Mit Lastwagen „Ludwig“geht’s nach Island
Wolfgang Wohnhaas aus Memmingen hat einen Mercedes Benz Vario in einen „Expeditions-Lkw“umgebaut
MEMMINGEN - Neben dem Waschbecken füllt eine Kaffeemaschine ratternd eine Tasse mit dem braunen Getränk. Wolfgang Wohnhaas und Claire Pinder-Browne sitzen gemütlich auf zwei Bänken am Esstisch. In der Küche gibt es zudem Arbeitsfläche, Kühlschrank und Herdplatte – eine Standardausstattung gewissermaßen.
Das Besondere: Die gesamte Küche steht auf Rädern. Genau wie die angrenzende Schlafkabine, Dusche, Klo und Kleiderschrank. Wolfgang Wohnhaas hat alles in den vergangenen Jahren mit viel Handarbeit in den Kofferaufbau eines MercedesBenz Vario gebaut. Mit diesem Gefährt reist der 51-jährige Memminger nun mit seiner Partnerin PinderBrowne über Dänemark und die Färöer Inseln nach Island und erkundet das isländische Hochland.
„Kaffee ist Lebenselixier“, erklärt Wohnhaas – und etwas, auf das er bei seinen Reisen ungern verzichten wollte. Um möglichst autark reisen zu können, brauchte er außerdem eine Wasseraufbereitungs- und Entkeimungsanlage sowie Kühlschrank und Waschmaschine. Also suchte Wohnhaas nach einem Fahrzeug, in dem all diese Geräte Platz haben.
Autark reisen
Seine Wahl fiel auf einen MercedesBenz Vario. Ein passendes Modell mit Allradantrieb zu finden, erwies sich aber als äußerst schwierig. „Entweder waren sie zu teuer oder zusammengeritten“, erzählt Wohnhaas. Allrad war für die Reisen, die er mit dem Auto plante, jedoch unersetzlich. Also kaufte Wohnhaas zwei Varios: einen gut erhaltenen mit normalem Hinterradantrieb und einen zweiten, aus dem er den Allrad ausbauen konnte.
„Ich habe in meiner Jugendzeit schon viel geschraubt, weil wir eine kleine Werkstatt daheim hatten. Deshalb habe ich mich nicht wirklich gescheut, einfach loszulegen“, erzählt er. Außerdem habe er viel im Internet nachgelesen und in Foren nachgefragt. Wohnhaas ist ausgebildeter Elektrotechniker, später arbeitete er als Selbstständiger in der IT-Branche. Diesen Job musste er wegen eines Burnouts aufgeben. Inzwischen verdient er sein Geld als Vermieter. Den Vario tauften Wohnhaas und Pinder-Browne „Ludwig“, nach seinem Herstellungsort Ludwigsfelde. Bevor Wohnhaas anfing zu schrauben, stand eine Grundsatzentscheidung an: Wie groß sollte Ludwig werden? „Entweder ist er groß und komfortabel oder er ist klein und ich komme damit überall hin – das ist beim Auto immer der Kompromiss“, erklärt Wohnhaas. Die beiden entschieden sich dafür, den Koffer und den Radstand des Fahrzeugs etwas zu verkürzen. „Damit ist er wendiger und kann auf schmalen Straßen oder im Gebirge besser fahren.“
Mit Plastikkisten, Holzplatten und Gartenstühlen testete Wohnhaas, wie er den Platz in dem Gefährt am sinnvollsten nutzen konnte. So entstand ein grober Plan. Menschen betreten den Koffer über eine ausfahrbare Treppe. Rechts steht der Küchentisch mit zwei Sitzbänken. Bei Bedarf kann Wohnhaas den Tisch ablassen und die Bänke so umbauen, dass sich dort zwei zusätzliche Mitfahrer hinsetzen und anschnallen können. Die Gurte ließ Wohnhaas wie das gesamte Fahrzeug vom TÜV abnehmen.
Links vom Eingang installierte Wohnhaas den Kühlschrank – eigentlich ein Gefrierschrank, bei dem Wohnhaas die Temperatureinstellungen umprogrammierte. „Ein Gefrierschrank hat Schubladen, darin fällt während der Fahrt nicht alles um“, erklärt Wohnhaas. Die Energie für Kühlschrank, Herd und Kaffeemaschine produziert eine 1,3-Kilowatt-Solaranlage auf dem Dach. Mehrere Lithium-Ionen-Batterien speichern den Strom.
„Eine Herausforderung war es, die einzelnen Zellen nicht zu überladen“, erklärt der gelernte Elektrotechniker. Dafür entwickelte er eigens ein Managementsystem, das er über ein Display über der Eingangstür bedienen kann.
Zwei Heizkreisläufe, einer mit Luft, einer mit Wasser, sorgen dafür, dass die beiden Reisenden in Island nicht frieren. Die Möbel ließen sie von einem befreundeten Schreiner passgenau anfertigen. Dieser baute sie Anfang des Jahres ein. „Dann wurde Ludwig so richtig schön“, erzählt Cinder-Browne lächelnd. Mit einer Menge Werkzeug in den Stauraumboxen – man weiß ja nie – starteten Wohnhaas, Cinder Browne und Ludwig schließlich auf ihre erste große Reise.