Unvorstellbare Zeiten und Lichtblicke
Die Bad Wurzacher Bürgermeisterin im Gespräch über Corona und den Haushaltsplan
BAD WURZACH - Die Stadt Bad Wurzach wird aller Voraussicht nach den Eltern die Kindergartengebühren für den Monat April erlassen. Das kündigt Bürgermeisterin Alexandra Scherer im Gespräch mit SZRedakteur Steffen Lang an. Darin sagt sie auch, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf den Hallenbadbau, die Arbeit in der Verwaltung und die absehbare Finanzlage der Stadt haben wird. Scherer spricht von „unvorstellbaren Zeiten“, sieht aber auch das Positive, das die Krise zu Tage treten lässt.
Frau Scherer, die wichtigste Frage in diesen Tagen: Wie geht es Ihnen?
Alexandra Scherer: Danke, mir persönlich geht es gut, ich bin gesund.
Wie viele Corona-Infizierte gibt es in Bad Wurzach derzeit?
Nach meiner Kenntnis, Stand Mittwochmorgen, vier Fälle. Dazu kommt eine zuletzt gestiegene Zahl an Menschen in Quarantäne und häuslicher Isolierung, die engen Kontakt mit infizierten Personen hatten. Darin befinden sich derzeit 19 Personen.
Wie kann die Stadt die von Schließungen betroffenen Einzelhändler unterstützen?
Materiell ist das nicht möglich, dafür gibt es die Hilfsprogramme von Bund und Land. Was wir tun wollen und werden, ist, die Bürger eindringlich zu bitten, jetzt nicht in den großen Onlineshops einzukaufen, sondern zu warten, bis unsere Geschäfte wieder öffnen können. Die Ware liegt ja in den Läden. Die vom HGV angebotenen Bad-Wurzach-Gutscheine können übrigens auf der bereits bestehenden Seite auch direkt bei einem der teilnehmenden Geschäfte bestellt werden. So kann man ganz konkret seinem Lieblings-Unternehmen jetzt etwas Gutes tun und damit auch zeigen, dass man die örtlichen Geschäfte unterstützt. So ein Gutschein könnte auch ein schönes Oster-Geschenk sein.
In Leutkirch und Isny sammelt die Stadtverwaltung Angebote der ansässigen Einzelhändler, wie Onlineshops oder Lieferservices. Ist das auch für Bad Wurzach angedacht?
Auch dazu sind wir mit dem HGV im Gespräch, der gerade prüft, ob auch wir so eine Liste erstellen können. Wir werden das unterstützen und auf den uns zur Verfügung stehenden Kanälen auch bewerben.
Bereits gestartet ist die Initiative „Wurzach bringt’s“, die Menschen der Risikogruppen anbietet, für sie einzukaufen ...
Auch diese tolle Idee unterstützen wir, wo wir können. Wir wollen versuchen, diese und andere Initiativen zusammenzubringen, und rufen dazu auf, sie auch zu nutzen. Ich freue mich wirklich sehr über die vielen guten Ideen in Bad Wurzach.
Was kann die Stadt tun, um Bürgerinnen und Bürger auch finanziell zu entlasten? Manche Kommunen erlassen zum Beispiel Eltern die Kindergartengebühren.
In der Tat haben wir das auch schon besprochen. Es gilt der Grundsatz: Keine Gebühr ohne Leistung, und diese Leistung können wir derzeit nicht erbringen, auch wenn wir das nicht selber verschuldet haben. Wir wollen deswegen, und um die finanziellen Schwierigkeiten bei vielen Eltern abzumildern, für den April keine Kindergartengebühren verlangen. Dazu sind nur noch technische Fragen zu klären. Und wir wollen uns dazu auf Kreisebene mit den anderen Kommunen sowie der Kirche als Träger der kirchlichen Kindergärten absprechen. Ich fände es nicht gut, wenn da ein Flickenteppich entsteht.
Wie läuft die Arbeit in der Verwaltung?
Sie ist einsatzbereit und handlungsfähig. Es gab in den vergangenen Tagen viel zu regeln, aber nun haben wir, Gott sei Dank, endlich zentrale Verordnungen. Dass jede Kommune und jeder Landkreis selber überlegen musste, was man noch erlaubt und was verbietet, das war nicht gut.
Nun müssen wir sehen, wie wir diese Festlegungen umsetzen. Das ist sehr aufwendig. Vor allem das Ordnungsamt ist damit völlig ausgelastet.
Wie hat sich die Stadtverwaltung organisiert?
Wir sind gut aufgestellt. Viele arbeiten jetzt im Homeoffice. Da sind wir dank der Voraussicht unserer EDVAbteilung bereits so gut ausgestattet gewesen, dass diese Umstellung gut klappt.
Wie halten sie untereinander Kontakt?
Es wird sehr viel telefoniert, und bei Dingen, die ausführlicher dargelegt werden müssen, werden E-Mails verschickt. Wir haben auch die Möglichkeit, Telefonkonferenzen abzuhalten, auch mit den Mitarbeitern im Homeoffice. Prinzipiell sind auch persönliche Zweier-Gespräche möglich, aber wir versuchen, das auf das Allernötigste zu beschränken.
Kommen noch viele Bürger mit ihren Anliegen?
Ja, Bürger haben natürlich Dinge zu regeln. Wer aufs Rathaus will, muss vorher bei uns anrufen. Dann versuchen wir, möglichst viel auf elektronischem Weg zu erledigen. Und wer zum Beispiel wegen einer Unterschrift trotzdem zu uns kommen muss, erhält einen Termin. Diese Termine legen wir dann in einem so großen zeitlichen Abstand voneinander, dass es im Rathaus keine unnötigen Begegnungen gibt.
Welche anderen Vorsichtsmaßnahmen haben Sie noch getroffen?
In neuralgischen Bereichen haben wir einen Schichtdienst eingeführt. Es wurden zwei Teams gebildet, die sich nie begegnen, damit im Notfall wenigstens eines weiterarbeiten kann.
Das betrifft zum Beispiel die Kläranlage und den Bauhof, aber auch die Stadtkasse, denn wir müssen ja zum Beispiel weiterhin Rechnungen bezahlen. Homeoffice-Mitarbeiter holen erst abends, wenn alle schon im Feierabend sind, Unterlagen, die sie benötigen.
So bleiben wir handlungsfähig und stellen sicher, dass das öffentliche Leben weitgehend aufrecht erhalten wird. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ziehen dabei alle hervorragend mit. Wir haben eine tolle Verwaltung, das zeigt sich in Zeiten wie jetzt ganz besonders.
In anderen Betrieben werden jetzt Überstunden und freie Tage abgebaut. Auch im Rathaus?
Ja, auch das gibt es. Wo es möglich ist, werden Überstunden oder alter Urlaub genommen.
Und die Erzieherinnen in den geschlossenen Kindergärten?
Noch sind alle beschäftigt, mit pädagogischen Tagen, Besprechungen, Planungen und mit Teilen des sonst im Sommer üblichen Großputzes; beziehungsweise werden auch in diesem Bereich Überstunden und Alturlaubstage abgebaut.
Kann denn eigentlich der Hallenbadbau fortgesetzt werden?
Prinzipiell schon, Handwerker dürfen ja weiterhin arbeiten. Aber es wird zunehmend zum Problem, dass Materialien aus dem Ausland oder sogar Firmen und deren Mitarbeiter aus dem Ausland eingeplant sind. Das kommt jetzt gerade auf uns zu. Kann eine Firma nicht arbeiten, gerät der Ablaufplan durcheinander.
Durcheinander dürfte, gelinde ausgedrückt, auch der Haushaltsplan 2020 der Stadt sein ...
Ja, der Etat mit einem gerade so ausgeglichenen Ergebnis wird vermutlich nicht einzuhalten sein. Noch liegen uns keine Zahlen vor, aber vor allem ausbleibende Gewerbesteuereinnahmen unserer Betriebe werden wohl im Sommer und Herbst voll durchschlagen. 2020 und mindestens 2021 werden wahrscheinlich schwierige Jahre werden. Wir erleben zuvor unvorstellbare Zeiten.
Haben Sie gedanklich schon den Rotstift bei der Investitionsliste angesetzt?
Bereits vergebene Aufträge können wir nicht mehr zurücknehmen. Wir müssen aber alle noch nicht angefangenen Maßnahmen überprüfen, ob sie zwingend gemacht werden müssen. Das werden wir umsetzen, sobald belastbare Zahlen über Einnahmeausfälle vorliegen.
Hart trifft es auch den Kurbetrieb. Er wurde jetzt geschlossen, die Belegschaft ist in Kurzarbeit. Aus drei Monaten Teilschließung des Kurhotels werden nun wohl mindestens sieben Monate Komplettschließung aller Bereiche.
Hier wird es in der Tat sehr, sehr schwierig. Es gibt keine Einnahmen mehr, aber trotz Kurzarbeit viele laufende Ausgaben. Das wird uns massiv beschäftigen und sehr viel Geld kosten. Ich bin froh, dass wir mit Markus Beck einen Mann an der Spitze haben, der über viel Erfahrung verfügt, auch in Krisen. Ich hätte ihm bessere Zeiten zum Start gewünscht. Wir hoffen nun auf Unterstützung vom Bund. Der hat gerade ein umfangreiches Hilfsprogramm für die Krankenhäuser beschlossen und darf nun die Reha-Einrichtungen nicht vergessen. Wir sind da mit unserer Spezialisierung auf vorbeugende Rehabilitation, die sich in besonderem Maß auch an Selbstzahlern ohne ärztliche Verordnungen ausrichtet, besonders betroffen. Hier erwarten wir Lösungen, mit denen Kommunen wie Bad Wurzach geholfen werden kann, das aufzufangen.
Die telefonische Erreichbarkeit der Stadtverwaltung: Telefon 07564 / 3020; täglich von 8 bis 12 Uhr, montags bis mittwochs zusätzlich von 14 bis 16 Uhr und donnerstags zusätzlich von 14 bis 17 Uhr. Den Bad-Wurzach-Gutschein gibt’s online unter www.badwurzach-gutschein.de Alles zur Lage im Landkreis Ravensburg: www.schwaebische.de/ corona-kreisrv
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