Die Bauern machen mobil
Politiker zeigen Verständnis für Proteste, fordern aber auch Veränderungen
Tausende Landwirte machten sich am Dienstag überall in Deutschland – hier nahe Bayreuth (Foto: dpa) – auf den Weg, um gegen die Agrarpolitik zu protestieren. Die Bauern erklärten, die Pläne der Bundesregierung gefährdeten die Existenz vieler Betriebe. „Es ist einfach zu viel, was die Politik den Bauernfamilien zumutet“, erklärte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Auf den Kundgebungen, unter anderem in Stuttgart, Freiburg und München, herrschte zudem Verärgerung über das „Bauernbashing“, also die Vielzahl herablassender Äußerungen über die Landwirte.
BERLIN - Tausende Bauern haben am Dienstag mit ihren Traktoren in zahlreichen Städten gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestiert. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) äußerte Verständnis für die Sorgen der Bauern, verwies aber auch auf nötige Veränderungen in der Landwirtschaft. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) mahnte zu mehr Schutz für Insekten und Vogelarten. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer protestiert da?
Einer der Mitbegründer von „Land schafft Verbindung“ist Frank Schmidt, der Landwirt betreibt seit 2001 Ackerbau und Geflügelzucht in Perleberg (Brandenburg). Der gebürtige SchleswigHolsteiner ist der Ansicht, dass „die Interessen der Landwirte und die unserer Interessenvertreter nicht gehört werden“. Seit Jahren erhielten die Landwirte immer neue Auflagen.
Auf der anderen Seite würde die internationale Konkurrenz mit Abkommen wie Mercosur in den Markt drücken. „Uns hält man am Gängelband und die anderen können machen, was sie wollen“, empört sich Schmidt. Er sehe die Gefahr, dass in absehbarer Zeit die meisten Lebensmittel importiert werden und die heimische Landwirtschaft zugrunde gehe. „Wir betteln nicht um Geld, wir wollen gehört werden“, so seine Forderung.
Wogegen wird demonstriert?
Die Demonstrationen der Landwirte richten sich gegen die Pläne der Bundesregierung unter anderem für mehr Natur- und Tierschutz in der Landwirtschaft und zum Schutz des Grundwassers vor Nitrat, das etwa durch Überdüngung in den Boden gelangt. Diesen Plänen hat auch Klöckner zugestimmt. „Wir wollen mit den Verantwortlichen aus der Politik ins Gespräch kommen“, sagte Meike Schulz-Broers, die zu Organisatoren des Netzwerks „Land schafft Verbindung“gehört.
Laut Webseite haben sich mittlerweile „über 30 000 Landwirtinnen und Landwirte aus ganz Deutschland“dem Bündnis angeschlossen. Meike Schulz-Broers erzählt, dass es vereinzelt bereits Versuche gegeben habe, sich an das neue Netzwerk heTrotzdem ranzuhängen. „Die AfD wollte sich mit uns solidarisieren, aber mit denen haben wir absolut nichts am Hut“, macht die Landwirtin deutlich.
Was müsste sich aus Sicht der Bauern ändern?
„Die Vielzahl an Verordnungen, Einschränkungen und Auflagen, die derzeit diskutiert werden, trüben die Zukunftsperspektive. Es ist zu viel, was die Politik den Bauernfamilien zumutet“, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied.
Das Fass zum Überlaufen gebracht habe der Aktionsplan Insektenschutz der Ministerinnen Schulze und Klöckner, der die Partnerschaft mit den Bauern außer Kraft setze. 2,3 Millionen Hektar Fläche seien von erheblichen Einschränkungen betroffen.
Wie steht die Koalition zu den Protesten?
Landwirtschaftsministerin Klöckner erklärte am Dienstag in Berlin, sie „mute den Landwirten etwas zu, Veränderungen, aber ich mache das nicht, ohne dass ich sie auch finanziell unterstütze mit Fördermaßnahmen“. Landwirte würden in der gesellschaftlichen Debatte oft als Tierquäler oder Umweltverschmutzer abgetan, sagte Klöckner. Das sei falsch.
gebe es auch Erwartungen an die Bauern, beispielsweise bei der Sauberkeit des Grundwassers und der Einhaltung von EU-Regeln. Umweltministerin Schulze zeigte sich besorgt über den zahlenmäßigen Rückgang bei Feldvögeln. „Leider konnte der dramatische Abwärtstrend bei den Feldvögeln bislang nicht gestoppt werden“, sagte die SPD-Politikerin. Es seien diesbezüglich „deutlich mehr Anstrengungen“nötig.
Die CDU zeigte Verständnis für den Protest. Die Bauern hätten „guten Grund“zu demonstrieren, sagte Vorstandsmitglied Henrik Wärner. Die Landwirte fühlten sich „als Wasserverschmutzer und Klimakiller diskreditiert“.
Welche Position hat die Opposition?
Die FDP im Bundestag äußert Verständnis für die Proteste. „Die Demonstrationen der Landwirte machen deutlich, dass die Agrarpolitik der Ministerinnen Klöckner und Schulze der Branche die Existenzgrundlage zu entziehen droht“, teilte Gero Hocker, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, mit.
Was sagen die Landesregierungen aus Bayern und Baden-Württemberg dazu?
Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) sicherte den Bauern bei deren Kundgebung in der Münchener Innenstadt ihre Unterstützung zu. „Keine Frage: Das Agrarpaket der Bundesregierung ist unausgewogen und in Teilen nicht akzeptabel“, erklärte Kaniber und versprach, sich für mehr Wertschätzung, heimische Lebensmittel und die Zukunft junger Landwirte einzusetzen.
Südwest-Agrarminister Peter Hauk (CDU) zeigte am Dienstag in Stuttgart Verständnis für den Unmut der Bauern. „Es gibt eine schlechte Grundstimmung, weil sie für Dinge verantwortlich gemacht werden, obwohl sie nach Recht und Gesetz handeln.“Ärgerlich sei es gerade für die kleinbäuerlich strukturierten Betriebe im Süden, mit den großen Höfen im Norden Deutschlands in einen Topf geworfen zu werden. Dabei seien es diese Großbetriebe, die für Probleme in der Landwirtschaft stünden – etwa bei der Frage nach Nitrat im Grundwasser.
Der Protest der Bauern richte sich in erster Linie gegen die Bundesregierung und gegen die EU-Agrarpolitik, nicht an die Landesregierung, so Hauk.