Herzinfarkt in Notaufnahme nicht erkannt?
Haidgauer prozessiert seit drei Jahren gegen OSK in Bad Waldsee und deren Versicherung WGV
HAIDGAU - Im Sommer 2015 hat der Haidgauer Klaus Durach einen Herzinfarkt erlitten. Dieser wurde, so sagt er, in der OSK-Notaufnahme in Bad Waldsee nicht erkannt. Seitdem kämpft er um eine in seinen Augen angemessene Entschädigung für die falsche Behandlung.
Den 26. Juli 2015, ein Sonntag, werden Klaus Durach und seine Frau Catharina wohl nie vergessen. „Ich bin um halb Acht aufgewacht und hatte furchtbare Schmerzen in Brust und Schulter, die in beide Arme ausstrahlten und sich bis hinter die Ohren hochzogen“, erzählt der 50-Jährige. Sofort brachte ihn seine Frau in die Notaufnahme der Oberschwabenklinik (OSK) nach Bad Waldsee.
„Kein EKG, keine Blutabnahme“
„Dort kam auch ziemlich schnell ein Arzt“, so Klaus Durach. „Aber er hat nur ein bisschen an der Schulter rumgedrückt und mich dann in ein Zimmer gelegt, wo ich eine Infusion gegen die Schmerzen bekam.“Weiter sei nichts geschehen, „kein EKG, keine Blutabnahme, keine Anamnese“, sagt Catharina Durach und schüttelt heute noch ungläubig den Kopf.
„Ich konnte gar nicht liegen vor Schmerzen, bin mit der Infusion ruhelos im Zimmer herumgelaufen“, fährt Klaus Durach fort. Später sei der Arzt in Begleitung eines Kollegen wiedergekommen. „Klaus hatte zu diesem Zeitpunkt schon knisternd blaue, fast lila Lippen.“Das sei wegen der schmerzverzerrten Atmung, hätten die Ärzte gesagt. Durach bekam eine weitere Schmerzinfusion. Die Schmerzen blieben. „Am späten Vormittag haben sie uns dann heimgeschickt und uns geraten, Wärme aufzulegen.“
Massagen empfohlen
Als am Abend die starken Schmerzen immer noch da waren, gingen Durachs erneut in die Waldseer Notaufnahme. „Im Flur hat mich der immer noch diensthabende Arzt vom Vormittag angesprochen. Wegen meiner Kreuzschmerzen käme kein anderer Arzt, hat er zu mir gesagt. Untersucht hat er mich auch diesmal nicht.“Dafür erhielten Durachs einen Untersuchungsbefund und den Rat, einen Orthopäden aufzusuchen und sich Massagen aufschreiben zu lassen.
„In der Nacht konnte ich nicht schlafen wegen der starken Schmerzen“, erzählt Klaus Durach. Am Montag ging er zum Orthopäden, der ihm Cortison gespritzt und Medikamente und Massagen verschrieben habe.
Nach vier Tagen voller Schmerzen und weil sich mittlerweile ein starker Husten dazugesellt hatte, suchten Durachs schließlich einen in Bad Wurzach niedergelassenen Arzt auf. „Der hat gleich ein EKG gemacht und mich danach sofort mit Krankenwagen und Notarzt ins OSK-Klinikum Ravensburg geschickt“, so Klaus Durach.
Die Diagnose dort: ein Herzkranzgefäß war komplett verschlossen, ein zweites zu 90 Prozent, das dritte zu 75 Prozent. „Es hätte jederzeit aus sein können“, erinnert sich Catharina Durach mit Schrecken. Drei Stents setzten die Ärzte in das völlig verschlossene Gefäß. Elf Tage lag Klaus Durach auf der Intensivstation.
Anschließend kam er nach Bad Krozingen, wo ihm weitere drei Stents in die beiden anderen Gefäße eingesetzt wurden. „Außerdem erhielt Klaus einen mobilen Defibrillator, weil sein Herz so schwach geworden war.“Im November 2015 wurde ihm ein Defibrillator eingepflanzt, um die Herzleistung künstlich zu stabilisieren.
Vorher war er auf Reha in Neutrauchburg, „wo einige Ärzte mir durch die Blume rieten, rechtlich gegen die OSK vorzugehen. Es habe sich bei mir um klassische Herzinfarktsymptome gehandelt, die eine entsprechende Untersuchung zwingend gemacht hätten.“Durachs nahmen sich den auf Medizinrecht spezialisierten Ravensburger Rechtsanwalt Jochen Beyerlin als Beistand.
Außergerichtlich erreichte der Anwalt indes keine Einigung mit der OSK und deren Versicherung, der WGV. So zogen Durachs 2016 vors Landgericht Ravensburg. Seitdem läuft dort der Prozess.
Zusammengerechnet gut eine Million Euro wollen Durachs – Schadensersatz, Schmerzensgeld und Verdienstausfall bis zum eigentlichen Rentenalter. Denn in seinem gut entlohnten Beruf als Bohrtechniker, spezialisiert auf Geothermiebohrungen, bei einem Schweizer Unternehmen kann Klaus Durach bei nurmehr 30 Prozent Herzleistung nicht mehr arbeiten.
„Ich bekomme vom Schweizer Staat eine Invalidenrente von weniger als 50 Prozent meines letzten Lohns. Dazu habe ich mittlerweile einen 450-Euro-Job angenommen und sortiere zwei bis drei Stunden am Tag in einem Lager Kleinteile“, erzählt Durach. „Bücken, heben, tragen, das alles geht nicht mehr. Schon beim Schnürsenkelbinden oder wenn ich zu heiß dusche, wird mir schwarz vor Augen.“
Die WGV indes zögere den Prozess in die Länge, kritisieren Durachs und ihr Anwalt. Zunächst hätten sie in Zweifel gezogen, dass der Herzinfarkt tatsächlich an jenem Sonntag erlitten worden sei. Gutachter bestätigten das vor Gericht jedoch, sagt Rechtsanwalt Beyerlin: „Früher hätte spätestens da eine Versicherung versucht, einen Vergleich zu erzielen." Das sei in diesem Fall nicht ernsthaft versucht worden, so der Vorwurf des Rechtsanwalts.
Das Gericht hat seinerseits den erlittenen Verdienstausfallschaden auf 800 000 Euro berechnet und dann unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren einen Betrag von 425 000 Euro plus 50 000 Euro Schmerzensgeld vorgeschlagen. Das lehnten Durachs und Beyerlin ab, WGV und OSK hätten nach eigener Aussage zugestimmt. Auf ihren Gegenvorschlag von 620 000 Euro zuzüglich anfallender Steuern habe die Gegenseite geantwortet, dass keine Möglichkeit bestehe, die Angelegenheit einvernehmlich zu beenden.
Dazwischen lagen immer wieder monatliche Antwortfristen, ein weiterer Beweisantrag der WGV sowie monatelang auseinanderliegende Verhandlungstage. Auch das Ausarbeiten der Gutachten kostete viel Zeit. Mittlerweile bezweifle die Gegenseite die generelle Arbeitsunfähigkeit seines Mandanten, berichtet Beyerlin. Sein Mandant könne ja umschulen. Ein weiterer Gutachter soll dies nun in einem weiteren Verhandlungstag Ende März klären. Und plötzlich sei auch wieder die Frage nach dem Zeitpunkt des Herzinfarkts neu aufgekommen.
Darüber hinaus bezweifle die WGV inzwischen, dass nicht ein internistischer oder kardiologischer Gutachter hätte beauftragt werden sollen, sondern ein unfallchirurgischer Gutachter, weil Klaus Durach in der chirurgischen Ambulanz von einem Assistenzarzt untersucht worden sei, so der Rechtsanwalt.
„Es ist dreist“
Beyerlin macht trotz jahrelanger Erfahrung auf dem Gebiet des Medizinrechts der Fall fassungslos. „Es ist dreist, jetzt noch mal alles infrage zu stellen, was eigentlich schon durch einen Gutachter geklärt war.“Belastend sei die lange Verfahrensdauer für Durachs sowieso über die Maßen. „Man könnte den Eindruck gewinnen, die Gegenseite spielt auf Zeit, weil sie hofft, dass mein Mandant das Ende des Prozesses nicht mehr erlebt.“
„Menschenunwürdig“nennt Catharina Durach die lange Verfahrensdauer, die nun seit fast drei Jahren an den Nerven des Ehepaars und seiner Kinder (27 und 20) zerrt. Menschenunwürdig ist für sie auch das Verhalten der Gegenseite, die einfach nicht bereit sei, ihre Schuld einzugestehen. Ihre Hoffnung ist nun, dass Ende März der letzte Verhandlungstag ist und dann die Kammer des Landgerichts bald darauf ein Urteil in ihrem Sinne fällt. „Dann könnten wir endlich wieder sorgenfrei leben und nachts ruhig schlafen.“