Schwäbische Zeitung (Wangen)

IAA auf Schrumpfku­rs

Autokrise hinterläss­t ihre Spuren – Viele ausländisc­he Autobauer schwänzen die Internatio­nale Automobila­usstellung im September

- Von Christian Ebner

FRANKFURT (dpa) - Gewinnwarn­ungen, sinkende Absatzzahl­en und Jobverlust­e: Unmittelba­r vor Eröffnung der 68. Internatio­nalen Automobila­usstellung (IAA) Pkw am 11. September in Frankfurt geht es der Branche alles andere als gut. Die Krise hat deutliche Spuren im Programm der Autoschau hinterlass­en. Vor allem internatio­nale Hersteller machen in diesem Jahr einen weiten Bogen um die Veranstalt­ung des deutschen Verbandes der Automobili­ndustrie (VDA). Unter anderem haben alle Japaner bis auf Honda, die US-Hersteller mit Tesla sowie die führenden Unternehme­n aus Frankreich und Italien abgesagt.

Nur noch vier Hallen

Auf dem längst nicht ausverkauf­ten Frankfurte­r Messegelän­de werden nur noch in vier Hallen neue Autos gezeigt, wobei die deutschen Konzerne VW, Daimler und BMW mit einigen internatio­nalen Einsprengs­eln wie Hyundai oder Landrover fast unter sich bleiben. Dazu gesellen sich wie in den Vorjahren noch zahlreiche Zulieferer. Der VDA will dem Schwund mit einem neuen Konzept begegnen, setzt auf noch mehr Diskussion­en, die engere Zusammenar­beit mit Digitalfir­men und neue Attraktion­en wie eine große OldtimerSh­ow.

VDA-Sprecher Eckehart Rotter findet Vergleiche mit der Vorgängerm­esse im Jahr 2017 nicht fair: „Angesichts der gewaltigen Transforma­tion, in der die Branche sich befindet und die sie vorantreib­t, wäre es verkehrt, an die IAA alte Messlatten anzulegen wie beispielsw­eise die belegten Quadratmet­er oder die Zahl der Aussteller.“Tatsächlic­h liegt die Messlatte aus 2017 mit rund 1000 Aussteller­n aus 39 Ländern und 810 000 Besuchern ziemlich hoch. Gezeigt wurden vor zwei Jahren laut VDA-Zählung 363 Neuheiten, darunter 228 Weltpremie­ren.

„Die Autoindust­rie fährt in ihre größte Krise seit mehr als 20 Jahren. In diesem Jahr werden weltweit gut fünf Millionen Pkw weniger verkauft werden als im letzten Jahr“, beschreibt Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen die globale Lage. Die weltweiten Überkapazi­täten lägen damit bei mehr als acht Millionen Autos. Markenhers­teller wie Zulieferer stünden vor hohen Investitio­nen in die Elektromob­ilität, die in den nächsten Jahren keine nennenswer­te Gewinne einfahren werde.

Die Liste der Absagen von Alfa Romeo bis Volvo ist lang. Als globale Nummer 2 hinter Volkswagen begnügt sich beispielsw­eise Toyota mit der Rolle als Mitveranst­alter des „japanische­n Abends“. Ihre Modelle zeigen die Japaner lieber in einem „Mobility Loft“, das beispielsw­eise bei den Umwelttage­n Köln Station machte. Der Verzicht auf einen IAAStand gelte aber nur für 2019, für die kommende IAA werde neu entschiede­n, erklärt Deutschlan­d-Sprecher Thomas Schalberge­r.

VDA-Mann Rotter mag die Abtrünnige­n nicht kritisiere­n. „Jeder Hersteller, der 2019 hier nicht vertreten ist, bleibt ein künftiger potenziell­er Aussteller“, sagt er. Und stellt gleichzeit­ig fest: „Die grundlegen­den Diskussion­en über den Wandel der Mobilität können Sie nur auf übergreife­nden, internatio­nalen Veranstalt­ungen führen, nicht auf Hausmessen oder Roadshows. Daher gibt es ein sehr großes Interesse der internatio­nalen Fachwelt, der Journalist­en und des Publikums.“

Und der Autogegner, könnte man ergänzen. Im Zeichen der Klimadisku­ssion formiert sich aktuell weit stärkerer Protest als in den Jahren zuvor. Gefordert wird die Verkehrswe­nde und der Ausstieg aus dem Verbrennun­gsmotor. Am Pranger stehen neue Protz-Modelle wie der Audi Q7, der BMW X6 oder Porsches Elektro-Bolide Taycan.

Umweltorga­nisationen wie Greenpeace und der BUND, der VCD und die umstritten­e Deutsche Umwelthilf­e haben gemeinsam zu Großdemons­trationen gegen die IAA aufgerufen. „Betrügeris­che Autokonzer­ne feiern dort ihre dicken SUVs und Spritschlu­cker“, heißt es bei ihnen unter anderem. Noch radikaler gibt sich das Bündnis „Sand im Getriebe“, das am ersten MesseSonnt­ag auch zu illegalen Mitteln greifen will, um die IAA zu blockieren. VDA-Präsident Bernhard Mattes hat den Kritikern Gespräche angeboten.

Neuerschei­nungen schon bekannt

Die typischen Automessen haben sich überlebt, meint Dudenhöffe­r. Die Neuerschei­nungen sind im Vorfeld bestens bekannt, die digitalen Medien machen der analogen und teuren Messe das Leben schwer. Der Experte sieht die IAA in einer Reihe mit der Detroit Motor Show, der Tokyo Motor Show und dem Pariser Autosalon: „Alle brauchen ein Konzept für die Zukunft, sonst wird es eng.“

Der VDA-Vertrag mit der Frankfurte­r Messegesel­lschaft läuft nach dieser IAA aus, eine neue Übereinkun­ft gibt es noch nicht. Eine Ausstellun­g nur mit Diskussion­en und ganz ohne Autos mag sich zumindest Rotter dann aber doch nicht vorstellen. „Das haptische Erlebnis würde fehlen. Die Besucher wollen die neuesten Autos fühlen, anfassen, sich hinters Steuer setzen – ohne sich gleich einem Verkäufer erklären zu müssen. Das ist der große Vorteil der IAA.“

 ?? FOTO: DPA ?? Journalist­en umringen im September 2017 während der Internatio­nalen Automobila­usstellung den Supersport­wagen Mercedes-AMG Project One. In diesem Jahr wird die IAA deutlich kleiner ausfallen: Die meisten japanische­n Autokonzer­ne, die US-Hersteller mit Tesla sowie die führenden Unternehme­n aus Frankreich und Italien haben abgesagt.
FOTO: DPA Journalist­en umringen im September 2017 während der Internatio­nalen Automobila­usstellung den Supersport­wagen Mercedes-AMG Project One. In diesem Jahr wird die IAA deutlich kleiner ausfallen: Die meisten japanische­n Autokonzer­ne, die US-Hersteller mit Tesla sowie die führenden Unternehme­n aus Frankreich und Italien haben abgesagt.

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