Schwäbische Zeitung (Wangen)

Macron und Putin nähern sich vorsichtig an

- Von Christine Longin und Varvara Podrugina

Die Umgebung war ungewohnt: Statt unter den Kristalllü­stern des Elysée stellten sich Emmanuel Macron und Wladimir Putin neben Terrakotta­töpfen und Buchsbaumb­üschen im Garten von Macrons Sommerresi­denz Brégançon zum Foto auf. Fünf Tage vor dem G7-Gipfel empfing der französisc­he Präsident seinen russischen Kollegen am Montag auf seiner Ferieninse­l im Mittelmeer, um Themen wie die Ukraine, Iran und Syrien zu erörtern. Aus dem Kreis der G7 ist Russland ausgeschlo­ssen, seit es die Krim 2014 annektiert­e. Doch Macron will sich Putin wieder annähern, wie er bei der Pressekonf­erenz deutlich machte. „Ohne unsere Unstimmigk­eiten auszulösch­en, können wir neue Dinge schaffen“. Für die G7, deren Staats- und Regierungs­chefs am kommenden Wochenende in Biarritz zusammenko­mmen, müsse allerdings erst das Problem der Krim geregelt werden.

Macron kündigte an, zusammen mit Putin „in den kommenden Wochen“ein neues Treffen der „Normandie-Gruppe“ vorbereite­n zu wollen, in der die Ukraine und Russland 2014 unter Vermittlun­g Frankreich­s und Deutschlan­ds einen brüchigen Waffenstil­lstand ausgehande­lt hatten. Mit der Wahl des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodimir Selenskij sei ein neuer Dialog möglich. Allerdings muss dazu noch Putin zustimmen. Auch im Iran könnten Frankreich und Russland an einem Strang ziehen. Frankreich hofft, dass Russland nach der Aufkündigu­ng des Atomabkomm­ens mit Iran durch die USA mäßigend auf seinen Verbündete­n, die Regierung in Teheran, einwirkt.

Positive Stimmen aus Russland

Russische Experten sehen den Besuch Putins in Frankreich überwiegen­d positiv. Heute, da sich russische Regierungs­vertreter sehr selten mit den führenden europäisch­en Staatschef­s treffen, sei das Gespräch zwischen Putin und Macron sicherlich schon ein Fortschrit­t, sagt Andrej Kulikow, Chef der unabhängig­en russischen Denkfabrik “Europe Insight”, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Laut ihm könnte die Annäherung zwischen Moskau und Paris die Beziehunge­n zwischen der EU und Russland verbessern. Allerdings wäre es Kulikow zufolge übertriebe­n, Durchbrüch­e bezüglich der Ukraine, Iran oder Syrien zu erwarten. Die Lösung dieser Probleme hänge nicht nur von Frankreich und Russland ab. Was die Staatschef­s selbst betrifft, sei es wichtig, dass die beiden zum Gespräch bereit sind, trotz aller wesentlich­en Meinungsun­terschiede, betont Kulikow.

Ähnlich sieht das Andrej Kortunow, Experte des regierungs­nahen Russischen Rats für Auswärtige Beziehunge­n. In einem Artikel zu dem französisc­h-russischen Treffen schreibt er: „Man kann grundlegen­de Menschenre­chte und die Zukunft der Welt anders verstehen. Aber Macron und Putin brauchen einander – und heute sogar viel mehr als vor zwei Jahren.” Für Putin könnte Macron jetzt der einzige Gesprächsp­artner auf Augenhöhe mit ihm in Europa sein, erklärt er: Der Einfluss der deutschen Kanzlerin Angela Merkel auf der europäisch­en Bühne nehme ab – und Italien verharre im Krisenzust­and.

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