Moderne Tagelöhner
Welche Rechte Beschäftigte haben, die von ihren Chefs „auf Abruf“eingesetzt werden
SCHONDORF - Kellnerinnen in Ausflugslokalen oder Pizzaboten. Das sind typische Jobs, in denen oft „auf Abruf“gearbeitet wird. Nur dann, wenn es gerade etwas zu tun gibt, sollen die Arbeitnehmer erscheinen. Die Gewerkschaften sprechen hier von „modernen Tagelöhnern“. Doch ganz rechtlos sind die Betroffenen nicht. „Heute ist sehr gutes Wetter, wir erwarten einen Massenansturm, können Sie um zwölf Uhr da sein?“Solche oder ähnliche Anrufe starten nicht nur in diesem Sommer etliche Gastronomen, die ein Gartenlokal führen. Viele Arbeitgeber gehen davon aus, dass ihre „Abrufkräfte“von jetzt auf gleich zur Arbeit kommen können. Wer das nicht mitmacht, soll sich halt eine andere Arbeit suchen.
Viertägige Vorlaufzeit:
Das Teilzeitund Befristungsgesetz (TzBfG) sieht aber eine andere Praxis vor. In Paragraf 12 Absatz 3 heißt es ausdrücklich: „Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.“ Nach dieser Vorgabe soll ein Arbeitgeber beispielsweise mittwochs anrufen und darüber informieren, dass eine „Abrufkraft“am kommenden Montag gebraucht wird. Wer zu kurzfristigeren Einsätzen bereit ist, tut seinem Chef im Prinzip einen Gefallen. Das kann zum Beispiel mit einem Lohnzuschlag honoriert werden, wie es in wenigen Abruf-Betrieben, die einen Betriebsrat haben, auch geregelt ist.
Drei Mindeststunden:
Bei Abrufarbeit muss die tägliche Arbeitszeit festgelegt werden. Oft ist das aber nicht der Fall. Dann „hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen“, regelt das TzBfG. Das bedeutet: Auch wenn sich zum Beispiel in einem Gartenlokal herausstellt, dass wider Erwarten kein Massenansturm stattfindet, muss der Chef einen abgerufenen Kellner für mindestens drei Stunden entlohnen – falls im Arbeitsvertrag keine kürzeren Schichten vorgesehen sind.
Neue 20-Stunden-Regel:
Oft steht in den Arbeitsverträgen von Abrufkräften nichts zur wöchentlichen Arbeitszeit. Doch Paragraf 12 Absatz 1 des TzBfG bestimmt: „Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen.“Fehlt eine solche Regelung, so „gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart“, heißt es im Gesetz weiter. Was die Regelung in der Praxis bedeuten kann, erklärt der Deutsche Hotelund Gaststättenverband (Dehoga Bundesverband), der Arbeitgeberverband der Branche, die die meisten Abrufkräfte beschäftigt. In seinen Informationen zur Arbeit auf Abruf heißt es: Bei fehlender Vereinbarung der Arbeitszeit „greift die Vermutungsregel, dass 20 Stunden pro Woche vereinbart sind. Dies wieder hat zur Folge, dass auch 20 Stunden vergütet werden müssen – egal ob diese Stunden tatsächlich abgerufen und gearbeitet wurden oder nicht.“Zu ergänzen ist allerdings: Um dieses Recht tatsächlich durchzusetzen, müssen etliche Abrufkräfte streiten – oft auch vor Gericht.
25-Prozent-Regel:
Seit Anfang 2019 ist die „Schwankungsbreite“der wöchentlichen Arbeitszeit von Abrufkräften festgeschrieben. Der einseitig vom Arbeitgeber abrufbare (zusätzliche) Anteil der Arbeit ist nun gesetzlich auf 25 Prozent beschränkt. Sind beispielsweise wöchentlich mindestens zwölf Stunden vereinbart, so darf der Arbeitgeber nur drei zusätzliche Stunden (25 Prozent von zwölf Stunden) abrufen. Will er mehr zusätzliche Flexibilität, so muss er eine höhere Mindestarbeitszeit festlegen. Klar ist dabei in jedem Fall: Die Mindestarbeitszeit muss entlohnt werden. Durch diese Regelung soll Arbeitnehmern eine bessere Planung ihres Alltags ermöglicht werden. Sie erhalten so auch die Chance, eine zweite Teilzeitbeschäftigung anzunehmen.