Neue Bahnen auf alten Gleisen
Fahrgastverbände wollen 3000 Kilometer stillgelegte Schienen wieder reaktivieren – Allein 600 Kilometer im Südwesten
BERLIN - Rund 3000 Kilometer stillgelegter Schienenstrecken sollen für den Nahverkehr und Gütertransport wieder in Betrieb genommen werden, fordern zwei Bahn-Lobby-Verbände. Vorschläge gibt es für alle Bundesländer.
Politische Entscheidungen können sich im Laufe der Zeit als falsch erweisen. Eine solche zu revidieren fordern nun zwei Verbände, die sich für den Bahnverkehr einsetzen. Sie plädieren dafür, viele der seit den 1970er-Jahren stillgelegten Nahverkehrsund Güterstrecken wieder in Betrieb zu nehmen.
Die 186 Projekte umfassen etwa 3000 Kilometer Schienen, knapp zehn Prozent des deutschen Bahnnetzes. Auf der Wunschliste von Allianz pro Schiene und dem Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) stehen Gleisverbindungen in allen Bundesländern.
Teilweise hat man dieses Umdenken schon in die Tat umgesetzt. „Zunehmend werden stillgelegte Verbindungen reaktiviert, weil die Bürger für ihre Fahrten und Unternehmen für ihre Gütertransporte den Eisenbahnverkehr wollen“, sagte am Montag Dirk Flege, der Geschäftsführer der Allianz, in der unter anderem Umweltverbände mit Bahnfirmen kooperieren. Nicht selten bringt die Erneuerung erstaunliche Erfolge hervor: Wo Anfang der 1980er-Jahre vielleicht 500 Passagiere täglich mit alten Schienenbussen in die nächste Stadt unterwegs waren, befördern moderne S-Bahnen heute 25 000 Pendler. Ein Grund: Der Verkehr hat zugenommen, besonders zu den morgendlichen und nachmittäglichen Stoßzeiten. Da können wieder in Betrieb genommene Bahnstrecken ein attraktives Angebot bieten.
Die Bahn-Verbände unterbreiten ihren Vorschlag auch deshalb jetzt, weil sich die Großwetterlage ändert. Neuerdings setzt die Bundesregierung darauf, den Bahnverkehr zu verbessern und stellt auch mehr Geld zur Verfügung.
Unter anderem soll die Deutsche Bahn den sogenannten Deutschlandtakt einführen – stündliche Verbindungen zwischen Städten. Die Anstrengungen sind auch nötig, um die klimaschädlichen Abgase zu verringern, die der Verkehrssektor verursacht.
Bisher stehen die 186 Vorhaben nur auf der Wunschliste der Verbände. Das Bundesverkehrsministerium reagierte am Montag reserviert: Eine Reaktivierung sei nur sinnvoll, wenn die Länder die Verkehrsleistung bestellten. Viel wird darauf ankommen, ob die Pläne Rückhalt im Bundestag finden. „Bahnstrecken, die vor vielen Jahren stillgelegt wurden, weil seinerzeit kein Bedarf mehr bestand, können unter heutigen Gesichtspunkten ganz anders beurteilt werden“, sagte CSU-Verkehrspolitikerin Daniela Ludwig gegenüber dieser Zeitung. „Die Vorschläge der Allianz pro Schiene sollten daher im Einzelnen ernsthaft geprüft werden.“
Manche der Strecken ließen sich relativ leicht reaktivieren, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann. Wenn die Schienen noch vorhanden seien, komme man teilweise mit recht geringen Investitionen für die Modernisierung aus. Schwieriger ist es dort, wo die Gleise abgebaut wurden, wie etwa zwischen Leutkirch und Isny.