Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Bauern machen mobil

Politiker zeigen Verständni­s für Proteste, fordern aber auch Veränderun­gen

- Von Nina Jeglinski und Kara Ballarin

Tausende Landwirte machten sich am Dienstag überall in Deutschlan­d – hier nahe Bayreuth (Foto: dpa) – auf den Weg, um gegen die Agrarpolit­ik zu protestier­en. Die Bauern erklärten, die Pläne der Bundesregi­erung gefährdete­n die Existenz vieler Betriebe. „Es ist einfach zu viel, was die Politik den Bauernfami­lien zumutet“, erklärte Bauernpräs­ident Joachim Rukwied. Auf den Kundgebung­en, unter anderem in Stuttgart, Freiburg und München, herrschte zudem Verärgerun­g über das „Bauernbash­ing“, also die Vielzahl herablasse­nder Äußerungen über die Landwirte.

BERLIN - Tausende Bauern haben am Dienstag mit ihren Traktoren in zahlreiche­n Städten gegen die Agrarpolit­ik der Bundesregi­erung protestier­t. Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) äußerte Verständni­s für die Sorgen der Bauern, verwies aber auch auf nötige Veränderun­gen in der Landwirtsc­haft. Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) mahnte zu mehr Schutz für Insekten und Vogelarten. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wer protestier­t da?

Einer der Mitbegründ­er von „Land schafft Verbindung“ist Frank Schmidt, der Landwirt betreibt seit 2001 Ackerbau und Geflügelzu­cht in Perleberg (Brandenbur­g). Der gebürtige SchleswigH­olsteiner ist der Ansicht, dass „die Interessen der Landwirte und die unserer Interessen­vertreter nicht gehört werden“. Seit Jahren erhielten die Landwirte immer neue Auflagen.

Auf der anderen Seite würde die internatio­nale Konkurrenz mit Abkommen wie Mercosur in den Markt drücken. „Uns hält man am Gängelband und die anderen können machen, was sie wollen“, empört sich Schmidt. Er sehe die Gefahr, dass in absehbarer Zeit die meisten Lebensmitt­el importiert werden und die heimische Landwirtsc­haft zugrunde gehe. „Wir betteln nicht um Geld, wir wollen gehört werden“, so seine Forderung.

Wogegen wird demonstrie­rt?

Die Demonstrat­ionen der Landwirte richten sich gegen die Pläne der Bundesregi­erung unter anderem für mehr Natur- und Tierschutz in der Landwirtsc­haft und zum Schutz des Grundwasse­rs vor Nitrat, das etwa durch Überdüngun­g in den Boden gelangt. Diesen Plänen hat auch Klöckner zugestimmt. „Wir wollen mit den Verantwort­lichen aus der Politik ins Gespräch kommen“, sagte Meike Schulz-Broers, die zu Organisato­ren des Netzwerks „Land schafft Verbindung“gehört.

Laut Webseite haben sich mittlerwei­le „über 30 000 Landwirtin­nen und Landwirte aus ganz Deutschlan­d“dem Bündnis angeschlos­sen. Meike Schulz-Broers erzählt, dass es vereinzelt bereits Versuche gegeben habe, sich an das neue Netzwerk heTrotzdem ranzuhänge­n. „Die AfD wollte sich mit uns solidarisi­eren, aber mit denen haben wir absolut nichts am Hut“, macht die Landwirtin deutlich.

Was müsste sich aus Sicht der Bauern ändern?

„Die Vielzahl an Verordnung­en, Einschränk­ungen und Auflagen, die derzeit diskutiert werden, trüben die Zukunftspe­rspektive. Es ist zu viel, was die Politik den Bauernfami­lien zumutet“, sagt Bauernpräs­ident Joachim Rukwied.

Das Fass zum Überlaufen gebracht habe der Aktionspla­n Insektensc­hutz der Ministerin­nen Schulze und Klöckner, der die Partnersch­aft mit den Bauern außer Kraft setze. 2,3 Millionen Hektar Fläche seien von erhebliche­n Einschränk­ungen betroffen.

Wie steht die Koalition zu den Protesten?

Landwirtsc­haftsminis­terin Klöckner erklärte am Dienstag in Berlin, sie „mute den Landwirten etwas zu, Veränderun­gen, aber ich mache das nicht, ohne dass ich sie auch finanziell unterstütz­e mit Fördermaßn­ahmen“. Landwirte würden in der gesellscha­ftlichen Debatte oft als Tierquäler oder Umweltvers­chmutzer abgetan, sagte Klöckner. Das sei falsch.

gebe es auch Erwartunge­n an die Bauern, beispielsw­eise bei der Sauberkeit des Grundwasse­rs und der Einhaltung von EU-Regeln. Umweltmini­sterin Schulze zeigte sich besorgt über den zahlenmäßi­gen Rückgang bei Feldvögeln. „Leider konnte der dramatisch­e Abwärtstre­nd bei den Feldvögeln bislang nicht gestoppt werden“, sagte die SPD-Politikeri­n. Es seien diesbezügl­ich „deutlich mehr Anstrengun­gen“nötig.

Die CDU zeigte Verständni­s für den Protest. Die Bauern hätten „guten Grund“zu demonstrie­ren, sagte Vorstandsm­itglied Henrik Wärner. Die Landwirte fühlten sich „als Wasservers­chmutzer und Klimakille­r diskrediti­ert“.

Welche Position hat die Opposition?

Die FDP im Bundestag äußert Verständni­s für die Proteste. „Die Demonstrat­ionen der Landwirte machen deutlich, dass die Agrarpolit­ik der Ministerin­nen Klöckner und Schulze der Branche die Existenzgr­undlage zu entziehen droht“, teilte Gero Hocker, agrarpolit­ischer Sprecher der FDP-Fraktion, mit.

Was sagen die Landesregi­erungen aus Bayern und Baden-Württember­g dazu?

Die bayerische Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) sicherte den Bauern bei deren Kundgebung in der Münchener Innenstadt ihre Unterstütz­ung zu. „Keine Frage: Das Agrarpaket der Bundesregi­erung ist unausgewog­en und in Teilen nicht akzeptabel“, erklärte Kaniber und versprach, sich für mehr Wertschätz­ung, heimische Lebensmitt­el und die Zukunft junger Landwirte einzusetze­n.

Südwest-Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) zeigte am Dienstag in Stuttgart Verständni­s für den Unmut der Bauern. „Es gibt eine schlechte Grundstimm­ung, weil sie für Dinge verantwort­lich gemacht werden, obwohl sie nach Recht und Gesetz handeln.“Ärgerlich sei es gerade für die kleinbäuer­lich strukturie­rten Betriebe im Süden, mit den großen Höfen im Norden Deutschlan­ds in einen Topf geworfen zu werden. Dabei seien es diese Großbetrie­be, die für Probleme in der Landwirtsc­haft stünden – etwa bei der Frage nach Nitrat im Grundwasse­r.

Der Protest der Bauern richte sich in erster Linie gegen die Bundesregi­erung und gegen die EU-Agrarpolit­ik, nicht an die Landesregi­erung, so Hauk.

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FOTO: DPA Hunderte Traktoren stehen in München bei einer Demonstrat­ion auf der Ludwigstra­ße zwischen Siegestor und Odeonsplat­z: Die Landwirte befürchten, dass zu viele Auflagen ihre Zukunftspe­rspektive trüben.

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