Der letzte Linke
Wie Lars Raible als Einzelkämpfer im konservativen Ravensburger Kreistag ankommt
RAVENSBURG - Wäre der Kreistag ein Garten, würde Lars Raible als Orchidee durchgehen. Der 47-jährige Ravensburger ist der einzige Vertreter der Linken im Kreisparlament – und dürfte es im ansonsten mehrheitlich konservativen Gremium schwer haben. Könnte man zumindest meinen. Erstaunlicherweise hat der Sozialarbeiter bisher aber nur positive Erfahrungen gemacht – von Ausgrenzung keine Spur. Ganz im Gegenteil.
Dass ihm selbst ältere CDU-Politiker gleich das Du angeboten haben, mag an Raibles netter und offener Art liegen. Der Mann mit dem Pferdeschwanz und grauen Bart lacht viel, beantwortet fröhlich und offen alle Fragen und wirkt wie jemand, mit dem man gerne ein Bier trinken würde. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass man mich als Linken so herzlich aufnimmt. Ehrlich gesagt hatte ich ein bisschen Angst, dass die Konservativen mit mir ein ähnliches Problem haben würden wie – sagen wir – Grüne, Linke oder Sozialdemokraten mit einem AfD-Politiker. Das war aber überhaupt nicht der Fall“, sagt Raible, der die anderen Kreisräte bei einem Busausflug schon näher kennengelernt hat.
Besonders überwältigt war er von der Großzügigkeit und Solidarität der ÖDP, die zwei Ausschuss-Mitgliedschaften an ihn abgetreten hat – auf die hätte er als Einzelkämpfer ohne Fraktionsstatus nämlich keinen Anspruch gehabt. Jetzt kann er im Sozialausschuss und im Ausschuss für Bildung und Kultur mitdiskutieren. Anträge darf er selbst nicht stellen, nur Anfragen an die Verwaltung richten. „Aber der ÖDP-Fraktionsvorsitzende Siegfried Scharpf hat mir angeboten, dass er jeden meiner Anträge quasi als Blanko-Scheck für mich stellen wird. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass so etwas politisch möglich wäre“, freut sich Raible. Sehr angetan ist er auch von Landrat Harald Sievers (CDU). „Ein total angenehmer und authentischer Mensch“, findet er. In seiner Arbeit im Kreistag will sich Raible auf soziale Themen konzentrieren. Zwei zentrale Projekte hat er sich für die laufende Legislaturperiode vorgenommen. Zum einen ein „Sozialticket“, das Menschen mit einem Nettoeinkommen von bis zu 1000 Euro kostenloses oder zumindest stark verbilligtes Busfahren ermöglichen soll, zum anderen den „Sozialpass“für die gleiche Personengruppe mit kostenlosem Zugang zu allen Einrichtungen des Kreises. Also zum Beispiel zum Bauernhausmuseum in Wolfegg oder zu den Kunstausstellungen auf Schloss Achberg. Ideal wäre es seiner Meinung nach, wenn sich die Idee dann auf die kommunalen Angebote der Städte und Gemeinden ausdehnen ließe – also beispielsweise auf Theater, Schwimmbäder oder Museen.
Warum hat Raible nicht versucht, auf der Liste der Grünen oder der SPD zu kandidieren, bei denen seine Einflussmöglichkeiten etwas besser gewesen wären als bei der Linken? „Nach der Agenda 2010 sind beide Parteien für mich keine Option mehr“, sagt der 47-Jährige, der erst seit sechs oder sieben Jahren Parteimitglied der Linken ist. So genau weiß er das gar nicht mehr. „Ich sehe aber nicht alles durch die linke Parteibrille.“Hauptsächlich treibe ihn sein Gerechtigkeitsempfinden an. Gesellschaftlich engagiert war er schon länger. Als Betriebsrat bei seinem Arbeitgeber, dem Verein Arkade, lag ihm die Gesundheitsprävention gegen Burnout am Herzen. Frustriert hat ihn dabei, dass er nicht so viel durchsetzen konnte, wie er eigentlich wollte.
Das wird ihm vermutlich auch im Kreistag nicht immer gelingen. Seine beiden Vorgänger von den Linken, Till Bastian und Wolfgang Nippe, hatten keinen leichten Stand und sagten selten überhaupt etwas. Zumindest das dürfte sich jetzt ändern.