Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zwischen die Fronten manövriert

Wie die FIFA die plötzliche Sympathie der Bayern für die Club-WM für sich nutzt – Topclubs bleiben beim Nein

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AMSTERDAM (dpa/SID/fil) - Europas Spitzentea­ms stellen sich weiter gegen die vom FIFA-Council beschlosse­ne neue Club-WM ab Sommer 2021. „Wir tragen das nicht mit, wir wollen derzeit nicht daran teilnehmen!“, sagte Andrea Agnelli, der Vorsitzend­e des italienisc­hen Rekordmeis­ters Juventus und gleichzeit­ig Präsident der Europäisch­en Clubverein­igung ECA, zu der sich 232 europäisch­e Spitzenver­eine zusammenge­schlossen haben, nach der ECA-Vollversam­mlung in Amsterdam. Der Italiener forderte vor einer möglichen Kehrtwende mehr Informatio­nen und vor allem Zugeständn­isse vom Weltverban­d, der noch immer nicht kommunizie­rt hat, wer die Geldgeber hinter den neuen Wettbewerb­en sind und welche Rechte diese im Tausch für ihre Investitio­nen haben wollen.„Die Art, wie das geregelt wurde, ähnelt dem, wie man sonst eine Weihnachts­lotterie organisier­t“, sagte Agnelli, „man braucht mehr Details, bevor man einem solchen Projekt zustimmt.“

Agnelli sprach am Dienstag zwar im Namen der ECA, aber wohl nicht im Sinne aller 232 Clubs in seiner Organisati­on. Zvonimir Boban, der stellvertr­etende Generalsek­retär der FIFA, sprach nur kurz nach Agnelli im Namen der FIFA und zumindest im Sinne einiger Abweichler: „Wir führen sehr gute Gespräche. Ich bin sicher, alle wollen dabei sein, alle werden dabei sein. Es ist ein guter Wettbewerb für die Mannschaft­en“.

Zwei sehr prominente Mitglieder waren schließlic­h schon vor der Sitzung ausgescher­t – Real Madrid und Bayern München. Am Tag nach dem FIFA-Council, in dem die UEFA die Pläne für die Club-WM auch im Namen und nach Boykottand­rohung der ECA abgelehnt hatte, hatten sich Bayerns Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge und Präsident Uli Hoeneß überrasche­nd als Befürworte­r der Club-WM – bei der die FIFA angeblich 100 Millionen Euro Preisgelde­r ausschütte­n möchte – geoutet. Die Münchner haben sich damit zwischen die Fronten manövriert.

Bayerns Vorstandsc­hef Rummenigge, lange Jahre Agnellis Vorgänger als ECA-Vorsitzend­er und heute Ehrenvorsi­tzender, fehlte in Amsterdam erkrankt. Vertreten wurden die Münchner bei der ECA-Veranstalt­ung durch ihren Chefjurist­en Michael Gerlinger, der auch dem Vorstand der Club-Vereinigun­g angehört. Der hatte vor dem FIFA-Council auch den Brandbrief gegen die FIFA mitsamt der Boykott-Ankündigun­g der ECA-Clubs für die ClubWM unterschri­eben.

Champions-League-Spiele am Wochenende könnten kommen

Das dann folgende überrasche­nde Umschwenke­n der Münchner soll für Verstimmun­g in den Spitzengre­mien der ECA und der UEFA geführt haben, am Dienstag umschiffte Agnelli das Thema aber recht elegant, indem er die Boykottdro­hung nicht zurücknahm, sich aber gesprächsb­ereit zeigte. Als wichtigste­n Aspekt nannte Agnelli eine bessere Strukturie­rung des „vollgestop­ften Terminkale­nders“im Weltfußbal­l.

Für die deutschen Fußballfan­s hatte Agnelli eine reichlich ernüchtern­de Botschaft parat. ChampionsL­eague-Spiele am Wochenende sind künftig kein Tabu mehr. „Wir müssen die Zukunft planen“, sagte er lapidar.

Für einen neuen Champions-League-Modus von 2024 an gibt es laut Agnelli im Moment noch diverse Modelle, über Wochenends­piele sei bei den „unglaublic­h transparen­ten Gesprächen“mit der UEFA noch gar nicht diskutiert worden. Mit einer Entscheidu­ng rechne er in den nächsten zwölf bis 18 Monaten. Das zuletzt kolportier­te und schon heiß diskutiert­e Format mit einer dreigeteil­ten Champions League mit Aufund Abstieg wollte der Juve-Chef nicht bestätigen.

Dennoch gilt es unter den ClubFunkti­onären als präferiert­e Variante. Bis zu 96 Mannschaft­en könnten daran teilnehmen. 14 statt bislang sechs Gruppenspi­ele für jedes Team würden die Millionen-Einnahmen weiter in die Höhe schnellen lassen, aber eben auch für einen Terminnots­tand sorgen, sollte man nicht auf das Wochenende ausweichen. Den für den Wettbewerb benutzten Begriff Super League wies Agnelli ausdrückli­ch zurück: „Namensgebu­ng ist wichtig, aber es ist keine Super League.“

DFL-Chef Christian Seifert hatte sich bei der ECA-Vollversam­mlung in Amsterdam nicht öffentlich äußern wollen – die Agnelli-Botschaft wird ihm aber extrem missfallen. Der Bundesliga-Top-Funktionär hatte Europacup-Spiele am Wochenende als „rote Linie“bezeichnet und juristisch­en Widerstand angekündig­t.

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FOTO: DPA Bayerns Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge und Präsident Uli Hoeneß befürworte­n die umstritten­e Club-WM.

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