Bodo Ramelow muss zittern
Thüringens linker Ministerpräsident ist beliebt im Land, aber seine Mehrheit wankt
BERLIN - Bodo Ramelow ist der erste und bisher auch einzige linke Ministerpräsident in Deutschland. Kann der 63-jährige am Sonntag, wenn Thüringen wählt, seine Stellung verteidigen? Oder schafft es der CDUSpitzenkandidat Mike Mohring, ihn zu überholen und ein Bündnis mit SPD, Grünen und FDP zu schmieden?
FDP-Chef Christian Lindner hat eine klare Botschaft an die 1,7 Millionen Wähler in Thüringen: Eine Ablösung des linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow könne nur dann gelingen, wenn die FDP in den Landtag einziehe. „Ganz wenige Stimmen mit ganz viel Einfluss“könnten viel bewegen.
Schwierig – nicht nur – für die FDP ist aber, dass Bodo Ramelow der beliebteste Ministerpräsident Ostdeutschlands ist. 62 Prozent der Thüringer sagen den Demoskopen, er mache eine gute Arbeit. Ramelow, der Gewerkschaftssekretär aus Marburg, kam 1990 als Landeschef der HBV (Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, heute Verdi) nach Erfurt. 1999 wurde er in den Landtag gewählt, sechs Jahre später in den Bundestag. 2009 kandidierte er zum ersten Mal als Ministerpräsident für Thüringen, 2014 wurde er gewählt. „Thüringen solidarisch und nachhaltig gestalten“ist nun sein Wahlkampfmotto für die angestrebte zweite Periode. Seine Regierung hat das zweite gebührenfreie Kindergartenjahr eingeführt. „Das ist Geld, das jetzt bei den Menschen bleibt“, sagt Ramelow stolz.
Kretschmann des Ostens
Seit 2014 regiert er mit SPD und Grünen und nur einer Stimme Mehrheit das Land so ruhig und geräuschlos, dass er als eine Art Winfried Kretschmann des Ostens gilt. Er hat seine Partei, die zuvor nie einen Ministerpräsidenten hatte, an die Macht geführt und durchaus Chancen, sie zu behalten. Er ist parteiübergreifend so anerkannt, dass Alt-Bundespräsident Joachim Gauck bereits der CDU empfiehlt, wenn nötig, mit Ramelow zu regieren. Wenn nötig, heißt: Wenn es ohne die AfD keine Koalitionsmehrheiten geben sollte.
Bodo Ramelow selbst sieht auch noch andere Auswege. Er hat gerade vorsichtshalber gesagt, es gebe in Thüringen keine Vorschrift, in welcher Frist der Ministerpräsident gewählt werden muss. Sprich, selbst wenn sein Bündnis keine Mehrheit mehr hat, muss erst einmal ein anderer kommen, der eine hätte.
Obwohl die Thüringer Verfassung das so vorsieht – der Ministerpräsident bleibt geschäftsführend im Amt, bis es einen Nachfolger gibt –, reagierte CDU-Spitzenkandidat Mohring erzürnt. Er hat eine Koalition mit der AfD genauso ausgeschlossen wie mit der Linkspartei. Mohring, gerade noch 47, ist seit 20 Jahren im Landtag, seit 2008 schon ist er Chef der Fraktion. Lange gab er sich als strammer Konservativer, der auch durchaus mal nach rechts blinkte. Von der AfD aber grenzt er sich nun scharf ab – und nennt den Thüringer Landesverband, den Björn Höcke anführt, einen besonders extremen Teil der Partei.
Mohring glaubt, dass er die CDU an die Macht zurückführen kann, die sie in Thüringen 24 Jahre lang gepachtet zu haben schien. Bernhard Vogel, Dieter Althaus und Christine Lieberknecht regierten teils allein, teils zusammen mit FDP oder SPD. Nun hofft Mohring auf eine „Koalition der Mitte“. Sie wäre ein noch nie da gewesenes Viererbündnis aus CDU, SPD, Grünen und FDP. Aber selbst sie hätte nach den jüngsten Umfragen keine Mehrheit. Mohring aber sieht sich und die CDU im Aufwind. Zu seinem Selbstbewusstsein trägt bei, dass er nach einer Krebserkrankung Ende 2018 mit der Diagnose „geheilt“pünktlich zum Wahlkampf zurückkehren konnte. „Ich habe“, sagt er nun, „den größten Kampf meines Lebens gewonnen.“
Ramelows Linke liegen laut Politbarometer derzeit mit 27 Prozent einen Punkt vor der CDU mit 26. Die AfD rangiert bei 20 Prozent – und damit unter den Werten, die sie in anderen Umfragen im August und September erreicht hatte. Das könnte an Frontmann Höcke liegen.
Die jetzigen Koalitionspartner der Linken, SPD und Grüne, kamen bei der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen auf neun und acht Prozent. SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee, einst Bundesverkehrsminister, nun Thüringer Landeschef und Wirtschaftsminister, hofft auf die Wiederholung der 12,4 Prozent von 2014. Er ahnt, dass selbst dieser bescheidene Wert kaum zu erreichen ist – und klagt: „Wir bekommen keinen Rückenwind aus Berlin.“Dass die Bundespartei das Ergebnis der ersten Runde ihrer Kandidatensuche am Abend vor der Thüringer Wahl verkündet, halten die Genossen für mäßig gelungen. Die FDP muss um ihre Rückkehr in den Landtag bangen: Die Umfragen sehen sie um die fünf Prozent.