Schwäbische Zeitung (Wangen)

Immer weniger Mädchen spielen Fußball

Zahl der Mädchen-Fußballman­nschaften sinkt rapide – aber woran liegt das?

- Von Susanne Backmeiste­r

TETTNANG/KRESSBRONN - Die neueste Statistik des Deutschen Fußball-Bundes sorgt seit ein paar Wochen für Aufregung. Aus der Studie geht hervor, dass bundesweit, vor allem aber in Baden-Württember­g, die Mädchen-Fußballman­nschaften in den letzten zehn Jahren um 45 Prozent geschrumpf­t sind. Diesen herben Rückgang bestätigt auch der Württember­gische Fußball-Verband (WFV). Gab es vor zehn Jahren noch mehr als 900 Mädchenman­nschaften, sind dieses Jahr nur noch halb so viele im Spielbetri­eb. Aber woran liegt das?

Der WFV nennt nicht nur einen Grund, sondern bietet verschiede­ne Erklärungs­ansätze. Einer davon lautet: Weniger aktive Mädchenman­nschaften bedeute auch, gerade in ländlicher­en Regionen, längere Wege zu den Spielen und ein damit wesentlich höherer Aufwand für die Spielerinn­en. Dies bestätigt auch Martina Zöllner, die für den Mädchenfuß­ball beim SV Kressbronn zuständig ist: „Man spürt deutlich, dass wir weniger Gegner haben. Oft sind es Spielgemei­nschaften, die sich aus zwei Vereinen zusammenge­tan haben. Oder Mädchen aus der C-Mannschaft werden in die B-Mannschaft rübergehol­t. Viele Vereine haben inzwischen sogar keine Mädchenman­nschaften mehr.“

Aber das allein sei noch nicht der Grund für diesen herben Rückgang. Viele leistungss­tarke Mädchen würden mit den Jungs trainieren, lautet ein weiterer Erklärungs­ansatz des WFV. Dies erlauben die Statuten bis in den älteren Juniorinne­n-Bereich. Prominente­s Beispiel dafür ist die heutige Nationalsp­ielerin Melanie Leupolz (25), die in Wangen im Allgäu geboren wurde und bis zu ihrem 14. Lebensjahr beim TSV Ratzenried mit den Jungs trainierte und spielte. Genauso Giulia Gwinn (20), ebenfalls Nationalsp­ielerin und aktuell beim FC Bayern, trainierte in ihren jungen Jahren in Jungenmann­schaften – unter anderem beim VfB Friedrichs­hafen. In Württember­g trifft das auf derzeit 700 Mädchen zu, die damit den reinen Mädchenman­nschaften verloren gehen. „Dafür bleiben sie aber den späteren Frauenmann­schaften erhalten,“erklärt Angelika Fioranelli-Peterssohn, Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Frauen- und Mädchenspo­rt beim WFV.

Derzeit ist der TSV Tettnang noch gut aufgestell­t mit zwei Frauenmann­schaften und je zwei C- und BMädchenma­nnschaften. „Dafür muss man viel tun. Von alleine gelingt das nicht“, sagt Karin RaschBoos, Frauen- und Mädchenbea­uftragte beim TSV Tettnang. „Wir gehen in die Schulen oder inserieren in Zeitungen und bieten Schnupperk­urse für Mädchen an. Wir veranstalt­en Kinder-Fußball-Camps, zu denen wir zum Beispiel Gulia Gwinn einladen. Sie ist ganz hype bei den Mädchen.“

Dass man mehr tun muss, um Mädchen in den Verein zu bekommen, hat auch der Abteilungs­leiter Jochen Alfery vom SV Kressbronn gelernt: „Jungs gehen einfach mal in den Verein, weil sie Fußball spielen wollen. Sie kommen von selbst. Um die Mädchen muss man schon werben. Sie haben viel mehr Hobbys als die Jungs.“

Aber die Ursachenfo­rschung ist damit noch nicht beendet. Sogenannte regionale Leuchtturm-Vereine, die durch ihre gute Arbeit – nicht nur im Fußball – viele Mädchen anziehen und damit ein Vakuum in den umliegende­n Mädchenman­nschaften entstehen lassen, werden als Grund für die schlechten Zahlen genannt. Ein weiteres württember­gisches Problem sei die Abwanderun­g der prominente­n und erfolgreic­hen Spielerinn­en in die Bundesliga wie Melanie Leupolz, Giulia Gwinn oder Leonie Maier, die entweder zum FC Bayern oder wie im Fall Leonie Maier zum FC Arsenal gewechselt sind. „Das geht bei den Profi-Mädels gar nicht anders,“erklärt Karin RaschBoos vom TSV Tettnang. „Die Spielerinn­en müssen den Sport und eine Ausbildung unter einen Hut bekommen. Das ist in unserer Region kaum möglich.“

Aber damit fehle eben auch das leuchtende Vorbild für den Nachwuchs in der Region und der Ansporn aktiv zu werden. Aber eines ist auch klar: Gewinnt FußballDeu­tschland im Fernsehen, sorgt das – egal ob männlich oder weiblich – bei vielen bestimmt für mehr Interesse am Fußball.

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FOTO: HOTH Noch ist der TSV Tettnang (rechts) gut aufgestell­t. In anderen Vereinen sieht es weniger gut aus.

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