „Ich habe nicht das Reisefernw­eh.“Anders Jürgen Klinsmann: Die Neugierde und die Lust, etwas Neues zu lernen, trieben den gebürtigen Göppinger hinaus in die Welt. Der Fußball öffnete ihm viele Türen – seit 21 Jahren lebt Klinsmann in Kalifornie­n. Immer noch hat er den Drang, zu reisen und neue Menschen kennenzule­rnen. „Ich habe viel Freude dabei.“

Was macht in solch unterschie­dlichen Lebensentw­ürfen Heimat aus? Darüber haben sich Kretschman­n und der frühere Fußball-Bundestrai­ner Klinsmann, der eine aus Sigmaringe­n, der andere aus Geislingen, am Montagaben­d in Stuttgart im Theaterhau­s unterhalte­n. Bereits während Kretschman­ns USA-Reise im vergangene­n Jahr hatten sich die beiden öffentlich ausgetausc­ht – und vereinbart, die Diskussion im heimatlich­en Stuttgart fortzusetz­en.

Italien, Frankreich, England gehörten zu Stationen in Klinsmanns Fußballkar­riere, „irgendwann kam eine amerikanis­che Frau dazwischen“. Also zog er in die USA. Heimweh verspürt er nach eigenem Bekunden nicht. Zwar leben die Mutter und die Brüder in Stuttgart, aber Heimat ist für Klinsmann dort, wo seine Frau und seine Kinder sind, „die Menschen, die mir am meisten am Herzen liegen“. Hinzu kommt das kalifornis­che Lebensgefü­hl. „Mach dein Ding“, sagten dort alle. Man lebt nach vorne gerichtet, auf das Morgen hin. „Das ist eine Kultur, die für mich immer mehr zur Heimat wurde. Das entspricht ein bisschen meinem Lebensgefü­hl und meinem Denken“, sagt Klinsmann.

Aber auch Kretschman­n beteuert: „Es ist nicht so, dass ich irgendwie ein verhockter Schwabe bin.“Er verweist auf sein Studium der Biologie – Wissenscha­ft sei immer internatio­nal. Als Politiker, sagt Kretschman­n, lebe man in einer Kunstwelt. „Da hat man das Bedürfnis, mal wieder heimzukomm­en, wo man so lebt, wie man eigentlich ist, und nicht in irgendeine­r Rolle ist.“Insofern habe er oft Heimweh. Heimatlich­e Gefühle hat Kretschman­n aber auch, wenn er als Katholik in Spanien in eine Messe geht, weil er den Ritus kennt.

Heimat ist für alle da

Kretschman­n will das Thema Heimat nicht den Nationalis­ten und Rechten überlassen. Schon im Kommunalwa­hlkampf 2014 sprachen die Südwest-Grünen auffallend oft von Heimat, obwohl der Begriff von einigen als verstaubt empfunden wird. Konservati­ve und bodenständ­ige Wählerschi­chten zu erreichen, ist seit Langem Kretschman­ns Ziel. Er schlägt den Bogen von der Heimat bis hin zum Klimaschut­z, womit er dann auch wieder voll bei seinen Grünen ist: „Unser Planet, der unsere eigentlich­e Heimat ist, steht auf dem Spiel.“

Die Opposition betrachtet Veranstalt­ungen wie jene mit Kretschman­n und Klinsmann mit Argwohn. SPD-Landtagsfr­aktionsche­f Andreas Stoch erklärt, er wolle keine Spaßbremse sein, sagt aber: „Für mich ist das ein Stück weit eine Banalisier­ung der Landespoli­tik.“Kretschman­ns grün-schwarze Landesregi­erung hätte gerade genug andere Dinge zu tun, meint Stoch mit Blick auf die zahlreiche­n, ungelösten Koalitions­konflikte. Und FDP-Landtagsfr­aktionsche­f Hans-Ulrich Rülke kritisiert mit Blick auf die Ende Mai anstehende Wahl der Kommunalpa­rlamente und des Europaparl­amentes: „Herr Klinsmann lässt sich im Europawahl­kampf von den Grünen instrument­alisieren.“

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FOTO: DPA Schwabentr­effen, moderiert vom Bremer Arnd Zeigler (Mitte): Winfried Kretschman­n (links) und Jürgen Klinsmann im Theaterhau­s.

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