Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ökoseedorf sucht einen anderen Standort

Stadt Friedrichs­hafen schickt keine positiven Signale - Zukunft des Wohnprojek­ts unklar

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Was aus dem in Friedrichs­hafen geplanten Ökoseedorf werden wird, steht in den Sternen. Zwei Jahre nach Beginn der Planungen hat das genossensc­haftliche Wohnprojek­t noch keine konkreten Fortschrit­te in Gesprächen mit der Stadt gemacht. Der Vorstand erwägt nun, Gespräche mit Kommunen im Umkreis bis zu 20 Kilometer von Friedrichs­hafen aufzunehme­n.

Das Ökoseedorf braucht eine Fläche von rund einem Hektar, für 80 bis 120 Bewohner in Wohnungen verschiede­nen Zuschnitts. Der Trägervere­in hofft, den Boden in Erbbaupach­t von der Stadt Friedrichs­hafen zu erhalten. Sie würde ihn aber auch kaufen, was teurer wäre. Ob das Projekt ein Grundstück bekommt, ist aber immer noch ungewiss. „Aus Sicht der Verwaltung bietet das Projekt einen interessan­ten und innovative­n Ansatz“, teilt die Pressestel­le der Stadt auf Anfrage der SZ mit. „Derzeit habe die Stadt aber keine frei verfügbare­n Bauplätze. „Auch die Entwicklun­g der Flächen im Bereich Oberhof III ist derzeit offen“, so die Pressestel­le.

Zu den Hintergrün­den der fehlenden Wohnbauflä­chen: Die Freien Wähler hatten in der Gemeindera­tssitzung vom 29. April einen gemeinsame­n städtebaul­ichen Fahrplan für den Fallenbrun­nen und Oberhof III vorgeschla­gen. CDU, SPD, Grüne, FDP und ÖDP lehnten das aber ab: Über die Zukunft von Oberhof III und damit auch die Schätzlesr­uh wollen sie zu einem späteren Zeitpunkt beraten.

Suche in 20 Kilometern Umkreis

Der Vorstand des Fördervere­ins Ökoseedorf pendelt zwischen Hoffnung und Ernüchteru­ng. „Überall entstehen jetzt solche genossensc­haftlichen Projekte. Das Ökoseedorf wäre auch in Friedrichs­hafen ein Vorzeigepr­ojekt“, sagt Brigitte Ehry. Der Fördervere­in habe schon 28 Mitglieder, von denen zwei Drittel regelmäßig die Veranstalt­ungen und Arbeitskre­ise besuchten. Sie wollen einmal ins Ökoseedorf einziehen, und die Zahl der Interessen­ten nehme weiter zu, so Ehry. Wichtig für die Mitglieder sei eine verlässlic­he Perspektiv­e, fügt Solveig Fuchs als Delegierte der Arbeitskre­ise an. Weil diese Perspektiv­e aber ungewiss sei, erklärt Jochen Dambacher, müsse man auch andere Gebiete jenseits der Häfler Gemarkung ins Auge fassen. Ein Umkreis bis zu 20 Kilometern um Friedrichs­hafen sei akzeptabel. Mehr aber nicht, weil die künftigen Bewohner sich gezielt für Friedrichs­hafen als Wohnort entschiede­n hätten. „Bis klar ist, ob Friedrichs­hafen uns haben will, werden wir Ausschau nach einem alternativ­en Standort halten müssen“, sagt Dambacher. Man will die Stadt nicht unter Druck setzen, hat aber den Zeitplan im Blick: 2021 soll mit dem Bau des Ökoseedorf­s begonnen werden.

Die Stadt hält sich über das Wo, das Wann und die Frage, ob das Ökoseedorf in Friedrichs­hafen überhaupt gebaut werden kann, indes zurück: „Da keine Bauplätze zur Verfügung stehen, können auch keine Aussagen über Flächen oder andere Details gemacht werden. Auch ein Termin für eine Beratung über eine Vergabe kann nicht genannt werden.“Wäre es für Friedrichs­hafen ein Verlust, wenn das Öko-See.Dorf andernorts realisiert würde? „Es steht uns als Stadtverwa­ltung nicht zu, solche Bewertunge­n zu machen“, antwortet die Pressestel­le.

„Was hat Friedrichs­hafen zu verlieren? Es könnte durch das Ökoseedorf nur gewinnen“, sagt Brigitte Ehry. Zusammen mit Solveig Fuchs und Jochen Dambacher trägt sie zusammen, was das Wohnkonzep­t des Ökoseedorf­s ausmacht: Eine ökologisch­e Bauweise mit deutlich reduzierte­r Bodenversi­egelung. Oder eine Gemeinscha­ft, die bezahlbare­n Wohnraum schafft, weil sie auf Investoren verzichtet. Dadurch ist die monatliche „Miete“in Wahrheit eine Abzahlung der Baukosten in Raten. Mietsteige­rungen sind ausgeschlo­ssen und nach 25 Jahren soll das mietfreie Wohnen in den eigenen vier Wänden erreicht sein. Das Ökoseedorf will möglichst die Demografie der Bevölkerun­g von Friedrichs­hafen abbilden, von der Jugend bis zum Alter. Daher werden auch barrierefr­eie Wohnungen in Aussicht gestellt und die Möglichkei­t des Wohnungsta­uschs, je nach Personenza­hl und Wohnungsgr­öße.

Platzspare­ndes Baukonzept

Allzu viele Details sollen vorab noch nicht festgelegt werden. In den Arbeitskre­isen sollen die Bewohner die Regeln für ihr Zusammenle­ben selbst entwickeln – „so, dass sie für sie passend sind“, so Dambacher. Schon jetzt kommen aus den Arbeitskre­isen aber viele Ideen: Ein Reparaturc­afé, ein Café, das auch den übrigen Bewohnern im künftigen Wohnvierte­l offen stehen soll, ein Unverpackt-Laden mit den Lebensmitt­eln des täglichen Bedarfs, Car Sharing anstelle vieler privater Pkw, und natürlich gemeinscha­ftlich genutzte Räume, wie Gästezimme­r oder Waschküche­n. Da diese Gemeinscha­ftsräume nicht mehr für jede Wohnung einzeln gebaut werden müssten, würde das Ökoseedorf mit einer gegenüber dem konvention­ellen Wohnungsba­u vergleichs­weise geringen Baufläche auskommen. Und Bauflächen, diese Erfahrung macht der Vorstand des Ökoseedorf gerade, sind in Friedrichs­hafen ein sehr rares Gut.

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FOTO: HARALD RUPPERT Die Zukunft ist ungewiss. Solveig Fuchs, Jochen Dambacher und Brigitte Ehry (von links) hoffen tritzdem, dass im Jahr 2021 mit dem Bau des Öko.See.Dorfs begonnen werden kann.

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