SPD fordert nach Tier-Skandal bessere Kontrollen
Polizei und Bundeswehr proben in Stetten am kalten Markt einen Anti-Terror-Einsatz
MÜNCHEN (epd) - Die SPD-Fraktion im bayerischen Landtag fordert nach dem Skandal in einem Allgäuer Milchviehbetrieb unangekündigte Kontrollen und harte Strafen bei Tierschutzverstößen. Die Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der SPD lege nahe, dass der Betrieb kranke Tiere ohne Wasser und Futter grausam verenden ließ. „Es ist völlig unbegreiflich, warum hier nicht früher durchgegriffen wurde“, sagte der Abgeordnete Florian von Brunn.
STUTTGART - Samstag in einer Fußgängerzone in Baden-Württemberg. Menschen strömen zum Shoppen. Plötzlich attackieren Terroristen Passanten, ein Auto explodiert. Dieses Szenario werden Polizei, Bundeswehr und Katastrophenschutz im Oktober üben. Das deutschlandweit erste Manöver dieser Art mit rund 2000 Beteiligten läuft in Stetten am kalten Markt ab, die Kliniken in Friedrichshafen, Sigmaringen und Konstanz sind eingebunden. „BWTex“kostet rund 200 000 Euro.
Warum wird in Stetten geübt und warum ist das etwas Besonderes?
Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte den Südwesten bereits 2016 für eine solche Übung angeboten, die „GTex“. Damals simulierten Polizei und Bundeswehr die Abläufe nur am Computer. Nun üben alle Beteiligten in Echtzeit. Das gibt es zwar in ganz Deutschland immer wieder, In Stetten soll jedoch vom ersten eingehenden Notruf bis zum letzten Patienten, der im Krankenhaus behandelt wird, alles getestet werden. Das ist laut Strobls Ministerium einmalig, sonst üben die Retter nur einzelne Teile solcher Szenarien. Der Truppenübungsplatz in Stetten ist besonders gut abgesperrt, deswegen können die Übungen dort ungestört ablaufen.
Warum schottet man sich so ab?
Laut Innenministerium aus Sicherheitsgründen. Weder sollen Zivilisten verletzt werden – noch soll jemand im Detail erfahren, wie die Einsatzkräfte vorgehen. Am Freitag vor der Großübung präsentieren die Einsatzkräfte sich, ihre Fahrzeuge und Hubschrauber der Öffentlichkeit. Am Übungstag dürfen akkreditierte Journalisten das Gelände betreten, ihnen wird eine verkürzte Übung gezeigt, bevor auch sie für die 45 Minuten der tatsächlichen Übung ausgeschlossen werden. Landtagsabgeordnete dürfen alles beobachten.
Wer macht mit?
500 Polizisten, 200 Bundeswehrsoldaten und 300 Helfer aus dem Bevölkerungsschutz – also von Technischem Hilfswerk (THW), Feuerwehren und Rettungsdiensten. Einige Polizisten reisen aus dem Schweizer Kanton Thurgau an. Gerade bei einer Terrorlage am Bodensee wäre sie im Ernstfall rascher vor Ort als etwa Spezialkräfte der Polizei aus Göppingen. Hinzu kommen 500 Statisten, die etwa Verletzte, Passanten mimen. Außerdem vor Ort sind Beobachter wie Journalisten, Abgeordnete und Fachleute, die nicht aktiv werden. Im Einsatz sind unter anderem sechs gepanzerte Fahrzeuge der Bundeswehr, die Verletzte bergen können. Diese können unter Beschuss vorsichtig so über den Opfern stehen bleiben, dass die Soldaten diese von unten ins Innere holen können – ohne selbst das Gefährt zu verlassen. Herkömmliche Rettungswagen sind nicht gepanzert und daher ungeeignet für solche Rettungsaktionen. Außerdem genutzt werden Rettungshubschrauber der Bundeswehr, der Deutschen Luftrettung und des ADAC sowie zahlreiche Streifen- und Rettungswagen.
Was wird geübt?
Ein Szenario, das spätestens seit den islamistischen Attacken in Paris 2015 die Polizei beschäftigt: Terroristen, die Kriegswaffen einsetzen und gezielt viele Zivilisten töten wollen. In Stetten geht es um einen Anschlag mit mehr als 50 Verletzten. Das Spezialeinsatzkommando der Polizei rückt an, Leitstellen koordinieren den Einsatz der Rettungskräfte. Es wird eine Sammelstelle für Verletzte und Tote eingerichtet. Dort sortieren Ärzte die Opfer nach Schwere der Verletzungen. Rettungswagen fahren Opfer ins Klinikum Sigmaringen, Hubschrauber fliegen Schwerverletzte nach Friedrichshafen und Konstanz. Dort stehen Teams bereit, um die Versorgung der vielen Patienten zu üben Die Bundeswehr hilft bei der Bergung der Verletzten und sichert den Sammelpunkt. Kriminaltechniker proben an einem nachgebauten Tatort, wie sie Spuren sichern und auswerten. Das würde im Ernstfall erst nach Abschluss des Einsatzes passieren, soll aber mit geübt werden. Speziell ausgebildete Fachkräfte im Polizeipräsidium Stuttgart koordinieren den Einsatz, andere Fachleute vom Polizeipräsidium Reutlingen verhandeln mit den Angreifern.
Wie gut ist das Land gerüstet?
Bei der ersten Übung dieser Art, bei „GTex“2016, zeigten sich erhebliche Probleme. Normalerweise arbeiten Polizei und Bundeswehr getrennt voneinander. Wenn sie gemeinsam im Einsatz sind, dann bei Naturkatastrophen, etwa bei Hochwasser. So etwa lässt sich meistens einige Tage vorher planen. Doch bei einer Terrorattacke braucht man Entscheidungen innerhalb von 30 Minuten. Ob die Bundeswehr in Deutschland ausrücken darf, muss das Verteidigungsminsterium in Berlin entscheiden. Bislang musste der Einsatzleiter der Polizei, der die Truppen anfordert, mehrere Formulare ausfüllen. Bei der Übung „GTex“dauerte es daher viel zu lange, bis die Bundeswehr virtuell ausrückte. Soldaten werden unter dem Befehl der Polizei als Unterstützung angefordert. Ein weiteres Problem bei „GTex“war im Jahr 2016 die Kommunikation. Polizisten und Soldaten nutzen in manchen Bereichen denselben Begriff für unterschiedliche Dinge. So bedeutet Objektschutz bei der Polizei etwas völlig anderes als bei der Bundeswehr. Seit der gemeinsamen Übung 2016 entstand deshalb ein mehr als 100 Stichworte umfassendes Glossar, um Missverständnisse bei den Einsatzleitern zu verhindern. Außerdem wurde seither geklärt, wer wen auf welchem Weg erreicht – etwa per Telefon oder E-Mail, und wer die richtigen Ansprechpartner auf beiden Seiten sind.