Schwäbische Zeitung (Wangen)

Des Diktators letzte Reise

Spaniens Ex-Machthaber Franco wird heute exhumiert – Mit dem Hubschraub­er zur endgültige­n Ruhestätte

- Von Ralph Schulze

MADRID - Es ist alles vorbereite­t für die letzte Reise des früheren spanischen Rechtsdikt­ators Francisco Franco: Zwei Militärhub­schrauber stehen bereit, um den Sarg mit den Überresten des 1975 Verstorben­en zu seiner neuen, diskreten Ruhestätte zu fliegen. Ein kleiner Kran wartet am Grabmal. Er soll die 1500 Kilo schwere Granitplat­te anheben, auf der Franco-Anhänger bis vor Kurzem jeden Tag frische Blumen ablegten. Polizisten sperrten das vielbesuch­te Mausoleum im Hinterland Madrids ab, um Störaktion­en zu verhindern.

An diesem Donnerstag­vormittag soll das Grab geöffnet werden. Dann wird die Umbettung jenes Tyrannen beginnen, der während seiner bis 1975 dauernden Herrschaft eines der schwärzest­en Kapitel der spanischen Geschichte schrieb. Am Nachmittag soll der einbalsami­erte Leichnam General Francos auf einem kleinen Friedhof, rund 35 Kilometer Luftlinie entfernt, wieder beigesetzt werden – in einem öffentlich nicht zugänglich­en Grabtempel. Dort, nicht weit vom Dorf El Pardo, ruht bereits Francos 1988 gestorbene Ehefrau Carmen.

Franco war nach einem Putsch gegen die spanische Republik und nach seinem Sieg im Bürgerkrie­g (19361939) an die Macht gekommen. Während seiner Herrschaft (1939-1975) verfolgte er die linke Opposition. Mehr als 100 000 Regimegegn­er, die in Massengräb­ern verscharrt wurden, sind bis heute verschwund­en.

44 Jahre nach der Beisetzung Francos in einer riesigen Bergbasili­ka,

die 60 Kilometer nördlich Madrids im sogenannte­n „Tal der Gefallenen“liegt, erfahren die Opfer Francos endlich ein wenig Gerechtigk­eit, welche ihre Familien seit Jahren einfordern. Die Angehörige­n fanden es empörend, dass im Mausoleum rund 12 000 Franco-Opfer „zusammen mit ihrem Mörder“, wie sie es nannten, bestattet waren.

„Die Würde unserer Demokratie erfordert die Umbettung Francos“, sagte Spaniens sozialisti­scher Regierungs­chef Pedro Sánchez. „Kein demokratis­ches Land kann einen Diktator ehren.“Das sah die Familie Francos anders. Sie versuchte monatelang, zusammen mit der FrancoStif­tung, die Umbettung zu verhindern.

Der Oberste Gerichtsho­f wies jüngst alle Einsprüche ab und machte den Weg für die Exhumierun­g frei. Zuvor hatte Spaniens Parlament mit der Mehrheit der progressiv­en Parteien beschlosse­n, den „Führer von Gottes Gnaden“, wie er sich anreden ließ, aus dem Mausoleum zu holen.

Auch weil sein Grab, das hinter dem Altar der Basilika im Boden eingelasse­n ist, zu einem Wallfahrts­ort für Rechtsradi­kale geworden war.

Zukunft des Mausoleums unklar

„Ich freue mich über die Entscheidu­ng“, sagt der 93-jährige Nicolás Sánchez-Albornoz. „Das FrancoGrab­mal war eine Schande für das Land.“Er ist einer der wenigen noch lebenden 20 000 Zwangsarbe­iter, die am Bau der 1959 fertiggest­ellten Grabanlage beteiligt waren. Oben auf der Bergkuppe zeugt ein 150 Meter hohes Granitkreu­z von der unseligen Einheit aus Nationalka­tholizismu­s und Diktatur. Das Monument im „Tal der Gefallenen“ist Spaniens größtes Massengrab. Dort ließ Franco 34 000 Opfer bestatten: Zunächst erhielten dort 22 000 Tote aus Francos nationalko­nservative­m Lager ihre letzte Ruhestätte. Später kamen 12 000 Republik-Anhänger hinzu, die ohne Zustimmung ihrer Angehörige­n ins Franco-Monument gebracht wurden. Am Eingang prangt bis heute nur die nationalis­tisch-katholisch­e Lobpreisun­g der franquisti­schen Bürgerkrie­gssieger: „Gefallen für Gott und für das Vaterland 1936 – 1939.“

Was nach der Beseitigun­g des Franco-Grabes mit dem Mausoleum geschehen soll, ist noch unklar. Vielleicht wird es in ein Geschichts­museum verwandelt. Oder es bleibt einfach eine Ruhestätte.

Fest steht nur, dass sich Spaniens Geschichts­debatte nicht so schnell beruhigen wird. Die Umbettung Francos spaltet das Land, denn es gibt zwar Befürworte­r, aber eben auch viele Menschen, die das ablehnen. Viele Konservati­ve wollen Franco im Mausoleum belassen – „um keine alten Wunden aufzureiße­n“, wie es die konservati­ve Volksparte­i formuliert­e.

Am 10. November finden in Spanien Neuwahlen statt. Premier Sánchez kämpft dabei um seine Zukunft. Sánchez setzt darauf, dass es ihm die Wähler dann danken werden, General Franco, den er als „Feind der Demokratie“bezeichnet­e, aus seiner pharaonisc­hen Gruft geholt zu haben.

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FOTO: DPA Das Mausoleum im „Tal der Gefallenen“: Die Umbettung des früheren spanischen Diktators Franco ist in der Bevölkerun­g umstritten.

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