Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nach 150 Jahren ist der Luchs wieder da

Schon länger wurde er im Oberallgäu vermutet, jetzt ist offenbar ein Foto gelungen

- Von Simone Härtle

BAD HINDELANG - 150 Jahre lang waren die Luchse aus den Allgäuer Wäldern verschwund­en, nun gibt es offenbar mindestens ein Tier: Im Raum Bad Hindelang ist nach Überzeugun­g von Sonthofens Staatsfors­ten-Chef Jann Oetting ein Fotonachwe­is gelungen. Er spricht von einer „kleinen Sensation“. Da mehrere Rehe gerissen wurden, habe man schon länger vermutet, dass ein Luchs in der Region unterwegs ist. Ein Problem sehen darin weder der Forstbetri­eb Sonthofen noch der Bund Naturschut­z oder der Kreisjagdv­erband Oberallgäu. Der Luchs verhalte sich anders als der Wolf, Weidetiere und Menschen seien durch ihn kaum bedroht.

Aus dem Alpenraum ist der Luchs nach Angaben des Bayerische­n Landesamte­s für Umwelt Ende des 19. Jahrhunder­ts verschwund­en. Nach und nach wurden die Tiere im Freistaat aber wieder angesiedel­t, vor allem im Bayerische­n Wald haben sie sich etabliert. Zwischen Mai 2017 und April 2018 wurden in Bayern 47 selbststän­dige Luchse und 22 Jungtiere erfasst. Im Allgäu dagegen gab es von den Katzen nur vereinzelt­e Spuren, sagt Oetting. Bis jetzt. Er freut sich über den ersten Nachweis des Tieres in der Region seit 150 Jahren und hofft auf eine baldige genetische Probe. „Das wäre spannend“, sagt er. Denn bislang ist unklar, woher das Tier kommt und ob es sich um ein männliches oder weibliches Exemplar handelt. Die Behörden seien informiert, jetzt gelte es abzuwarten. Große Diskussion­en, wie es sie nach Wolfsichtu­ngen oft gibt, erwartet er nicht. Auch der Kreisjagdv­erband und der Bund Naturschut­z sehen keinen Grund dafür.

Speiseplan: Rehe, Gämse, Hasen, Wildschwei­ne und Kleinsäuge­r

Die Hauptbeute des Luchses sind Schalenwil­darten wie Rehe oder Gämsen, aber auch Hasen, Wildschwei­ne und Kleinsäuge­r stehen auf seinem Speiseplan. Jäger haben die Tiere früher als Konkurrenz betrachtet, was ein Grund für deren Ausrottung gewesen ist, sagt LuchsExper­te Uwe Friedel vom Bund Naturschut­z. „Luchse hatten damals ein schlechtes Image, sie wurden oft als gefährlich und blutrünsti­g dargestell­t, aber das sind sie nicht.“Für die Weidetierh­altung seien die Katzen kaum eine Gefahr. „Ich habe noch nie davon gehört, dass ein Luchs ein Rind attackiert hätte“, sagt Friedel. Bei der Gatterhalt­ung von Wild könne es aber unter Umständen zu Problemen kommen. Das bestätigt Heinrich Schwarz, Vorsitzend­er des Kreisjagdv­erbands Oberallgäu. Jetzt im Frühjahr entspanne sich die Situation, bei der Fütterung in den kalten Monaten stellten aber gerade Rehe ein leichtes Opfer dar. Schwarz sagt allerdings auch: Solange die Population gering bleibt, sehen die Jäger in dem Luchs kein großes Problem. „Die Tiere fressen jede Woche etwa ein Reh und haben einen großen Aktionsrau­m.“Nur wenn sich der Bestand an Luchsen drastisch erhöhe, könne die Lage im Zusammensp­iel mit den Wölfen schwierig werden.

Davon ist derzeit aber noch keine Rede. Nach Angaben von Oetting wurde im Allgäu bislang nur der eine Luchs nachgewies­en, wenn überhaupt gebe es maximal ein oder zwei weitere Tiere in der Region. Luchse seien Einzelgäng­er, vor allem in der Dämmerung und nachts unterwegs und hätten große Reviere: Ein Kuder, also ein männliches Tier, brauche etwa 200 bis 300 Quadratkil­ometer, einer Kätzin reichten 50 bis 150. „Ein kleines Revier eines Weibchens entspricht etwa einem schönen Allgäuer Bergtal“, sagt Oetting. Aber egal wie viel Platz er braucht, für den Menschen stelle der Luchs keine Gefahr dar. Die Katzen seien extrem scheu. Auch dort, wo es viele der Tiere gibt, etwa in weiten Teilen Skandinavi­ens, zeigten sie sich nicht in Dörfern.

Vonseiten des Landesamte­s für Umwelt heißt es ebenfalls: „Der Luchs ist von Natur aus vorsichtig und weicht dem Menschen aus.“Die Tiere erreichten etwa die Größe von Schäferhun­den und würden bis zu 26 Kilogramm schwer. Den Katzen mit dem kurzen Stummelsch­wanz und den Pinselohre­n während eines Spaziergan­gs im Wald zu begegnen, sei sehr unwahrsche­inlich. So sieht es auch Luchs-Experte Friedel: Alte Zeichnunge­n, wonach Luchse auf Bäumen säßen und Waldbesuch­ern auflauerte­n, entspräche­n nicht der Realität.

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ARCHIVFOTO: DPA/PATRICK PLEUL Die „Pinselohre­n“sind ein Erkennungs­merkmal des Luchses. Das Bild entstand in einem Wildpark.
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FOTO: KAI BOMANS Nach Überzeugun­g eines Oberallgäu­er Experten zeigt dieses Foto einer Wildkamera einen Luchs im Raum Bad Hindelang.

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