Keine gemeinsame Linie beim Klimaschutz
Bis zu zehn Millionen Elektro-Pkw bis 2030 und Investitionen in öffentlichen Nahverkerh
BERLIN - Was kann der Verkehr für den Klimaschutz tun? Seit einem halben Jahr beschäftigt sich eine Regierungskommission mit diesem Thema. Sie soll klären, wie der CO2-Ausstoß schnell gedrosselt werden kann – und Menschen mobil bleiben. Nach einem 17-stündigen Beratungsmarathon bis Dienstagmorgen liegen Ergebnisse vor. Herausgekommen ist ein Minimalkompromiss. Hier die wichtigsten Punkte auf einen Blick.
Worauf haben sich die Experten verständigt?
Der Minimalkonsens umfasst günstigere Tickets für den öffentlichen Nahverkehr, indem die Mehrwertsteuer reduziert wird. Außerdem empfiehlt die Kommission, die Lade-infrastruktur für Elektroautos auszubauen, die Bahnverbindungen besser zu vertakten und das Fuß- und Radwegnetz auszudehnen. Als besonderen Erfolg verkauft sie die Empfehlung an die Bundesregierung, einen CO2-Preis zu prüfen. Dieser würde Benzin und Diesel teurer machen und soll ein Anreiz sein, weniger Auto zu fahren. Die derzeitigen Überlegungen gehen in die Richtung, dass die Einnahmen durch den Preisaufschlag an die Fahrer zurückgezahlt werden. Wenigfahrer würden profitieren, Vielfahrer müssten gegebenenfalls draufzahlen.
Was ist mit dem Flugverkehr?
Über den energieintensiven Flugverkehr hat das Gremium gar nicht diskutiert.
Wird Sprit jetzt teurer?
Ob Benzin und Diesel nun tatsächlich teurer werden, ist noch unklar. Bisher hatte sich etwa Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gegen Preisaufschläge ausgesprochen. Umweltministerin Svenja Schulze hingegen fordert schon länger eine CO2-Bepreisung. Nun hat sich auch die Union dem Thema gewidmet und die „globale Bepreisung der Treibhausgasemissionen“in ihr Europawahlprogramm aufgenommen.
Warum gibt es die Kommission überhaupt?
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2030 zu halbieren. Bis zum Jahr 2050 soll Deutschland treibhausgasneutral sein. Der Verkehr hat zu diesem Ziel bisher wenig beigetragen. Der Sektor stößt etwa so viel umweltschädliches Kohlendioxid aus wie im Jahr 1990. Deshalb hat die Regierung die Marschrichtung vorgegeben, dass der Verkehr in zehn Jahren bis zu 42 Prozent weniger Emissionen produziert als heute.
Wer sitzt in der Arbeitsgruppe?
Die Arbeitsgruppe „Klimaschutz im Verkehr“(AG 1) ist eine von mehreren. Zusammengefasst sind die Kommissionen in der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), das von der Regierung beauftragt ist. Die AG 1 ist die wichtigste, denn sie soll konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz vorschlagen. In ihr sitzen Umweltschützer wie Vertreter vom BUND, der Bahnverband Allianz pro Schiene sowie die Deutsche Bahn sowie Fürsprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.
Warum wurde monatelang erbittert um Maßnahmen gekämpft?
In der Arbeitsgruppe stehen sich zwei Gruppen mit gegensätzlichen Interessen gegenüber. Während die Industrie am Status quo festhält und darauf verweist, dass mit einem steigenden Anteil an E-Autos und einem verbesserten Verkehrsfluss automatisch auch der CO2-Ausstoß reduziert wird, pochen Umweltschützer zum Beispiel auf eine verbindliche Quote für Elektroautos, ein Tempolimit und ein Bonus-Malus-System, das Käufer dazu bringen soll, in Zukunft auf umweltfreundliche Autos umzusteigen.
Löst der Kompromiss alle Klimaprobleme des Verkehrssektors?
Nein, sagen die Umweltschützer. Es bleibt eine Lücke von 16 bis 26 Millionen Tonnen CO2. Ein Mitglied der Arbeitsgruppe bestätigte, dass mithilfe von zusätzlichen Maßnahmen wie eines Bonus-Malus-Systems die Lücke geschlossen werden könnte. Dass sich die Industrie in den kritischen Punkten nochmal umstimmen lasse, sei unrealistisch.
Wie geht es weiter?
Ziel ist, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppen Ende des Jahres in ein vom Bundesumweltministerium gestaltetes Gesetz zum Klimaschutz mit einfließen. Ob der Zeitrahmen jedoch angesichts der Grabenkämpfe der Interessensgruppen eingehalten werden kann, ist fraglich.