Carsten gegen Carsten
Umfragen sehen die CDU in Bremen deutlich vor der SPD
RAVENSBURG - Bremen steht am Sonntag eine spannende Wahl bevor: Seit Gründung der Bundesrepublik ist die SPD stärkste politische Kraft, nun könnte sie ihr Stammland verlieren. Umfragen sehen die CDU bei 28 Prozent, die SPD bei 23 Prozent. Um eine Niederlage abzuwenden, setzt der amtierende SPD-Bürgermeister Carsten Sieling alles auf eine Karte.
Noch regieren die Sozialdemokraten gemeinsam mit den Grünen. Dass nach der Wahl weiterhin zwei Parteien eine Koalition bilden, gilt als unwahrscheinlich, zumal die SPD Sondierungsgesprächen mit der CDU eine klare Absage erteilt hat. „Wir wollen die Mehrheit links der Mitte zum Tragen bringen“, erklärte Sieling vergangene Woche. Der Wahlkampf habe gezeigt, dass die Union kein soziales Bundesland Bremen wolle. Nun setzt Sieling auf ein Bündnis mit den Grünen, die laut Umfrage bei 18 Prozent liegen, und der Linkspartei, der aktuell elf Prozent der Stimmen vorhergesagt werden. AfD und FDP liegen bei sechs Prozent und damit knapp über der Sperrklausel.
CDU setzt auf Quereinsteiger
Carsten Meyer-Heder ist der Mann, der den Sozialdemokraten zu schaffen macht. Der Quereinsteiger von der CDU, der erst im vergangenen Jahr seiner Partei beigetreten ist und nun Bürgermeister werden will. „Andere schmieden schon vor dem Wählervotum linke Koalitionen, ich habe versprochen, bis zum Wahltag am 26. Mai Gas zu geben“, kommentierte er die Entscheidung der SPD, auf RotGrün-Rot zu setzen. Die Grünen hingegen stellten infrage, dass Sieling Wort hält: „Ob Schröder, Steinbrück, Schulz oder Sieling – es wurde immer eine Große Koalition ausgeschlossen.“
Und am Ende sei sie doch gekommen.
Rund 428 000 Wahlberechtigte sind am Sonntag aufgerufen, die Bremische Bürgerschaft – so heißt der Landtag von Bremen – zu wählen. Anders als in Baden-Württemberg dauert die Legislaturperiode nicht fünf Jahre, sondern vier. Gewählt werden darf ab 16 Jahren. Eine weitere Bremer Sonderregel: Für den Einzug in die Bürgerschaft reicht es, wenn die Parteien entweder in Bremen oder in Bremerhaven mindestens fünf Prozent der gültigen Stimmen bekommen. So ist es im Fall der Partei „Bürger in Wut“(BIW) geschehen: 2015 erhielt sie insgesamt nur 3,2 Prozent der Stimmen, in Bremerhaven jedoch 6,5 Prozent. Die „Bürger in Wut“, von Politikwissenschaftlern als rechtspopulistisch eingestuft, setzen vor allem auf das Thema Kriminalitätsbekämpfung.
Welche Themen die Menschen in der Hansestadt besonders beschäftigten, haben Wahlforscher von Infratest dimap im Auftrag von Radio Bremen ermittelt: Ganz oben steht demnach die Bildungspolitik, es folgen die Themen Verkehr und Wohnen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Handelskammer Bremen, die Unternehmen zum Standort Bremen befragt hat: Die Politik müsse vor allem die Unterrichtsqualität verbessern und die Digitalisierung vorantreiben, lautet eine zentrale Forderung.
Stadt der Widersprüche
Bremen, das ist einerseits die traditionsreiche Hansestadt mit dem schmucken Rathaus im Stadtzentrum. Die Wirtschaft am sechstgrößten Industriestandort Deutschlands wächst stärker als im Bundesschnitt. Airbus und der lokale Champion OHB („Otto Hydraulik Bremen“) setzen mit Luft- und Raumfahrttechnik Milliarden um. Das Bremer Mercedes-Werk war das größte weltweit, bevor es von Peking abgelöst wurde.
Andererseits ist Bremen das Bundesland, das 2018 rund 740 Millionen Euro aus dem Länderfinanzausgleich bezogen hat. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei knapp zehn Prozent. Von mehr als 680 000 Einwohnern beziehen gut 100 000 Hartz IV. Zwar ist die rechnerische Wirtschaftsleistung pro Einwohner hoch, doch diese erwirtschaften größtenteils Pendler, die im Umland wohnen und in Niedersachsen Steuern zahlen. Die Mittelschicht wandert aus Bremen ab, es mangelt an attraktivem Wohnraum.
Welcher der beiden Kandidaten – Carsten Sieling oder Carsten MeyerHeder – das Rennen macht, wird mit Spannung erwartet. Bremen hat die Wahl zwischen einem erfahrenen Politiker, der auch Mitglied im Bundestag war, und einem Politikneuling, der das Image der Hansestadt aufpolieren möchte. Sollte die SPD ihre Hochburg verlieren, könnte dies die Große Koalition in Berlin vor eine neue Belastungsprobe stellen.