In Füssen kämpfen Omas gegen Rechts
Frauen vernetzen sich in Deutschland und Österreich für tolerante und offene Gesellschaft
FÜSSEN - „Ich war schon immer ein politisch interessierter Mensch“, sagt Annette Hippeli-Kreutzer. Jetzt, als Rentnerin, will sie sich auch politisch engagieren. Vor zwei Jahren hat die 66-jährige Füssenerin im Fernsehen einen Beitrag über ältere Frauen gesehen, die sich für die Demokratie stark machen. „Omas gegen Rechts“nennt sich die Bewegung, die derzeit in Österreich und Deutschland immer mehr Anhänger findet. Jetzt gibt es auch eine Gruppe in Füssen – die erste im Allgäu.
Ein Jahr lang hat Hippeli-Kreutzer mit ihrer Freundin Barbara Reiners (66) überlegt, eine Ortsgruppe zu gründen. Die beiden kennen sich seit 30 Jahren. Und sie haben ein Ziel: „Eine friedliche Zukunft für unsere Enkelkinder“, sagt Reiners. Die Demokratie müsse verteidigt werden, eine tolerante und offene Gesellschaft sei nicht selbstverständlich. Darin sind sie sich einig. Die aktuellen politischen Entwicklungen bereiten ihnen Sorgen. „Es werden Ängste geschürt, Feindbilder aufgebaut und die Sprache verroht“, kritisiert Reiners. Viele Menschen glaubten Verschwörungstheorien, die im Internet verbreitet werden. Mit Blick auf die jüngsten Vorfälle in Halle, wo ein mutmaßlich rechtsradikaler Täter zwei Menschen erschossen hat, betont Reiners auch den „stark in der Gesellschaft verankerten Antisemitismus“. In diesem Zusammenhang erwähnt die 66-Jährige auch die Aussagen von Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen. Höcke geriet beispielsweise vor zwei Jahren in die Schlagzeilen, weil er das jüdische Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“bezeichnet hatte. „Das fängt ja im Kleinen in der Sprache an und steigert sich dann. Eine Radikalisierung geschieht nicht von heute auf morgen“, sagt Reiners.
Vorbild ist Österreich. Dort gibt es die Bewegung seit 2017. Gründerin ist Monika Salzer, im September erschien ihr Buch „Omas gegen Rechts“. „Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs lebten meine Enkel in einem Europa ohne Grenzen, das scheinbar endlose Freiheit versprach“, schreibt die Wienerin. Das „Modell einer freien, toleranten Gesellschaft“sieht sie in Gefahr.
„Über 10 000 Frauen und Männer sind in Österreich über Facebook miteinander vernetzt“, sagt Gertrud Graf, Pressesprecherin von „Omas gegen Rechts“in Deutschland. In der Bundesrepublik gibt es etwa 100 Gruppen, die sich über verschiedene Online-Plattformen seit vergangenem Jahr lokal und national vernetzen. „Auch wir arbeiten zurzeit an einer Facebook-Seite“, sagt Hippeli-Kreutzer. Privat nutzen die beiden Frauen das Netzwerk bisher nicht. Um schnell und einfach mit anderen Mitstreitern Kontakt aufzunehmen, sei die Plattform aber geradezu perfekt. Als Ziele nennen sie, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, auf Demonstrationen zu fahren und den politischen Diskurs mitzugestalten. „Wir müssen mehr machen, als nur zur Wahl zu gehen“, sagt Hippeli-Kreutzer.
Acht Frauen sind kürzlich zum ersten Treffen der Allgäuer Gruppe gekommen. Eine von ihnen ist über 80 Jahre alt – und hat bereits ihre Enkelin
auf Demonstrationen begleitet. „Die möchten etwas tun“, sagt Hippeli-Kreutzer. Einmal im Monat wollen sich die Omas – wie sie sich selbst bezeichnen – treffen. Die Frauen möchten sich erst mal kennenlernen, Standpunkte austauschen und Inhalte erarbeiten. Annette Hippeli-Kreutzer und Barbara Reiners ist aber wichtig: Bei den Aktionen ist grundsätzlich jeder willkommen.