Spaziergang durch das barocke Leben
Kißlegg lässt die Barockwoche mit einer spannenden Führung ausklingen
Kisslegg lässt die Barockwoche mit einer spannenden Führung ausklingen.
KISSLEGG - Oberschwaben war im 18. Jahrhundert eine wahre Hochburg des Barock. 1966 schlossen sich zahlreiche Gemeinden zur „Barockstrasse“zusammen und laden im August zur Barockwoche ein. Ein touristischer Anziehungspunkt, der die imposanten Klöster, Schlösser und Kirchen in den Mittelpunkt rückt. Kißlegg spielt dabei eine besondere Rolle, wie eine Fühung durch die Gemeinde in der Barockwoche verdeutlichte.
Das Leben in der Barockzeit war kein Zuckerschlecken, die Pest wütete, eine kleine Eiszeit führte immer wieder zu Ernteausfällen, die Gegenreformation der katholischen Kirche war in vollem Gange und Hungersnöte an der Tagesordnung. In der, allgemein als gottgegebenen betrachteten, Ständegesellschaft, herrschten die Adligen, denn nur ihnen war es erlaubt, Besitz und Vermögen anzuhäufen, während Bauern und Handwerker als Leibeigene der Herrschaft, die Lasttiere der Gesellschaft waren.
Kißlegg hatte damals schon eine Sonderstellung in der Region. Zwei Herrscherhäuser waren in der Gemeinde ansässig, die sich gegenseitig das Leben schwer machten. Im alten Schloss, einst erbaut durch die Ritterdynastie der Schellenbergs, residierte das Geschlecht der Waldburg-Wolfegger und ein paar Meter weiter, ließen sich die Herrschaften derer von Waldburg & Trauchburg nieder.
Cornelia Bauer führte die 16 Besucher auch in „s’Leaba im Barock“ein. Mangelnde Körperhygiene wurde seinerzeit mit Duftessenzen und Puder ausgeglichen, die Damen aus der Adelsschicht färbten ihre Haare mit geröstetem Weizen grau und mit den Schönheitspflastern im Gesicht wurde kokettiert. Waschen war vollkommen verpönt, zu groß war die Angst, sich mit Keimen zu infizieren.
Nicht ganz unbegründet, denn die Kunst der Mediziner beschränkte sich zu der Zeit auf Aderlass und Abführen. Ansonsten lebte diese Schicht im absoluten Überfluss und ließ sich ihren Wohlstand von den Leibeigenen finanzieren.
Die Bauern bewirtschafteten mit ihren Familien umliegende Äcker und die Ernteerträge reichten gerade so zum Überleben. Aus dieser Not heraus wurden in der Zeit viele Speisen kreiert, die wir heute noch in dieser Region vorfinden und die untrennbar mit Oberschwaben verbunden sind. Flädlesuppe, Spätzle beziehungsweise Knöpfle, Haferschleim und Grießvariationen haben die Jahrhunderte überdauert. Allerdings hatte diese Einseitigkeit auch ihren Preis; schwere, körperliche Arbeit und bittere Armut ließ nur eine durchschnittliche Lebenserwartung von 30 Jahren zu. Das Ziel dieses Standes war ohnehin das Leben nach dem Tod, denn nach einem, gottgefälligen Irdendasein erwartete sie das Paradies. Vermutlich war das die notwendige Motivation, um ihr schweres Tagwerk klaglos verrichten zu können. Am ältesten Gebäude von Kisslegg, dem „Walserhaus“erklärte Cornelia Bauer die Färbermethoden des 18. Jahrhunderts, die Andreas Walser aus der Schweiz mitbrachte. Fermentation von „Färberwaid“mit Urin und Oxidation durch Sonneneinstrahlung machten Textilien blau, denn blau durften damals alle Bewohner tragen, während rot und gelb dem Adel und dem Klerus vorbehalten war.
Die spannende, informative und lebendige Führung endete in der Kirche „St. Gallus und Ulrich“, einem barockisierten Prachtbau mit imposanten Deckengemälden und unschätzbar wertvollen Katakombenleibern. Die Kißlegger Kirche und das Neue Schloss sind Zeitzeugen der üppigen, goldüberladenen Barockzeit in Oberschwaben, die aber zweifelsohne ihre Schattenseiten hatte.