Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erwin Müllers Anwalt als Spion angeklagt

Stuttgarte­r Jurist Eckart Seith deckte umstritten­e Cum-Ex-Geschäfte auf

- Von Christiane Oelrich

ZÜRICH (dpa) - Für die Schweizer ist der deutsche Anwalt Eckart Seith ein Spion, der sich geheime Dokumente verschafft­e. Die Deutschen dagegen feiern den Anwalt des Drogerie-Königs Erwin Müller als Whistleblo­wer, der eine Straftat aufgedeckt hat. Zum Prozessauf­takt am Dienstag in Zürich hat der Jurist schwere Vorwürfe gegen die Schweizer Justiz erhoben. Die Anklage sei ein Angriff gegen die Bundesrepu­blik Deutschlan­d, sagte Seith.

Ihm wird vorgeworfe­n, mithilfe interner Dokumente einer Schweizer Bank einen Mandanten in Deutschlan­d verteidigt und die Dokumente als Beweis für illegale Machenscha­ften der Bank an die deutsche Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet zu haben.

Für die Schweizer Staatsanwä­lte ist das strafbar, Seith sieht sich dagegen als Aufklärer. Deutschlan­d und die Schweiz liegen seit Jahren über die Beurteilun­g des Bankgeheim­nisses über Kreuz. So hatte Deutschlan­d keine Scheu gehabt, CDs mit vertraulic­hen Informatio­nen Schweizer Banken über mutmaßlich­e deutsche Steuersünd­er anzukaufen.

Streit um Steuergehe­imnis

Die Züricher Staatsanwa­ltschaft fordert drei Jahre und sechs Monate Haft für Seith, ohne Bewährung. Dieser habe zwei ehemaligen SarasinAng­estellten Geld für die Dokumente in Aussicht gestellt. Die beiden Deutschen sind ebenfalls angeklagt. In der Anklagesch­rift werden zahlreiche konspirati­ve Treffen dokumentie­rt, darunter eines im März 2013 in Schaffhaus­en in einem Restaurant „hinter verschloss­ener Weinkeller­türe“, wie es heißt.

Der Stuttgarte­r Anwalt weist zurück, das sein Verhalten strafbar war. Er widersprec­he den meisten von der Staatsanwa­ltschaft gegen ihn vorgebrach­ten Handlungen nicht. „Es gehört zum Besten, was mir in meiner jetzt 33-jährigen Berufstäti­gkeit als Rechtsanwa­lt gelungen ist“, sagte er vor Gericht.

Hintergrun­d ist der aufsehener­regende Prozess des Ulmer DrogerieUn­ternehmers Erwin Müller gegen die Schweizer Bank J. Safra Sarasin. Seith hatte mit vertraulic­hen internen Dokumenten der Bank nachgewies­en, dass sie ihren Kunden Müller über riskante Investitio­nen in einen Fonds getäuscht hatte. Dieser Fonds machte umstritten­e und heute illegale Cum-Ex-Dividenden­geschäfte.

2017 erstritt der Anwalt 45 Millionen Euro Schadeners­atz für seinen Mandanten. Seith hatte das Material auch Steuerfahn­dern übergeben und damit Ermittlung­en über diese CumEx-Geschäfte angestoßen, die den Fiskus um Millionenb­eträge gebracht haben. Der Fall läuft noch.

Bei „Cum-Ex“-Geschäften schieben Investoren rund um den Dividenden­stichtag Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttu­ngsanspruc­h hin und her. Am Ende ist dem Fiskus nicht klar, wem sie gehörten. Die Folge: Kapitalert­ragsteuern werden mehrfach erstattet, obwohl die Steuer nur einmal gezahlt wurde.

Kein Recht auf Betrug

Ein betrogener Kunde müsse das Recht haben, eine Straftat aufzudecke­n, argumentie­rte Seith. „Gibt das Schweizer Recht der Privatkläg­erin Safra-Sarasin das Privileg, ihre ausländisc­hen Bankkunden mit falschen Angaben betrügeris­ch um Millionen zu schädigen?“, fragte er in seiner Stellungna­hme. Er habe nie jemand Geld für Dokumente in Aussicht gestellt, vielmehr sei einer der SarasinMit­arbeiter aus eigenen Stücken auf ihn zugekommen.

Seith und seine Anwälte hatten zum Prozessauf­takt moniert, dass die Beweisstüc­ke eines inzwischen von dem Fall abgezogene­n Anwalts ausgeschlo­ssen werden müssten, weil er befangen und parteiisch war. Das Gericht ging auf Anträge, dass der Prozess neu aufgerollt werden müsse, aber nicht ein.

In Deutschlan­d stößt der Prozess bereits im Vorfeld auf Kritik. „Bisher waren in Sachen Cu-Ex nur Hinweisgeb­er hinter Gittern, aber noch niemand von den Tätern. Das läuft hier schief “, sagte Gerhard Schick, der den Bundestags­untersuchu­ngsausschu­ss initiert hatte. „Jetzt müssen endlich die Täter zur Verantwort­ung gezogen werden.“

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FOTO: DPA Weil er unzureiche­nd über riskante Finanzgesc­häfte aufgeklärt wurde, bekam der Ulmer Drogerie-König Erwin Müller 45 Millionen Euro erstattet. Sein Anwalt machte in diesem Zusammenha­ng die Cum-Ex-Geschäfte öffentlich. Jetzt steht er dafür vor Gericht.

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