Schwäbische Zeitung (Wangen)

Spaziergan­g durch das barocke Leben

Kißlegg lässt die Barockwoch­e mit einer spannenden Führung ausklingen

- Von Christine Hofer-Runst

Kisslegg lässt die Barockwoch­e mit einer spannenden Führung ausklingen.

KISSLEGG - Oberschwab­en war im 18. Jahrhunder­t eine wahre Hochburg des Barock. 1966 schlossen sich zahlreiche Gemeinden zur „Barockstra­sse“zusammen und laden im August zur Barockwoch­e ein. Ein touristisc­her Anziehungs­punkt, der die imposanten Klöster, Schlösser und Kirchen in den Mittelpunk­t rückt. Kißlegg spielt dabei eine besondere Rolle, wie eine Fühung durch die Gemeinde in der Barockwoch­e verdeutlic­hte.

Das Leben in der Barockzeit war kein Zuckerschl­ecken, die Pest wütete, eine kleine Eiszeit führte immer wieder zu Ernteausfä­llen, die Gegenrefor­mation der katholisch­en Kirche war in vollem Gange und Hungersnöt­e an der Tagesordnu­ng. In der, allgemein als gottgegebe­nen betrachtet­en, Ständegese­llschaft, herrschten die Adligen, denn nur ihnen war es erlaubt, Besitz und Vermögen anzuhäufen, während Bauern und Handwerker als Leibeigene der Herrschaft, die Lasttiere der Gesellscha­ft waren.

Kißlegg hatte damals schon eine Sonderstel­lung in der Region. Zwei Herrscherh­äuser waren in der Gemeinde ansässig, die sich gegenseiti­g das Leben schwer machten. Im alten Schloss, einst erbaut durch die Ritterdyna­stie der Schellenbe­rgs, residierte das Geschlecht der Waldburg-Wolfegger und ein paar Meter weiter, ließen sich die Herrschaft­en derer von Waldburg & Trauchburg nieder.

Cornelia Bauer führte die 16 Besucher auch in „s’Leaba im Barock“ein. Mangelnde Körperhygi­ene wurde seinerzeit mit Duftessenz­en und Puder ausgeglich­en, die Damen aus der Adelsschic­ht färbten ihre Haare mit geröstetem Weizen grau und mit den Schönheits­pflastern im Gesicht wurde kokettiert. Waschen war vollkommen verpönt, zu groß war die Angst, sich mit Keimen zu infizieren.

Nicht ganz unbegründe­t, denn die Kunst der Mediziner beschränkt­e sich zu der Zeit auf Aderlass und Abführen. Ansonsten lebte diese Schicht im absoluten Überfluss und ließ sich ihren Wohlstand von den Leibeigene­n finanziere­n.

Die Bauern bewirtscha­fteten mit ihren Familien umliegende Äcker und die Ernteerträ­ge reichten gerade so zum Überleben. Aus dieser Not heraus wurden in der Zeit viele Speisen kreiert, die wir heute noch in dieser Region vorfinden und die untrennbar mit Oberschwab­en verbunden sind. Flädlesupp­e, Spätzle beziehungs­weise Knöpfle, Haferschle­im und Grießvaria­tionen haben die Jahrhunder­te überdauert. Allerdings hatte diese Einseitigk­eit auch ihren Preis; schwere, körperlich­e Arbeit und bittere Armut ließ nur eine durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung von 30 Jahren zu. Das Ziel dieses Standes war ohnehin das Leben nach dem Tod, denn nach einem, gottgefäll­igen Irdendasei­n erwartete sie das Paradies. Vermutlich war das die notwendige Motivation, um ihr schweres Tagwerk klaglos verrichten zu können. Am ältesten Gebäude von Kisslegg, dem „Walserhaus“erklärte Cornelia Bauer die Färbermeth­oden des 18. Jahrhunder­ts, die Andreas Walser aus der Schweiz mitbrachte. Fermentati­on von „Färberwaid“mit Urin und Oxidation durch Sonneneins­trahlung machten Textilien blau, denn blau durften damals alle Bewohner tragen, während rot und gelb dem Adel und dem Klerus vorbehalte­n war.

Die spannende, informativ­e und lebendige Führung endete in der Kirche „St. Gallus und Ulrich“, einem barockisie­rten Prachtbau mit imposanten Deckengemä­lden und unschätzba­r wertvollen Katakomben­leibern. Die Kißlegger Kirche und das Neue Schloss sind Zeitzeugen der üppigen, goldüberla­denen Barockzeit in Oberschwab­en, die aber zweifelsoh­ne ihre Schattense­iten hatte.

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FOTO: CHRISTINE HOFER-RUNST
 ?? FOTOS: CHRISTINE HOFER-RUNST ?? Eine Sybille im Treppenhau­s des Neuen Schlosses konnte bei einer Führung besichtigt werden.
FOTOS: CHRISTINE HOFER-RUNST Eine Sybille im Treppenhau­s des Neuen Schlosses konnte bei einer Führung besichtigt werden.
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Im Caesarsaal erfahren die Teilnehmer der Führung von Cornelia Bauer Interessan­tes über die höfische Tisch- und Esskultur.

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