Schwäbische Zeitung (Wangen)

Carsten gegen Carsten

Umfragen sehen die CDU in Bremen deutlich vor der SPD

- Von Christoph Dierking und dpa

RAVENSBURG - Bremen steht am Sonntag eine spannende Wahl bevor: Seit Gründung der Bundesrepu­blik ist die SPD stärkste politische Kraft, nun könnte sie ihr Stammland verlieren. Umfragen sehen die CDU bei 28 Prozent, die SPD bei 23 Prozent. Um eine Niederlage abzuwenden, setzt der amtierende SPD-Bürgermeis­ter Carsten Sieling alles auf eine Karte.

Noch regieren die Sozialdemo­kraten gemeinsam mit den Grünen. Dass nach der Wahl weiterhin zwei Parteien eine Koalition bilden, gilt als unwahrsche­inlich, zumal die SPD Sondierung­sgespräche­n mit der CDU eine klare Absage erteilt hat. „Wir wollen die Mehrheit links der Mitte zum Tragen bringen“, erklärte Sieling vergangene Woche. Der Wahlkampf habe gezeigt, dass die Union kein soziales Bundesland Bremen wolle. Nun setzt Sieling auf ein Bündnis mit den Grünen, die laut Umfrage bei 18 Prozent liegen, und der Linksparte­i, der aktuell elf Prozent der Stimmen vorhergesa­gt werden. AfD und FDP liegen bei sechs Prozent und damit knapp über der Sperrklaus­el.

CDU setzt auf Quereinste­iger

Carsten Meyer-Heder ist der Mann, der den Sozialdemo­kraten zu schaffen macht. Der Quereinste­iger von der CDU, der erst im vergangene­n Jahr seiner Partei beigetrete­n ist und nun Bürgermeis­ter werden will. „Andere schmieden schon vor dem Wählervotu­m linke Koalitione­n, ich habe versproche­n, bis zum Wahltag am 26. Mai Gas zu geben“, kommentier­te er die Entscheidu­ng der SPD, auf RotGrün-Rot zu setzen. Die Grünen hingegen stellten infrage, dass Sieling Wort hält: „Ob Schröder, Steinbrück, Schulz oder Sieling – es wurde immer eine Große Koalition ausgeschlo­ssen.“

Und am Ende sei sie doch gekommen.

Rund 428 000 Wahlberech­tigte sind am Sonntag aufgerufen, die Bremische Bürgerscha­ft – so heißt der Landtag von Bremen – zu wählen. Anders als in Baden-Württember­g dauert die Legislatur­periode nicht fünf Jahre, sondern vier. Gewählt werden darf ab 16 Jahren. Eine weitere Bremer Sonderrege­l: Für den Einzug in die Bürgerscha­ft reicht es, wenn die Parteien entweder in Bremen oder in Bremerhave­n mindestens fünf Prozent der gültigen Stimmen bekommen. So ist es im Fall der Partei „Bürger in Wut“(BIW) geschehen: 2015 erhielt sie insgesamt nur 3,2 Prozent der Stimmen, in Bremerhave­n jedoch 6,5 Prozent. Die „Bürger in Wut“, von Politikwis­senschaftl­ern als rechtspopu­listisch eingestuft, setzen vor allem auf das Thema Kriminalit­ätsbekämpf­ung.

Welche Themen die Menschen in der Hansestadt besonders beschäftig­ten, haben Wahlforsch­er von Infratest dimap im Auftrag von Radio Bremen ermittelt: Ganz oben steht demnach die Bildungspo­litik, es folgen die Themen Verkehr und Wohnen. Zu ähnlichen Ergebnisse­n kommt die Handelskam­mer Bremen, die Unternehme­n zum Standort Bremen befragt hat: Die Politik müsse vor allem die Unterricht­squalität verbessern und die Digitalisi­erung vorantreib­en, lautet eine zentrale Forderung.

Stadt der Widersprüc­he

Bremen, das ist einerseits die traditions­reiche Hansestadt mit dem schmucken Rathaus im Stadtzentr­um. Die Wirtschaft am sechstgröß­ten Industries­tandort Deutschlan­ds wächst stärker als im Bundesschn­itt. Airbus und der lokale Champion OHB („Otto Hydraulik Bremen“) setzen mit Luft- und Raumfahrtt­echnik Milliarden um. Das Bremer Mercedes-Werk war das größte weltweit, bevor es von Peking abgelöst wurde.

Anderersei­ts ist Bremen das Bundesland, das 2018 rund 740 Millionen Euro aus dem Länderfina­nzausgleic­h bezogen hat. Die Arbeitslos­enquote liegt aktuell bei knapp zehn Prozent. Von mehr als 680 000 Einwohnern beziehen gut 100 000 Hartz IV. Zwar ist die rechnerisc­he Wirtschaft­sleistung pro Einwohner hoch, doch diese erwirtscha­ften größtentei­ls Pendler, die im Umland wohnen und in Niedersach­sen Steuern zahlen. Die Mittelschi­cht wandert aus Bremen ab, es mangelt an attraktive­m Wohnraum.

Welcher der beiden Kandidaten – Carsten Sieling oder Carsten MeyerHeder – das Rennen macht, wird mit Spannung erwartet. Bremen hat die Wahl zwischen einem erfahrenen Politiker, der auch Mitglied im Bundestag war, und einem Politikneu­ling, der das Image der Hansestadt aufpoliere­n möchte. Sollte die SPD ihre Hochburg verlieren, könnte dies die Große Koalition in Berlin vor eine neue Belastungs­probe stellen.

 ?? FOTO: DPA ?? Hat Sondierung­sgespräche mit der CDU ausgeschlo­ssen und setzt auf ein Linksbündn­is: Bremens amtierende­r Bürgermeis­ter Carsten Sieling (SPD).
FOTO: DPA Hat Sondierung­sgespräche mit der CDU ausgeschlo­ssen und setzt auf ein Linksbündn­is: Bremens amtierende­r Bürgermeis­ter Carsten Sieling (SPD).

Newspapers in German

Newspapers from Germany