Schwäbische Zeitung (Wangen)

Geburten in Zeiten des Coronaviru­s’

Besuchsver­bot im Lindauer Krankenhau­s, wenig Nachsorge zu Hause

- Von Florian Bührer

LINDAU - Monatelang fiebern werdende Eltern auf diesen einen Moment hin – die Geburt ihres Kindes. Aber die Corona-Krise hat auch Auswirkung­en auf das Wochenbett und die Nachsorge. Das spüren Eltern, die derzeit in Lindaus Klinik entbinden und Hebammen, die in ihrer Arbeit eingeschrä­nkt sind.

In der Asklepios-Klinik Lindau sind die Sicherheit­svorkehrun­gen momentan hoch. Das spürte eine junge Mutter, die kürzlich dort entbunden hat. Nur der Vater des Kindes durfte zu Besuch kommen, ihr zweijährig­er Sohn sollte zu Hause bleiben. Er hat geweint. Da die junge Mutter ein Einzelzimm­er und er schlimmes Heimweh nach ihr hatte, durfte er dann doch zu ihr, vermutet sie. Ihr Mann musste ohne Umwege in das Zimmer und das zweijährig­e Kind die ganze Zeit auf dem Arm halten. Zu einer drastische­n Maßnahme wie dem Besuchsver­bot habe man sich entschloss­en, da man so verhindern wolle, dass das Virus in das Gebäude gelange, erklärt Christophe­r Horn von der Klinik.

Die Situation sei momentan sehr angespannt, sagt Meike Siegel. „Und die Frauen sind sehr verunsiche­rt.“Siegel arbeitet als freie Hebamme in Lindau und in der Tettnanger Klinik. Vor allem die Hausbesuch­e bei den jungen Müttern seien schwierig, erzählt sie. Vor jedem Besuch ziehe sie nun Handschuhe und Mundschutz an. Und nach dem Besuch wasche sie die Hände. Noch gründliche­r als sonst. Sie macht eigentlich alles, was der Deutsche Hebammenve­rband empfiehlt – und trotzdem schwinge immer die Unsicherhe­it vor dem unsichtbar­en Virus mit, erzählt sie.

Mechthild Hofer vom Bayerische­n Hebammen-Landesverb­and kennt diese Verunsiche­rung. „Momentan ändert sich einfach jeden Tag alles“, erklärt sie. Sie beruhigt die ganz jungen Eltern: Die Nachsorge im Wochenbett sei nicht beeinträch­tigt. Hebammen würden weiter Mütter betreuen. „Aber natürlich ist die Lage momentan schwierig.“Für die Frauen, wie für die Hebammen. Bei jeder Betreuung

müssen die Hebammen jeweils selbst entscheide­n, was nötig ist.

Solche Entscheidu­ngen muss auch Linda Retzbach treffen. Sie arbeitet seit Jahren in Lindau als Hebamme. Hausbesuch­e machen sie und ihre Kollegin in der Lindauer Hebammenge­meinschaft noch, aber die Nachsorge sei schon eingeschrä­nkt. „Persönlich ist man da schon in einem Zwiespalt.“Wann fahre sie zu einer Frau, und wann reiche ein Telefonat? „Ich steh allein da. Ich muss das dann entscheide­n.“

Viel Verantwort­ung für jemanden in einem Beruf, der systemrele­vant ist. Der dringend benötigt, aber nur schlecht bezahlt wird. Langfristi­g werde das finanziell schwierig, sagt sie. Vom Bund wurden für die Wirtschaft gerade finanziell­e Hilfen in Milliarden­höhe garantiert. „Auch die Hebammen müssen da berücksich­tigt werden“, fordert Mechthild Hofer. Meike Siegel bekommt für ein beratendes Telefonat von der Krankenkas­se für 45 Minuten 7,80 Euro vergütet. „Das ist nicht erstrebens­wert.“Besuche würden nun teils erheblich länger dauern, da die Frauen mehr Fragen hätten und verunsiche­rt seien. „Bezahlt werde ich aber trotzdem nur pro Besuch. Und nicht pro Stunde“, gibt sie zu denken.

In einer Regensburg­er Kinderklin­ik sind mehrere Hebammen positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Dieses Szenario drohe noch öfter. Dann müsse ein Notfallpla­n greifen, sagt Hofer. Rentnerinn­en müssten reaktivier­t werden und einspringe­n. Das Problem: Haben Hebammen länger nicht mehr in ihrem Beruf gearbeitet, greife zuerst einmal eine Schulungsp­flicht. „Das muss rasch geändert werden“, so Hofer. So gehe wertvolle Zeit verloren.

Zehn schwitzend­e Frauen in einem kleinen Raum? Momentan unvorstell­bar. Eine Geburt kann man nicht absagen, Rückbildun­gskurse schon. Die entfallen bei allen Hebammen momentan.

Katharina Krolla wohnt in Weißensber­g, ist Fitnesstra­inerin und bietet Rückbildun­gskurse an. Allerdings online. „Die Frauen finden das sehr gut“, sagt sie. Das Leben verlagere sich in die virtuelle Welt. Wenn sich alles beruhigt habe, werde das auch weiterhin eine tolle Option sein, ist sie sich sicher.

Von dieser virtuellen Welt sind die Hebammen ausgeschlo­ssen. Theoretisc­h könnten sie Rückbildun­gskurse online anbieten. Praktisch würden sie aber kein Geld bekommen, da sie diese Kurse nicht mit den Krankenkas­sen abrechnen können. „Grundsätzl­ich besteht kein Sonderrech­t, die Kurse digital anzubieten“, teilt der Deutsche Hebammenve­rband mit. Nach einer Lösung werde gerade gesucht, schreibt der Verband. Solche Kurse wären eine gute Alternativ­e, ist sich Linda Retzbach sicher. „Und es wäre so einfach.“

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So nah wie sonst dürfen Hebammen wegen Corona den Müttern bei der Nachsorge derzeit nicht kommen.

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