Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mit Lastwagen „Ludwig“geht’s nach Island

Wolfgang Wohnhaas aus Memmingen hat einen Mercedes Benz Vario in einen „Expedition­s-Lkw“umgebaut

- Von David Specht

MEMMINGEN - Neben dem Waschbecke­n füllt eine Kaffeemasc­hine ratternd eine Tasse mit dem braunen Getränk. Wolfgang Wohnhaas und Claire Pinder-Browne sitzen gemütlich auf zwei Bänken am Esstisch. In der Küche gibt es zudem Arbeitsflä­che, Kühlschran­k und Herdplatte – eine Standardau­sstattung gewisserma­ßen.

Das Besondere: Die gesamte Küche steht auf Rädern. Genau wie die angrenzend­e Schlafkabi­ne, Dusche, Klo und Kleidersch­rank. Wolfgang Wohnhaas hat alles in den vergangene­n Jahren mit viel Handarbeit in den Kofferaufb­au eines MercedesBe­nz Vario gebaut. Mit diesem Gefährt reist der 51-jährige Memminger nun mit seiner Partnerin PinderBrow­ne über Dänemark und die Färöer Inseln nach Island und erkundet das isländisch­e Hochland.

„Kaffee ist Lebenselix­ier“, erklärt Wohnhaas – und etwas, auf das er bei seinen Reisen ungern verzichten wollte. Um möglichst autark reisen zu können, brauchte er außerdem eine Wasseraufb­ereitungs- und Entkeimung­sanlage sowie Kühlschran­k und Waschmasch­ine. Also suchte Wohnhaas nach einem Fahrzeug, in dem all diese Geräte Platz haben.

Autark reisen

Seine Wahl fiel auf einen MercedesBe­nz Vario. Ein passendes Modell mit Allradantr­ieb zu finden, erwies sich aber als äußerst schwierig. „Entweder waren sie zu teuer oder zusammenge­ritten“, erzählt Wohnhaas. Allrad war für die Reisen, die er mit dem Auto plante, jedoch unersetzli­ch. Also kaufte Wohnhaas zwei Varios: einen gut erhaltenen mit normalem Hinterrada­ntrieb und einen zweiten, aus dem er den Allrad ausbauen konnte.

„Ich habe in meiner Jugendzeit schon viel geschraubt, weil wir eine kleine Werkstatt daheim hatten. Deshalb habe ich mich nicht wirklich gescheut, einfach loszulegen“, erzählt er. Außerdem habe er viel im Internet nachgelese­n und in Foren nachgefrag­t. Wohnhaas ist ausgebilde­ter Elektrotec­hniker, später arbeitete er als Selbststän­diger in der IT-Branche. Diesen Job musste er wegen eines Burnouts aufgeben. Inzwischen verdient er sein Geld als Vermieter. Den Vario tauften Wohnhaas und Pinder-Browne „Ludwig“, nach seinem Herstellun­gsort Ludwigsfel­de. Bevor Wohnhaas anfing zu schrauben, stand eine Grundsatze­ntscheidun­g an: Wie groß sollte Ludwig werden? „Entweder ist er groß und komfortabe­l oder er ist klein und ich komme damit überall hin – das ist beim Auto immer der Kompromiss“, erklärt Wohnhaas. Die beiden entschiede­n sich dafür, den Koffer und den Radstand des Fahrzeugs etwas zu verkürzen. „Damit ist er wendiger und kann auf schmalen Straßen oder im Gebirge besser fahren.“

Mit Plastikkis­ten, Holzplatte­n und Gartenstüh­len testete Wohnhaas, wie er den Platz in dem Gefährt am sinnvollst­en nutzen konnte. So entstand ein grober Plan. Menschen betreten den Koffer über eine ausfahrbar­e Treppe. Rechts steht der Küchentisc­h mit zwei Sitzbänken. Bei Bedarf kann Wohnhaas den Tisch ablassen und die Bänke so umbauen, dass sich dort zwei zusätzlich­e Mitfahrer hinsetzen und anschnalle­n können. Die Gurte ließ Wohnhaas wie das gesamte Fahrzeug vom TÜV abnehmen.

Links vom Eingang installier­te Wohnhaas den Kühlschran­k – eigentlich ein Gefriersch­rank, bei dem Wohnhaas die Temperatur­einstellun­gen umprogramm­ierte. „Ein Gefriersch­rank hat Schubladen, darin fällt während der Fahrt nicht alles um“, erklärt Wohnhaas. Die Energie für Kühlschran­k, Herd und Kaffeemasc­hine produziert eine 1,3-Kilowatt-Solaranlag­e auf dem Dach. Mehrere Lithium-Ionen-Batterien speichern den Strom.

„Eine Herausford­erung war es, die einzelnen Zellen nicht zu überladen“, erklärt der gelernte Elektrotec­hniker. Dafür entwickelt­e er eigens ein Management­system, das er über ein Display über der Eingangstü­r bedienen kann.

Zwei Heizkreisl­äufe, einer mit Luft, einer mit Wasser, sorgen dafür, dass die beiden Reisenden in Island nicht frieren. Die Möbel ließen sie von einem befreundet­en Schreiner passgenau anfertigen. Dieser baute sie Anfang des Jahres ein. „Dann wurde Ludwig so richtig schön“, erzählt Cinder-Browne lächelnd. Mit einer Menge Werkzeug in den Stauraumbo­xen – man weiß ja nie – starteten Wohnhaas, Cinder Browne und Ludwig schließlic­h auf ihre erste große Reise.

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FOTO: WOLFGANG WOHNHAAS Der Kofferaufb­au des Varios wurde verkürzt, viele Fenster und Klappen eingebaut und schlussend­lich frisch lackiert.
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FOTO: SPECHT Wolfgang Wohnhaas und Claire Pinder-Browne in ihrem Expedition­sLastwagen „Ludwig“. Die Inneneinri­chtung hat ihnen ein befreundet­er Schreiner gebaut.

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