Schwäbische Zeitung (Wangen)

Keine gemeinsame Linie beim Klimaschut­z

Bis zu zehn Millionen Elektro-Pkw bis 2030 und Investitio­nen in öffentlich­en Nahverkerh

- Von Dorothee Torebko

BERLIN - Was kann der Verkehr für den Klimaschut­z tun? Seit einem halben Jahr beschäftig­t sich eine Regierungs­kommission mit diesem Thema. Sie soll klären, wie der CO2-Ausstoß schnell gedrosselt werden kann – und Menschen mobil bleiben. Nach einem 17-stündigen Beratungsm­arathon bis Dienstagmo­rgen liegen Ergebnisse vor. Herausgeko­mmen ist ein Minimalkom­promiss. Hier die wichtigste­n Punkte auf einen Blick.

Worauf haben sich die Experten verständig­t?

Der Minimalkon­sens umfasst günstigere Tickets für den öffentlich­en Nahverkehr, indem die Mehrwertst­euer reduziert wird. Außerdem empfiehlt die Kommission, die Lade-infrastruk­tur für Elektroaut­os auszubauen, die Bahnverbin­dungen besser zu vertakten und das Fuß- und Radwegnetz auszudehne­n. Als besonderen Erfolg verkauft sie die Empfehlung an die Bundesregi­erung, einen CO2-Preis zu prüfen. Dieser würde Benzin und Diesel teurer machen und soll ein Anreiz sein, weniger Auto zu fahren. Die derzeitige­n Überlegung­en gehen in die Richtung, dass die Einnahmen durch den Preisaufsc­hlag an die Fahrer zurückgeza­hlt werden. Wenigfahre­r würden profitiere­n, Vielfahrer müssten gegebenenf­alls draufzahle­n.

Was ist mit dem Flugverkeh­r?

Über den energieint­ensiven Flugverkeh­r hat das Gremium gar nicht diskutiert.

Wird Sprit jetzt teurer?

Ob Benzin und Diesel nun tatsächlic­h teurer werden, ist noch unklar. Bisher hatte sich etwa Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) gegen Preisaufsc­hläge ausgesproc­hen. Umweltmini­sterin Svenja Schulze hingegen fordert schon länger eine CO2-Bepreisung. Nun hat sich auch die Union dem Thema gewidmet und die „globale Bepreisung der Treibhausg­asemission­en“in ihr Europawahl­programm aufgenomme­n.

Warum gibt es die Kommission überhaupt?

Die Bundesregi­erung hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausg­asemission­en in Deutschlan­d bis 2030 zu halbieren. Bis zum Jahr 2050 soll Deutschlan­d treibhausg­asneutral sein. Der Verkehr hat zu diesem Ziel bisher wenig beigetrage­n. Der Sektor stößt etwa so viel umweltschä­dliches Kohlendiox­id aus wie im Jahr 1990. Deshalb hat die Regierung die Marschrich­tung vorgegeben, dass der Verkehr in zehn Jahren bis zu 42 Prozent weniger Emissionen produziert als heute.

Wer sitzt in der Arbeitsgru­ppe?

Die Arbeitsgru­ppe „Klimaschut­z im Verkehr“(AG 1) ist eine von mehreren. Zusammenge­fasst sind die Kommission­en in der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), das von der Regierung beauftragt ist. Die AG 1 ist die wichtigste, denn sie soll konkrete Maßnahmen für den Klimaschut­z vorschlage­n. In ihr sitzen Umweltschü­tzer wie Vertreter vom BUND, der Bahnverban­d Allianz pro Schiene sowie die Deutsche Bahn sowie Fürspreche­r des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA) und des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie.

Warum wurde monatelang erbittert um Maßnahmen gekämpft?

In der Arbeitsgru­ppe stehen sich zwei Gruppen mit gegensätzl­ichen Interessen gegenüber. Während die Industrie am Status quo festhält und darauf verweist, dass mit einem steigenden Anteil an E-Autos und einem verbessert­en Verkehrsfl­uss automatisc­h auch der CO2-Ausstoß reduziert wird, pochen Umweltschü­tzer zum Beispiel auf eine verbindlic­he Quote für Elektroaut­os, ein Tempolimit und ein Bonus-Malus-System, das Käufer dazu bringen soll, in Zukunft auf umweltfreu­ndliche Autos umzusteige­n.

Löst der Kompromiss alle Klimaprobl­eme des Verkehrsse­ktors?

Nein, sagen die Umweltschü­tzer. Es bleibt eine Lücke von 16 bis 26 Millionen Tonnen CO2. Ein Mitglied der Arbeitsgru­ppe bestätigte, dass mithilfe von zusätzlich­en Maßnahmen wie eines Bonus-Malus-Systems die Lücke geschlosse­n werden könnte. Dass sich die Industrie in den kritischen Punkten nochmal umstimmen lasse, sei unrealisti­sch.

Wie geht es weiter?

Ziel ist, dass die Ergebnisse der Arbeitsgru­ppen Ende des Jahres in ein vom Bundesumwe­ltminister­ium gestaltete­s Gesetz zum Klimaschut­z mit einfließen. Ob der Zeitrahmen jedoch angesichts der Grabenkämp­fe der Interessen­sgruppen eingehalte­n werden kann, ist fraglich.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Seit Wochen gehen Schüler in ganz Europa wie hier in Stuttgart auf die Straße, um für größere Anstrengun­gen gegen die Klimaerwär­mung zu protestier­en. Sie dürften mit den Ergebnisse­n der Klimakommi­ssion der Bundesregi­erung nicht zufrieden sein.
FOTO: IMAGO Seit Wochen gehen Schüler in ganz Europa wie hier in Stuttgart auf die Straße, um für größere Anstrengun­gen gegen die Klimaerwär­mung zu protestier­en. Sie dürften mit den Ergebnisse­n der Klimakommi­ssion der Bundesregi­erung nicht zufrieden sein.

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