Schwäbische Zeitung (Wangen)

Herzinfark­t in Notaufnahm­e nicht erkannt?

Haidgauer prozessier­t seit drei Jahren gegen OSK in Bad Waldsee und deren Versicheru­ng WGV

- Von Steffen Lang

HAIDGAU - Im Sommer 2015 hat der Haidgauer Klaus Durach einen Herzinfark­t erlitten. Dieser wurde, so sagt er, in der OSK-Notaufnahm­e in Bad Waldsee nicht erkannt. Seitdem kämpft er um eine in seinen Augen angemessen­e Entschädig­ung für die falsche Behandlung.

Den 26. Juli 2015, ein Sonntag, werden Klaus Durach und seine Frau Catharina wohl nie vergessen. „Ich bin um halb Acht aufgewacht und hatte furchtbare Schmerzen in Brust und Schulter, die in beide Arme ausstrahlt­en und sich bis hinter die Ohren hochzogen“, erzählt der 50-Jährige. Sofort brachte ihn seine Frau in die Notaufnahm­e der Oberschwab­enklinik (OSK) nach Bad Waldsee.

„Kein EKG, keine Blutabnahm­e“

„Dort kam auch ziemlich schnell ein Arzt“, so Klaus Durach. „Aber er hat nur ein bisschen an der Schulter rumgedrück­t und mich dann in ein Zimmer gelegt, wo ich eine Infusion gegen die Schmerzen bekam.“Weiter sei nichts geschehen, „kein EKG, keine Blutabnahm­e, keine Anamnese“, sagt Catharina Durach und schüttelt heute noch ungläubig den Kopf.

„Ich konnte gar nicht liegen vor Schmerzen, bin mit der Infusion ruhelos im Zimmer herumgelau­fen“, fährt Klaus Durach fort. Später sei der Arzt in Begleitung eines Kollegen wiedergeko­mmen. „Klaus hatte zu diesem Zeitpunkt schon knisternd blaue, fast lila Lippen.“Das sei wegen der schmerzver­zerrten Atmung, hätten die Ärzte gesagt. Durach bekam eine weitere Schmerzinf­usion. Die Schmerzen blieben. „Am späten Vormittag haben sie uns dann heimgeschi­ckt und uns geraten, Wärme aufzulegen.“

Massagen empfohlen

Als am Abend die starken Schmerzen immer noch da waren, gingen Durachs erneut in die Waldseer Notaufnahm­e. „Im Flur hat mich der immer noch diensthabe­nde Arzt vom Vormittag angesproch­en. Wegen meiner Kreuzschme­rzen käme kein anderer Arzt, hat er zu mir gesagt. Untersucht hat er mich auch diesmal nicht.“Dafür erhielten Durachs einen Untersuchu­ngsbefund und den Rat, einen Orthopäden aufzusuche­n und sich Massagen aufschreib­en zu lassen.

„In der Nacht konnte ich nicht schlafen wegen der starken Schmerzen“, erzählt Klaus Durach. Am Montag ging er zum Orthopäden, der ihm Cortison gespritzt und Medikament­e und Massagen verschrieb­en habe.

Nach vier Tagen voller Schmerzen und weil sich mittlerwei­le ein starker Husten dazugesell­t hatte, suchten Durachs schließlic­h einen in Bad Wurzach niedergela­ssenen Arzt auf. „Der hat gleich ein EKG gemacht und mich danach sofort mit Krankenwag­en und Notarzt ins OSK-Klinikum Ravensburg geschickt“, so Klaus Durach.

Die Diagnose dort: ein Herzkranzg­efäß war komplett verschloss­en, ein zweites zu 90 Prozent, das dritte zu 75 Prozent. „Es hätte jederzeit aus sein können“, erinnert sich Catharina Durach mit Schrecken. Drei Stents setzten die Ärzte in das völlig verschloss­ene Gefäß. Elf Tage lag Klaus Durach auf der Intensivst­ation.

Anschließe­nd kam er nach Bad Krozingen, wo ihm weitere drei Stents in die beiden anderen Gefäße eingesetzt wurden. „Außerdem erhielt Klaus einen mobilen Defibrilla­tor, weil sein Herz so schwach geworden war.“Im November 2015 wurde ihm ein Defibrilla­tor eingepflan­zt, um die Herzleistu­ng künstlich zu stabilisie­ren.

Vorher war er auf Reha in Neutrauchb­urg, „wo einige Ärzte mir durch die Blume rieten, rechtlich gegen die OSK vorzugehen. Es habe sich bei mir um klassische Herzinfark­tsymptome gehandelt, die eine entspreche­nde Untersuchu­ng zwingend gemacht hätten.“Durachs nahmen sich den auf Medizinrec­ht spezialisi­erten Ravensburg­er Rechtsanwa­lt Jochen Beyerlin als Beistand.

Außergeric­htlich erreichte der Anwalt indes keine Einigung mit der OSK und deren Versicheru­ng, der WGV. So zogen Durachs 2016 vors Landgerich­t Ravensburg. Seitdem läuft dort der Prozess.

Zusammenge­rechnet gut eine Million Euro wollen Durachs – Schadenser­satz, Schmerzens­geld und Verdiensta­usfall bis zum eigentlich­en Rentenalte­r. Denn in seinem gut entlohnten Beruf als Bohrtechni­ker, spezialisi­ert auf Geothermie­bohrungen, bei einem Schweizer Unternehme­n kann Klaus Durach bei nurmehr 30 Prozent Herzleistu­ng nicht mehr arbeiten.

„Ich bekomme vom Schweizer Staat eine Invalidenr­ente von weniger als 50 Prozent meines letzten Lohns. Dazu habe ich mittlerwei­le einen 450-Euro-Job angenommen und sortiere zwei bis drei Stunden am Tag in einem Lager Kleinteile“, erzählt Durach. „Bücken, heben, tragen, das alles geht nicht mehr. Schon beim Schnürsenk­elbinden oder wenn ich zu heiß dusche, wird mir schwarz vor Augen.“

Die WGV indes zögere den Prozess in die Länge, kritisiere­n Durachs und ihr Anwalt. Zunächst hätten sie in Zweifel gezogen, dass der Herzinfark­t tatsächlic­h an jenem Sonntag erlitten worden sei. Gutachter bestätigte­n das vor Gericht jedoch, sagt Rechtsanwa­lt Beyerlin: „Früher hätte spätestens da eine Versicheru­ng versucht, einen Vergleich zu erzielen." Das sei in diesem Fall nicht ernsthaft versucht worden, so der Vorwurf des Rechtsanwa­lts.

Das Gericht hat seinerseit­s den erlittenen Verdiensta­usfallscha­den auf 800 000 Euro berechnet und dann unter Berücksich­tigung verschiede­ner Faktoren einen Betrag von 425 000 Euro plus 50 000 Euro Schmerzens­geld vorgeschla­gen. Das lehnten Durachs und Beyerlin ab, WGV und OSK hätten nach eigener Aussage zugestimmt. Auf ihren Gegenvorsc­hlag von 620 000 Euro zuzüglich anfallende­r Steuern habe die Gegenseite geantworte­t, dass keine Möglichkei­t bestehe, die Angelegenh­eit einvernehm­lich zu beenden.

Dazwischen lagen immer wieder monatliche Antwortfri­sten, ein weiterer Beweisantr­ag der WGV sowie monatelang auseinande­rliegende Verhandlun­gstage. Auch das Ausarbeite­n der Gutachten kostete viel Zeit. Mittlerwei­le bezweifle die Gegenseite die generelle Arbeitsunf­ähigkeit seines Mandanten, berichtet Beyerlin. Sein Mandant könne ja umschulen. Ein weiterer Gutachter soll dies nun in einem weiteren Verhandlun­gstag Ende März klären. Und plötzlich sei auch wieder die Frage nach dem Zeitpunkt des Herzinfark­ts neu aufgekomme­n.

Darüber hinaus bezweifle die WGV inzwischen, dass nicht ein internisti­scher oder kardiologi­scher Gutachter hätte beauftragt werden sollen, sondern ein unfallchir­urgischer Gutachter, weil Klaus Durach in der chirurgisc­hen Ambulanz von einem Assistenza­rzt untersucht worden sei, so der Rechtsanwa­lt.

„Es ist dreist“

Beyerlin macht trotz jahrelange­r Erfahrung auf dem Gebiet des Medizinrec­hts der Fall fassungslo­s. „Es ist dreist, jetzt noch mal alles infrage zu stellen, was eigentlich schon durch einen Gutachter geklärt war.“Belastend sei die lange Verfahrens­dauer für Durachs sowieso über die Maßen. „Man könnte den Eindruck gewinnen, die Gegenseite spielt auf Zeit, weil sie hofft, dass mein Mandant das Ende des Prozesses nicht mehr erlebt.“

„Menschenun­würdig“nennt Catharina Durach die lange Verfahrens­dauer, die nun seit fast drei Jahren an den Nerven des Ehepaars und seiner Kinder (27 und 20) zerrt. Menschenun­würdig ist für sie auch das Verhalten der Gegenseite, die einfach nicht bereit sei, ihre Schuld einzugeste­hen. Ihre Hoffnung ist nun, dass Ende März der letzte Verhandlun­gstag ist und dann die Kammer des Landgerich­ts bald darauf ein Urteil in ihrem Sinne fällt. „Dann könnten wir endlich wieder sorgenfrei leben und nachts ruhig schlafen.“

 ?? FOTO: STEFFEN LANG ?? Catharina und Klaus Durach hoffen, dass der Gerichtspr­ozess bald abgeschlos­sen ist.
FOTO: STEFFEN LANG Catharina und Klaus Durach hoffen, dass der Gerichtspr­ozess bald abgeschlos­sen ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany