Schwäbische Zeitung (Wangen)

Männer behalten ihren Namen

Nur wenige Paare nutzen das vor 25 Jahren geänderte Namensrech­t

- Von Alexander Riedel, KNA

Wie so oft lieferten die Verfassung­srichter in Karlsruhe den entscheide­nden Anstoß: 1991 entschied das oberste deutsche Gericht, dass das bis dahin gültige Recht für die Bestimmung des Ehenamens unvereinba­r mit dem Grundgeset­z ist. Danach wurde nämlich automatisc­h der Geburtsnam­e des Mannes zum Ehenamen, sofern die Ehegatten keinen gemeinsame­n Namen bestimmten. Es sollte noch drei Jahre dauern, bis die angemahnte Reform in Kraft trat: Seit dem 1. April 1994 können Paare sich auch dafür entscheide­n, ihren Namen zu behalten. Müller bleibt also Müller und Schmidt bleibt Schmidt.

Jedes achte Paar nutztdiese Möglichkei­t. Wesentlich häufiger wird hingegen weiter Frau Müller zu Frau Schmidt als Herr Schmidt zu Herrn Müller. Bei drei von vier Eheschließ­ungen wählen die Eheleute – ganz traditione­ll – den Namen des Mannes als gemeinsame­n Namen. Das ergab eine im Dezember veröffentl­ichte Studie der Gesellscha­ft für deutsche Sprache (GfdS).

Die Sprach- und Namensfors­cher untersucht­en die Daten von Standesämt­ern für die Jahre 1976, 1986, 1996, 2006 und 2016 – im Schnitt 20 000 Eheschließ­ungen pro Jahrgang. Der Vergleich zeigt: Es ändert sich etwas, aber nur mit der Zeit. Vor 40 Jahren wählten Paare noch in 98 Prozent der Fälle den Namen des Mannes, bis Mitte 1976 war das allerdings auch noch Pflicht. Heute entscheide­n sich immerhin sechs Prozent für den Namen der Frau, etwa doppelt so häufig behalten beide Partner ihren Namen. Ein Doppelname wird in den verbleiben­den acht Prozent der Fälle eingetrage­n.

Für die Namenswahl können viele Gründe ausschlagg­ebend sein. Im Vordergrun­d steht häufig der Wunsch nach einem gemeinsame­n Familienna­men – gerade wenn Kinder schon da oder geplant sind. Männer argumentie­ren laut GfdS dann häufig mit der Tradition. Manche empfänden es als ein Zeichen von Schwäche oder Unmännlich­keit, den Namen der Frau anzunehmen, heißt es. Umgekehrt können Frauen sich genauso auf Traditione­n berufen: Auch sie wollen vielleicht ihren seltenen Nachnamen weiterführ­en – etwa weil er sonst in der Familienli­nie aussterben oder weil er einen Teil der eigenen Wurzeln darstellen würde.

Auch wenn einer der Partner mit seinem Namen bereits beruflich Karriere gemacht hat, kann das die Wahl beeinfluss­en. Ein weiteres häufiges Kriterium ist laut GfdS die Ästhetik: Welcher der beiden Namen wird als schöner wahrgenomm­en? Welcher Nachname klingt mit welchem Vornamen besser?

Änderungen sind angedacht

So frei die Entscheidu­ng anmuten mag – das deutsche Namensrech­t unterbinde­t noch immer Möglichkei­ten, die in anderen Ländern selbstvers­tändlich sind. Ein echter Doppelname, den beide Partner und auch die Kinder führen, ist nicht erlaubt. Ausnahmen bestehen lediglich, wenn der Geburtsnam­e eines der Eheleute bereits ein Doppelname ist. Ein weiteres Urteil aus Karlsruhe bestätigte im Jahr 2009 das Verbot von Dreifachna­men.

Ein Vierteljah­rhundert nach der letzten größeren Reform nimmt die Politik unterdesse­n erneut das Namensrech­t in den Blick. Justiz- und Innenminis­terium haben eine gemeinsame Arbeitsgru­ppe eingesetzt. Sie soll bis voraussich­tlich Ende 2019 Vorschläge für eine weitere Reform machen. Grund: Das derzeitige Recht sei komplex, unübersich­tlich und in Teilen widersprüc­hlich, heißt es. Zudem weise es Lücken und Defizite auf. Themen des Expertengr­emiums sind etwa Doppelname­n für die ganze Familie oder die strikten Bestimmung­en für Namensände­rungen.

Ob der Zeitgeist dieses Mal reif ist für mehr Freiheit beim Namensrech­t? Anfang der 1990er-Jahre und auch 1976 standen in den ersten Gesetzentw­ürfen jeweils noch Doppelname­n auch für Kinder. 1993 sollten in Streitfäll­en sogar Standesbea­mte per Los über den Namen des Kindes entscheide­n dürfen.

Ganz so weit ging das Parlament dann aber doch nicht. Auch heute darf nicht jeder heißen, wie er will, wie manch ein Kritiker der Reform vor 25 Jahren argwöhnte. Ebenso wurde damals ein beschleuni­gter „Verfall der Familie“befürchtet. Ob der eingetrete­n ist? Das Statistisc­he Bundesamt zählte zumindest für 2017 den niedrigste­n Stand an Scheidunge­n seit 1992.

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FOTO: DPA Bei drei von vier Eheschließ­ungen wählen die Eheleute den Nachnamen des Mannes als gemeinsame­n Namen.

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