Figuren spießen den Zeitgeist auf
Geschichtsverein Ailingen-Berg zeigt Terrakottafiguren der Künstlerfamilie Sohn
FRIEDRICHSHAFEN - Im Museum in Ittenhausen wird am Freitagabend eine Ausstellung eröffnet, bei der eine Fülle von Figuren dazu einlädt, sie ganz genau zu studieren und zu schmunzeln. Dank einem Sammler aus der näheren Umgebung kann die Gesellschaft für Geschichte und Heimatpflege Ailingen-Berg einen repräsentativen Überblick über die Terrakotten der Familie Sohn aus Kümmerazhofen und Zizenhausen zeigen: Heiligendarstellungen ebenso wie detaillierte Genrebilder und saftige Karikaturen.
Die ersten Figuren samt Model im hinteren Raum stammen aus dem Frühwerk von Franz Josef Sohn (1739 bis 1802) aus Kümmerazhofen, wo die Erfolgsgeschichte der Familie ihren Anfang nahm. Als zur Feier der Seligsprechung der „Guten Beth“im Franziskanerinnenkloster Reute Ströme von Pilgern erwartet wurden, hat der Schreiner angefangen, statt Figürchen zu schnitzen Modelle in verschiedenen Größen herzustellen und farbig bemalte naive, volkstümliche Heiligen- und Krippenfiguren zu brennen. Sein Sohn Fidelis und die Enkel führten diese Tradition weiter.
Der älteste Sohn Anton Sohn, der 1799 aufgrund der Heirat nach Zizenhausen bei Stockach umsiedelte, verfeinerte seine Figuren – vollplastisch wirkende Halbreliefs. Ihm ist der Hauptraum gewidmet, sehr übersichtlich sind seine Themenbereiche angeordnet. Er begnügte sich nicht mehr mit Heiligenfiguren, sondern fand seine Vorlagen in der Druckgrafik. Als künstlerischer Höhepunkt gilt der berühmte, 42 Figurengruppen
umfassende, „Basler Todtentanz“nach Kupferstichen von Matthäus Merian dem Älteren, der auch in dieser Sammlung nicht fehlen darf. Akribisch recherchiert der Sammler, wo noch Figuren zu erwerben sind, sei es aus Nachlässen, auf Flohmärkten oder Auktionen. Auch wenn sie damals in großer Zahl verkauft wurden, werden die überaus empfindlichen Tonfiguren immer weniger.
Anton Sohns Geschäft begann vollends zu florieren, als er Karikaturen des satirischen Zeichners Hieronymus Hess umsetzte und der Basler Kunsthändler Schabelitz ihm den
Schweizer und französischen Markt öffnete. Der Händler besorgte die Vorlagen, nach denen der künstlerisch begabte Anton Sohn eine Reihe minutiös ausgearbeiteter Genreszenen und Karikaturen gestaltete. Säuberlich nach Themen geordnet, kann man sie in der Ausstellung bestaunen. Wir finden Beispiele von Schweizer Trachtenbildern, die ganze Dorfgeschichten erzählen. Wir erleben humorvolle, lebenspralle Pariser Marktund Gassenszenen, die die Menschen mit ihren Schwächen darstellen, da darf bei fröhlichen Zechern schon mal ein blanker Hintern aus der Hose gucken. Und wir dürfen uns an spöttischen bis zynischen Karikaturen zur Zeitkritik an Bürger-, Bauern- und Adelskreisen, an Spießbürgern und Musikern, an Politik und Militär erfreuen, auch die Juden sind vom satirischen Blick nicht ausgenommen. Hintergrundtafeln informieren über die Familie Sohn, die Modelle oder die Herstellung der Figuren.
Die Ausstellung im Museum Ittenhausen/Ailingen wird am Freitag, 25. Oktober, um 19 Uhr eröffnet und ist bis 10. November jeweils samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.