Ekelerregende Details aus dem Stall
Immer mehr über das Ausmaß des Allgäuer Tierschutzskandals wird bekannt
MÜNCHEN/BAD GRÖNENBACH (lby) - Im Allgäuer Tierschutzskandal haben die Behörden seit Jahren von Verstößen gegen Vorschriften gewusst. Wie aus einer Antwort des Ministeriums für Verbraucherschutz auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion hervorgeht, wurden in den vergangenen fünf Jahren auf den Höfen eines Großbetriebs in Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgäu) mehr als 30 Verstöße festgestellt - 14 davon betrafen das Tierschutzrecht. Er könne nicht nachvollziehen, warum nicht mit aller Härte früher eingeschritten worden sei, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD, Florian von Brunn.
Die Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die Ställe in Bayern mit rund 2700 Rindern. Das Unternehmen hat zwei weitere Betriebsstätten in Baden-Württemberg. Die Kühe litten unter Verletzungen, Haut- und Eutererkrankungen, wie aus den Unterlagen hervorgeht. Zudem stand nicht jedem Tier ein Liegeplatz zur Verfügung, und in manchen Ställen gab es zu wenige Fressplätze. In einer der Betriebsstätten gab es zudem „große Kot- und Urinansammlungen im Standbereich beim Futtertisch“. Lahmen Tieren wurde kein Futter oder Wasser in erreichbarer Nähe vorgelegt. „Ich frage mich, ob man sie aus Kostengründen einfach sterben lassen wollte“, sagte von Brunn.
Jede vierte Kontrolle angekündigt
Gegen den Großbetrieb wurden mehrere Strafanzeigen erstattet – die Staatsanwaltschaft ermittelt. Zur Aufklärung der Vorwürfe gründete die Polizei eine Sonderkommission. Zudem wird seit Anfang August gegen zwei weitere Großbauern mit Hauptstandort im Unterallgäu wegen mutmaßlicher Verstöße gegen den Tierschutz ermittelt.
In den vergangenen fünf Jahren wurde der Großbetrieb den Angaben zufolge 34-mal tierschutzrechtlich kontrolliert. Hinzu kommen Kontrollen im Lebensmittelrecht. Von den insgesamt 86 Kontrollen wurde etwa ein Viertel durch die Behörden vorab angekündigt. Nach der Europäischen Kontrollverordnung sind amtliche Prüfungen im Veterinärund Lebensmittelbereich unangekündigt durchzuführen. Nur in begründeten Fällen und wenn die Wirksamkeit der Kontrollen nicht gefährdet wird, dürfen diese angekündigt werden.
Zunächst war unklar, warum die Kontrollen angekündigt wurden. Das Landratsamt Unterallgäu klagt seit längerem über Personalmangel und Überlastung. In der Behörde sind vier Veterinäre und zwei Assistenten für die Kontrolle von 140 000 Rindern in etwa 1600 Betrieben zuständig.
Am Freitag hatten sich vier Landräte sowie mehrere Bauern aus dem Allgäu an den bayerischen Umweltund Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) gewandt, um mehr Personal für die Veterinärämter zu fordern. Die Mitarbeiter seien an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Das Ministerium lasse die Ämter „kläglich im Stich“und würde somit billigend in Kauf nehmen, „dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz möglicherweise nicht sofort aufgedeckt und in vollem Umfang erkannt werden“.