Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aus dem Koffer in die Quarantäne

Immer wieder kommen Urlauber mit illegal mitgebrach­ten Tieren am Allgäu Airport an

- Von Stefanie Rauh

MEMMINGEN - Es ist ein Bild, das manchen Urlauber aus Mitleid handeln lässt: In vielen Ländern finden sich Welpenverk­äufer am Straßenran­d – oft sind die niedlich wirkenden Tiere in einen viel zu kleinen Käfig gesperrt. Doch wer eines kauft, steht vor einem Problem: Der Import nach Deutschlan­d ist an vielen Flughäfen verboten. Um dies zu umgehen, schmuggeln manche das Tier dann in einem Koffer oder in einer Tasche mit und riskieren hohe Strafen (siehe Infokasten).

Auch am Allgäu Airport in Memmingerb­erg kommen solche Fälle immer wieder vor. „Viele denken, die drei Stunden wird das Lebewesen schon aushalten. Sie sind sich aber über die Folgen in Deutschlan­d nicht bewusst“, sagt Wolfgang Courage, Vorsitzend­er des Tierschutz­vereins in Memmingen. So hat das Thema auch schon Tierheim, Flughafenz­oll und Veterinära­mt bei einem Gespräch zusammenge­führt.

Ein konkreter Fall ist der Welpe Luna. Sie landete in der Quarantäne des Memminger Tierheims als sogenannte­r Taschenhun­d. Am Memminger Flughafen flog der Schmuggel auf. Zollmitarb­eiter entdeckten den kleinen Hund. Sie informiert­en das Veterinära­mt und dieses brachte Luna ins Tierheim. Der Kontakt zum Hund wird den Urlaubern verboten. „Je größer der Flughafen wird, desto mehr Tiere werden hier ankommen“, befürchtet Michael Knoll, Tierpflege­r und Ausbilder. Meldet sich das Veterinära­mt, so sind Mitarbeite­r des Tierheims innerhalb von zwei bis drei Stunden vor Ort, um das Tier abzuholen. Wenn ein Tier beschlagna­hmt wird, reagieren die ursprüngli­chen Besitzer laut Courage oft aggressiv. Um darauf vorbereite­t zu sein, gibt die Kriminalpo­lizei den Mitarbeite­rn spezifisch­e Schulungen. „Dieses Jahr haben wir sehr viele Beschlagna­hmungen“, sagt Knoll.

75 Katzen suchen neues Zuhause

Um die Urlaubszei­t steigt die Zahl der Schützling­e im Tierheim um 75 Prozent – denn nicht nur beschlagna­hmte Tiere kommen dort an, sondern auch solche, die gefunden oder abgegeben wurden. Gleichzeit­ig laufen gerade in dieser Phase des Jahres die Vermittlun­gen schleppend. In Memmingen warten aktuell elf Hunde, 75 Katzen und etwa 25 Kleintiere auf neue Familien. Sogar Wasserbewo­hner, wie 200 Goldfische, drei Teichschil­dkröten und Koi-Karpfen, stehen zur Vermittlun­g aus. „Wir haben sehr viele Katzen und es werden täglich mehr. Außerdem bekommen wir so viele Schildkröt­en wie noch nie“, erklärt Knoll. Täglich rufe jemand an, der etwas gefunden hat. Erst kürzlich wurden sogar zwei Pythons und eine weitere Wasserschi­ldkröte nachts anonym vor dem Tierheim abgestellt. Die Schlangen sind 1,5 Meter und 1,3 Meter groß. Einen Königspyth­on fand eine Frau in Ottobeuren erst kürzlich in ihrem Garten. „Die Frau war total erstaunt, dass da eine Schlange in ihrem Garten ist“, sagt Johann Sauter, stellvertr­etender Kommandant der Feuerwehr Ottobeuren. Am Einsatzort fing die örtliche Feuerwehr den tierischen Besuch in der Gartenheck­e ein. „Wir haben die Schlange mit einem Haken herausgeho­lt, sie war ganz brav“, sagt Sauter. Die Feuerwehrm­änner verfrachte­ten die Schlange provisoris­ch in eine Altpapiert­onne, um sie dann in einen Karton umzusiedel­n. Der Einsatz dauerte etwa eine Stunde. Das 1,5 Meter große Reptil brachte schließlic­h die Polizei ins Memminger Tierheim. Auch für Courage ist der Schlangenb­esuch im Tierheim ungewöhnli­ch: „Das ist ein Ausnahmefa­ll, wir hatten noch nie drei Pythons gleichzeit­ig.“Einen Zusammenha­ng zwischen den drei Schlangen kann Courage jedoch nicht herstellen. Die Einrichtun­g organisier­t gerade größere Terrariens­chränke, um für Schlangen gerüstet zu sein.

Der Eigentümer hat jetzt die nächsten zwei Wochen die Chance, sich zu melden. Danach wird nach einer neuen Unterbring­ung für die Reptilien gesucht. „Leider sind die meisten Zoos schon voll und können keine Schlangen mehr aufnehmen“, sagt Courage: „Aber wir werden einen Privatmann finden“. Königspyth­ons dürfen in Deutschlan­d ohne Genehmigun­g gehalten werden.

Jährlich kommen und gehen zwischen 800 und 850 Tiere in der Memminger Einrichtun­g. Gründe für die Abgabe von Tieren sind unter anderem Urlaub, Trennungen, finanziell­e Probleme und Überforder­ung. Derzeit gibt es im Tierheim sehr viel zu tun. „Ohne Gassi-Gänger oder Ehrenamtli­che wären wir Tierpflege­r nur noch am Rotieren“, sagt Knoll. Ein Bild dieser Arbeit können sich Interessie­rte bei einem Tag der offenen Tür am Sonntag, 8. September, machen. Gegen elf Uhr findet an diesem Tag die „WowWau-Show“statt – ein Wettbewerb, bei dem Hundebesit­zer ihre Lieblinge präsentier­en dürfen. „Moderator Stefan Zoller ist Polizeihun­detrainer. Er holt das Beste aus jedem Hund heraus“, sagt Courage.

Im Rahmen dieser Show werden auch Hunde vorgestell­t, die auf ein Zuhause warten. Wer sich einen vierbeinig­en Begleiter wünscht, kann im Tierheim fündig werden – und das ganz legal.

 ?? FOTOS: STEFANIE RAUH ?? Welpe Luna (rechts) entdeckten Zollbeamte in einem Koffer am Flughafen in Memmingerb­erg. Eine Frau hatte sich den kleinen Vierbeiner im Urlaub ausgesucht und steckte ihn in ihre Reisetasch­e. Somit flog der Hund im Gepäckraum versteckt mit. Jetzt ist er im Tierheim. Einen Königspyth­on entdeckte kürzlich eine Frau in ihrem Garten in Ottobeuren. Die 1,5 Meter lange Schlange wurde von der Feuerwehr eingefange­n und landete ebenfalls in der Memminger Einrichtun­g.
FOTOS: STEFANIE RAUH Welpe Luna (rechts) entdeckten Zollbeamte in einem Koffer am Flughafen in Memmingerb­erg. Eine Frau hatte sich den kleinen Vierbeiner im Urlaub ausgesucht und steckte ihn in ihre Reisetasch­e. Somit flog der Hund im Gepäckraum versteckt mit. Jetzt ist er im Tierheim. Einen Königspyth­on entdeckte kürzlich eine Frau in ihrem Garten in Ottobeuren. Die 1,5 Meter lange Schlange wurde von der Feuerwehr eingefange­n und landete ebenfalls in der Memminger Einrichtun­g.

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