Chance für den Spätstarter
Torhüter Dario Quenstedt (30) darf auf seine erste Handball-EM hoffen – zum Leidwesen Silvio Heinevetters
FRANKFURT (SID/dpa) - Zu seinem 35. Geburtstag erreichten Silvio Heinevetter auch die Glückwünsche des Deutschen Handballbundes. Der DHB gratulierte über die sozialen Netzwerke, der persönliche Kontakt bleibt dem Torhüter der Füchse Berlin derzeit aber verwehrt. Bundestrainer Christian Prokop verzichtet in den Testspielen gegen Kroatien am Mittwoch (19.30 Uhr/zdfsport.de) in Zagreb und am Samstag (14.30/ARD) in Hannover freiwillig auf den Routinier. „Jubel zum Ehrentag“, postete der DHB am Montag über ein Foto Heinevetters im Nationaltrikot. Ob der Keeper dieses noch mal überstreifen wird, scheint weniger als drei Monate vor dem EM-Start mehr als ungewiss.
Dass Prokop bei der Zusammenstellung seines Kaders nicht auf Namen achtet, hätte er kaum deutlicher machen können. Denn noch immer zählt Heinevetter (192 Länderspiele) zu den bekanntesten deutschen Handballern, aktuell aber nicht zu den besten. Stattdessen berief Prokop neben Stammkeeper Andreas Wolff den beim Rekordmeister THW Kiel überzeugenden Dario Quenstedt in sein Aufgebot für den Kroatien-Doppelpack. „Ich habe die aktuell zwei stärksten deutschen Torhüter nominiert“, sagte Prokop. Heinevetter habe die Entscheidung „sachlich“aufgenommen. Er wird sich bei den in der Bundesliga kriselnden Berlinern deutlich steigern müssen, um seine kleine Chance auf das EM-Ticket zu wahren.
Dario Quenstedt war dagegen bester Laune, als er zusammen mit Kapitän Uwe Gensheimer und Co. den Flieger bestieg. Mit dem Abflug nach Zagreb begann für den Torhüter vom THW Kiel, der bisher 13 Länderspiele absolviert hat, sein ganz persönliches EM-Casting. „Ich freue mich sehr auf die Woche, speziell auf die Länderspiele als Highlight“, sagte Quenstedt. Er fühle sich „topfit und sehr gut“. Der Keeper weiß: In den Spielen gegen den zweimaligen Olympiasieger werden alle Augen auf ihn gerichtet sein.
Der Kampf ums Tor sorgt beim letzten Nationalmannschaftslehrgang 2019 für die größte Spannung. „Mit der Nominierung habe ich die Möglichkeit, mich zu zeigen“, sagte Quenstedt: „Es gilt jetzt, das Vertrauen des Bundestrainers mit einer entsprechenden Leistung zu würdigen.“
Das Vertrauen von Prokop („Leistung war ausschlaggebend“) hat sich Quenstedt redlich verdient. Seit seinem Wechsel im Sommer vom SC Magdeburg nach Kiel besticht der 30-Jährige mit starken Auftritten. An der Seite des dänischen Weltmeisters und Olympiasiegers Niklas Landin bekam Quenstedt erstaunlich viele Spielanteile und avancierte zum Senkrechtstarter der bisherigen Bundesliga-Saison. „Für Dario hat sich der Wechsel sehr gelohnt“, sagte Prokop: „Er hatte viele Spiele, wo er als Nummer 2 reinkam und sofort Leistung gebracht hat.“Genau das erhofft sich der DHB-Coach nun auch in der Nationalmannschaft an der Seite von Wolff.
Raus aus der Komfortzone
Für den 1,93 Meter großen Quenstedt ist die Berufung eine späte Genugtuung. Einige in der Branche hatten den Junioren-Weltmeister von 2009 schon als ewiges Talent abgestempelt, das 2012 zwar sein erstes Länderspiel absolvierte, es danach aber nie ganz in die erste Reihe schaffte. Doch plötzlich ist Quenstedt wieder auf dem Radar des Bundestrainers. „Diese Nominierung zeigt mir, dass der eingeschlagene Weg raus aus der Komfortzone und Wechsel nach Kiel und die damit neu gesteckten Ziele richtig waren“, sagt Quenstedt.
In Kroatien nicht dabei ist sein Kieler Teamkollege Patrick Wiencek. Der Kreisläufer fehlt aufgrund einer Knieverletzung, soll aber am Donnerstag wieder zur Mannschaft stoßen.