Bahnfahrer kommen bald bequemer zu spät
Die ICE erhalten komfortablere Sitze, Bahnhofsansagen eine neue Stimme – Auch der Service in den Reisezentren verbessert sich
BERLIN - Leder statt Kunststoff im Nacken und tiefere Sitzflächen: Die Deutsche Bahn tauscht die für die meisten Fahrgäste unbequemen Sitze in den Zügen des ICE 3 und ICE 4 nach und nach aus. An ihre Stelle rücken weicher gepolsterte Schalen mit angenehmeren Kopfstützen, die in der ersten Klasse in Leder gehüllt sind. Die Sitze lassen sich auch weiter ausziehen als bisher. Ein Jahr lang haben die Fachleute der Bahn am Design getüftelt. Zum verdeckten Test wurden sie schon in Zügen erprobt und von 5800 Kunden bewertet. Nun beginnt die Umrüstung der rund 60 000 Plätze.
Mit einer Reihe weiterer Neuerungen, vor allem digitalen Angeboten, will die Bahn einen besseren Service bieten. Dazu gehört auch die Verständlichkeit der Ansagen am Bahnhof. Vom kommenden Jahr an werden die Fahrgäste dort durch die Stimme des Profi-Sprechers Heiko
Grauel auf dem Laufenden gehalten. In 14-tägiger Studioarbeit hat er 14 000 beliebige Alltagssätze im Studio aufgenommen. Für die Tontechnik ist der Inhalt nicht entscheidend. „Da das System Silben und Laute zusammensetzt, kann daraus jeder Satz gebildet werden“, erläutert Grauel. Egal, welche Ansage per Tastatur eingegeben wird, die Software bildet daraus einen fließend gesprochenen Satz des Sprechers. Die Wahl fiel auf ihn, nachdem die Stimmen von je drei Frauen und Männern vor den Hintergrundgeräuschen eines laufenden Bahnhofsbetriebs auf ihre Verständlichkeit hin erprobt wurden.
Das Unternehmen gewährte nun auch einen Einblick in neue Dienste, die das Reisen in den nächsten Monaten erleichtern sollen. Ein Baustein ist der Umbau der Reisezentren in den Bahnhöfen. Als Pilotprojekt dient derzeit der Leipziger Hauptbahnhof. Ein Teil der Berater im Reisezentrum ist nicht mehr an einen Platz hinter dem Tresen gebunden, sondern läuft herum und fragt die Fahrgäste nach ihren Wünschen. Alle kleineren Anliegen bis hin zum einfachen Fahrkartenkauf können auf diese Weise erledigt werden. Umfänglichere Auskünfte gibt es weiterhin vom stationären Personal im hinteren Teil des Raums. Außerdem steht für Auskünfte oder auch den Ausdruck einer Verspätungsbestätigung oder des Formulars für Erstattungsansprüche ein Computer mit Touchscreen bereit. Eine automatische Erstattung bleibt aber noch Zukunftsmusik.
Mit digitalen Navigationsdiensten per App will die Bahn nach und nach die gesamte Mobilitätskette abbilden. Ein Beispiel dafür liefert nun die S-Bahn in Stuttgart. In der Landeshauptstadt Baden-Württembergs wird eine App getestet, die den Kunden alle möglichen Verkehrsmittel zu ihrem Ziel anbietet. „Wir haben alle relevanten Sharing-Unternehmen an Bord“, sagt S-Bahn-Chef Dirk Rothenstein. Per Touchscreen können die Reisenden E-Scooter, Fahrräder oder Autos buchen und vom Bahnhof aus nutzen.
Das Parkproblem rund um die Stationen will das Start-up Aipark für die Bahn lösen. Das Unternehmen weist Autofahrer zu Plätzen, an denen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine freie Lücke für Pendler findet. Die Trefferquote liegt nach Angaben von Aipark-Chef Johannes Riedel bei fast 90 Prozent.