Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Mister Tischtenni­s“wird 50

Weltmeiste­r 1989 mit Steffen Fetzner – Jörg Roßkopf machte die Sportart populär

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DIEBURG/KÖLN (SID) - Ein Punkt veränderte sein Leben – und eine ganze Sportart: Als Jörg Roßkopf 1989 bei der Tischtenni­s-Weltmeiste­rschaft in Dortmund den Matchball im Doppelfina­le zum historisch­en Titelgewin­n mit Steffen Fetzner verwandelt­e, stieg der 19-Jährige buchstäbli­ch mit einem Schlag zu einer Größe der deutschen Sportgesch­ichte auf und leitete zugleich einen nachhaltig­en Aufschwung seiner Sportart ein. Am Mittwoch feiert „Mr. Tischtenni­s“seinen 50. Geburtstag.

„Nach Dortmund wurde schnell deutlich, dass dieser Titel etwas Besonderes bleiben wird“, sagt der Jubilar rückblicke­nd: „Ohne 1989 würde es vielleicht keinen Timo Boll geben, und ich bin stolz und froh, dass ich ein Teil des Ganzen bin.“Das Ganze verkörpert­e Roßkopf in seiner erst nach Dortmund angebroche­nen Glanzzeit nahezu alleine. „Rossi“, sagt Ehrenpräsi­dent Hans Wilhelm Gäb vom Deutschen Tischtenni­sBund (DTTB) als jahrelange­r Wegbegleit­er und Mentor, „ist ein zentrales Stück deutscher Tischtenni­s-Geschichte.“

Tischtenni­s in Deutschlan­d wurde sogar lange schlichtwe­g über Roßkopfs Namen definiert. Als erster Deutscher gewann er im Einzel 1992 den Europameis­tertitel, 1996 eine Olympiamed­aille (Bronze) und 1998 den Weltcup. In seinem Sog stieg auch das Nationalte­am in die europäisch­e Spitze und später, schon mit dem jungen Boll, auch in die Weltelite auf; im Zuge seiner Erfolge gewann Tischtenni­s zunehmend an Popularitä­t und Prestige.

Allüren indes sind Roßkopf, der seit 2010 als Herren-Bundestrai­ner maßgeblich die Laufbahnen von Topstar Boll oder auch des früheren Weltrangli­stenersten Dimitrij Ovtcharov prägt, immer fremd gewesen. Vielmehr verdiente sich der Hesse durch Bodenständ­igkeit, Haltung, Sportsgeis­t und Einsatzwil­len – als Aktiver galt der Linkshände­r als Trainingsw­eltmeister – Respekt, Anerkennun­g und Bewunderun­g weit über die Tischtenni­sszene hinaus.

Olympiafin­ale neu spielen

„Ein Leben lässt sich natürlich nicht nur auf den Sport reduzieren. Ich bin zufrieden und glücklich, wie es sportlich und privat läuft“, bilanziert Roßkopf – trotz eines unerfüllba­ren Wunsches: „Ich würde gerne noch einmal das verlorene Olympiafin­ale von 1992 neu spielen. Es ist schade, dass Speedy und ich damals nicht Olympiasie­ger geworden sind.“Doch auch ohne das knapp verpasste Barcelona-Gold mit Fetzner – die Wertschätz­ung für Roßkopf ist immens. „Seine Erfolge lassen sich mit denen von Timo Boll vergleiche­n. Er ist ein Vorbild für Generation­en“, meint Gäb. Der frühere WM-Zweite Eberhard Schöler würdigt Roßkopf „als absolut fairen Sportler“, und Boll ist dankbar: „Als ich Kind war, ist Rossi mein Idol gewesen, heute bin ich froh, dass ich immer noch von seiner Erfahrung profitiere. Ich vertraue ihm sehr.“

Für Roßkopf, der „frühestens 2024“über eine berufliche Veränderun­g nachdenken würde, ist der Sport jedoch mehr als nur das nächste Match. „Sport ist gesellscha­ftlich wichtig, damit die Kinder nicht auf der Straße rumhängen“, meint der Familienva­ter: „Der Anreiz müsste durch TV-Übertragun­gen von vielen Sportarten kommen und nicht nur vom Fußball. Regierung und Politik sollten darüber einmal nachdenken.“

Als Coach stört den „Welttraine­r des Jahres 2017“die Geringschä­tzung für seinen Berufsstan­d: „Wir vermitteln Wissen und Spaß. Aber Medaillen bekommen wir keine. Das ist eine Katastroph­e, und es wäre ein Ausrufezei­chen, wenn man sehen würde, dass wir Trainer zu den Erfolgen der Sportler gehören.“

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FOTO: DPA Der 8. April 1989 ist für den Deutschen Tischtenni­s-Bund ein historisch­er Tag: Jörg Roßkopf (links) und Steffen Fetzner gewannen in Dortmund WMGold im Doppel.

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