Schwäbische Zeitung (Wangen)

Teure Äcker

Preise für Landwirtsc­haftsfläch­en steigen dramatisch – Großuntern­ehmen kaufen Land und verdrängen Bauern

- Von Burkhard Fraune und Sascha Meyer

WIESBADEN/BERLIN (dpa) - 65 000 Euro sind eine Menge Geld. Dafür kann man sich einen Porsche kaufen. Oder ein kleines Feld, 100 mal 100 Meter groß. Soviel jedenfalls müssen Bauern in Bayern inzwischen für ein Stückchen Acker zahlen, dem Bundesland mit dem teuersten Boden. Der Hektar Agrarland kostete dort im vergangene­n Jahr mehr als zweieinhal­bmal so viel wie 2009. Genauso stark sind die Preise in Ostdeutsch­land gestiegen, wie das Statische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.

Es gebe „außerlandw­irtschaftl­iche Investoren“, die mit Ackerland spekuliert­en, gerade in den neuen Bundesländ­ern, sagte Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU). „Das ist alarmieren­d, was dort läuft.“Denn die Preisexplo­sion für Ackerland hat gravierend­e Folgen nicht nur für die Bauern selbst. Ganze Dörfer leiden.

Mit einem Hektar allein ist dem Bauern ohnehin nicht gedient. Ein landwirtsc­haftlicher Betrieb hat im bundesweit­en Durchschni­tt rund 62 Hektar. Im Osten ist es zwei- bis viermal so viel. Die großen – und lange Zeit vergleichs­weise günstig zu bekommende­n – Betriebe haben in den vergangene­n Jahren immer mehr Investoren gelockt. Ostdeutsch­e Äcker wurden seit der Finanzkris­e ein sicherer Hort für Kapital. Denn Zinsen gibt es dafür kaum noch.

Das trifft die Region ausgerechn­et in einem Umbruch: „Die Gründergen­eration nach der Wende gibt jetzt ihre Betriebe ab“, erklärte Udo Hemmerling, der Vize-Generalsek­retär des Deutschen Bauerverba­nds. Erst die Dürre 2018 habe den Preisansti­eg zuletzt gebremst.

Doch viele große Flächen früherer Landwirtsc­haftlicher Produktion­sgenossens­chaften (LPG) sind so schon an Großuntern­ehmer von außerhalb gegangen, auch an börsennoti­erte Unternehme­n. Mit dem Leben vor Ort haben diese in der Regel nicht viel am Hut.

Ihre Manager sitzen in den Unternehme­nszentrale­n, fürs Ackern und Ernten fahren sie Saisonkräf­te heran, von staatliche­n Fördermitt­eln bleibt immer weniger vor Ort hängen, wie der aktuelle Agrarberic­ht der Bundesregi­erung feststellt. Folge: Das Dorfleben erlahmt. „Diese Entwicklun­g widerspric­ht den Zielen der Bundesregi­erung für die ländlichen Räume“, vermerken die Beamten.

Für heimische Bauern wird es immer schwierige­r, Flächen zu halten, geschweige denn, neue zu bekommen. „In vielen Fällen sind die geforderte­n Pachten oder die Kapitalkos­ten für Flächenkäu­fe betriebswi­rtschaftli­ch nicht mehr zu rechtferti­gen“, heißt es im Bericht.

Klöckner sagte, ihr Ziel sei „Ackerland in Bauernhand“. Landwirte sollten größere Chancen beim

Zugriff auf Flächen erhalten, etwa durch steuerrech­tliche Änderungen und mehr Transparen­z bei bevorstehe­nden Verkäufen. Sie will sogenannte Share Deals einschränk­en, mit denen Investoren die Grunderwer­bsteuer umgehen.

Der Bauernverb­and kritisiert, dass zu viel Ackerland überbaut wird, etwa mit Straßen, Wohnvierte­ln und Gewerbegeb­ieten. Um die Bauern in den Dörfern zu unterstütz­en, verlangt er ein Vorkaufsre­cht für ortsansäss­ige Landwirte. Diskussion­en darüber gibt es bereits in mehreren ostdeutsch­en Ländern.

Neue Förderung gefordert

Für Kritiker muss sich auch die Förderpoli­tik ändern. Nicht wer viel Fläche habe, müsse belohnt werden – sondern, wer Klima-, Natur- oder Tierschutz diene, verlangt der Bund für Umwelt- und Naturschut­z Deutschlan­d. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt will Kapitalges­ellschafte­n ganz den Subvention­shahn abdrehen. Die FDP sieht dagegen Fehlanreiz­e etwa im Erneuerbar­e-Energien-Gesetz, weil die Biogasförd­erung die Flächennac­hfrage erhöhe.

 ?? FOTO: DOA ?? Pflügender Bauer: Umbruch im Dorfleben.
FOTO: DOA Pflügender Bauer: Umbruch im Dorfleben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany