Kanada bleibt auf Kurs
Er wankte, aber er fiel nicht: Anders als von vielen vorhergesagt, hat sich Justin Trudeau noch einmal über die Ziellinie gerettet. Der kanadische Premierminister kann im Amt bleiben – trotz diverser Skandale, charakterlicher Schwächen, einiger Glaubwürdigkeitsprobleme, gebrochener Wahlkampfversprechen und geschrumpfter persönlicher Zustimmungswerte.
Die Botschaft der Wähler ist klar: Sie wollten Trudeau abmahnen, aber nicht abstrafen. Damit stellten sie sicher, dass ihr Land auf fortschrittlichem Kurs bleibt und nicht dem Beispiel anderer Länder nach rechts oder rechtsaußen folgt. Eher das Gegenteil wird zukünftig der Fall sein. Alle drei möglichen Partner Trudeaus im Parlament in Ottawa sind weiter links verortet als der Premier.
Kanada wird damit einstweilen seinem moderaten Kurs treu bleiben als Gegenpol zu Populisten à la Trump, Orbán, Bolsonaro und anderen. Als ein Land, das seine Grenzen für Zuwanderer und Flüchtlinge offen hält, das der internationalen Zusammenarbeit verpflichtet ist und das den Klimaschutz und die Menschenrechte ernst nimmt. In Zeiten wie diesen ist das ein ermutigendes Zeichen.
Wie lange sich Trudeaus geschwächte Regierung im Amt halten kann, steht auf einem anderen Blatt. Gut möglich, dass die Wähler schon in zwei bis drei Jahren wieder an die Wahlurnen müssen. Bis dahin hat Justin Trudeau Zeit, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
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