Das Maß aller Dinge
Athen-Olympiasiegerin Olena Kostevych beweist in der Bundesliga mit der Luftpistole ihre Extraklasse
ALTHEIM - Ralf Junghans konnte es kaum glauben. Staunend hielt der Sportschütze des SV Altheim-Waldhausen seinen Teamkameraden sein Handy hin. „Das ist ein Schussbild“, sagte Junghans und zeigte ein Foto mit dem Abbild der Zielscheibe von Olena Kostevych. Im Zehner, also im Zentrum der Scheibe, wimmelte es von kleinen, grauen Kreisen. Nur vereinzelt fanden sich einige fast verloren wirkende Kreise außerhalb des zentralen Feldes auf der Scheibe im Neuner. Am Wochenende mussten auch die Altheimer erfahren, dass gegen Kostevych, die für die HSG München startet, kein Kraut gewachsen ist.
Mit der Familie in Altheim
Die Ukrainerin, Olympiasiegerin von 2004 in Athen mit der Luftpistole und Weltranglistenzweite, ist auch in der Bundesliga der Topstar der Szene. Ziemlich genau vor einem Jahr stellte sie den Bundesligarekord auf, der wohl für die Ewigkeit gilt: 399 Ringe bei 40 Schüssen, 39-mal die Zehn, einmal die Neun. Ganz so stark war es am Sonntag gegen Altheim-Waldhausen nicht, aber vier Serien mit 98, 97, 97 und 98 Ringen bedeuteten am Ende auch 390 Ringe und den souveränen Sieg gegen Andreas Riedener.
„Die Bundesliga ist für mich die perfekte Bühne, mein Training zu überprüfen, ob ich auf dem richtigen Weg bin“, sagte Olena Kostevych, die jeden Tag trainiert und ihren 1,62
Meter kleinen Körper zweimal pro Woche im Fitnessstudio in Form bringt. Als sie das sagte, hielt sie ihre kleine Tochter Sofia auf dem Arm, die noch nichts weiß von der großen Schützenwelt, die ihre Mutter umgibt. „Schließlich habe ich im nächsten Jahr ein großes Ziel“, sagte die 34 Jahre alte Ukrainerin. Damit meint sie die Olympischen Spiele in Tokio, wo sie am liebsten – 16 Jahre nach dem größten Triumph ihrer Karriere als Olympiasiegerin von 2004 – noch einen draufsetzen würde.
Dabei versucht die Ukrainerin, die mit ihrem österreichischen Mann und der gemeinsamen Tochter in Linz lebt, Familie und Sport unter einen Hut zu bekommen. „So ein Wettkampf wie hier ist für uns auch eine Gelegenheit, ein Wochenende als Familie zu verbringen. Mein Mann ist auch mit in Altheim“, sagte die Ukrainerin, die 1985 in Chabrowski geboren wurde und im Alter von 13 Jahren ihre ersten Turniere bestritt. Gerade mal vier Jahre später, 2002 in Lahti, wurde sie erstmals Weltmeisterin mit der 10-MeterLuftpistole. Das ganze Jahr über reist sie um die Welt zu Weltcupturnieren – und ist meist gern gesehener Gast.
So auch in Altheim: „Wenn du so eine Klasseathletin neben dir stehen hast, versuchst du natürlich etwas abzuschauen. Rhythmus, Atem, Stand, alles Mögliche“, sagte Holger Haile, die Nummer 2 des SV Altheim-Waldhausen, musste nach der Niederlage jedoch eingestehen: „Aber das klappt halt nicht unbedingt.“