Geburten in Zeiten des Coronavirus’
Besuchsverbot im Lindauer Krankenhaus, wenig Nachsorge zu Hause
LINDAU - Monatelang fiebern werdende Eltern auf diesen einen Moment hin – die Geburt ihres Kindes. Aber die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf das Wochenbett und die Nachsorge. Das spüren Eltern, die derzeit in Lindaus Klinik entbinden und Hebammen, die in ihrer Arbeit eingeschränkt sind.
In der Asklepios-Klinik Lindau sind die Sicherheitsvorkehrungen momentan hoch. Das spürte eine junge Mutter, die kürzlich dort entbunden hat. Nur der Vater des Kindes durfte zu Besuch kommen, ihr zweijähriger Sohn sollte zu Hause bleiben. Er hat geweint. Da die junge Mutter ein Einzelzimmer und er schlimmes Heimweh nach ihr hatte, durfte er dann doch zu ihr, vermutet sie. Ihr Mann musste ohne Umwege in das Zimmer und das zweijährige Kind die ganze Zeit auf dem Arm halten. Zu einer drastischen Maßnahme wie dem Besuchsverbot habe man sich entschlossen, da man so verhindern wolle, dass das Virus in das Gebäude gelange, erklärt Christopher Horn von der Klinik.
Die Situation sei momentan sehr angespannt, sagt Meike Siegel. „Und die Frauen sind sehr verunsichert.“Siegel arbeitet als freie Hebamme in Lindau und in der Tettnanger Klinik. Vor allem die Hausbesuche bei den jungen Müttern seien schwierig, erzählt sie. Vor jedem Besuch ziehe sie nun Handschuhe und Mundschutz an. Und nach dem Besuch wasche sie die Hände. Noch gründlicher als sonst. Sie macht eigentlich alles, was der Deutsche Hebammenverband empfiehlt – und trotzdem schwinge immer die Unsicherheit vor dem unsichtbaren Virus mit, erzählt sie.
Mechthild Hofer vom Bayerischen Hebammen-Landesverband kennt diese Verunsicherung. „Momentan ändert sich einfach jeden Tag alles“, erklärt sie. Sie beruhigt die ganz jungen Eltern: Die Nachsorge im Wochenbett sei nicht beeinträchtigt. Hebammen würden weiter Mütter betreuen. „Aber natürlich ist die Lage momentan schwierig.“Für die Frauen, wie für die Hebammen. Bei jeder Betreuung
müssen die Hebammen jeweils selbst entscheiden, was nötig ist.
Solche Entscheidungen muss auch Linda Retzbach treffen. Sie arbeitet seit Jahren in Lindau als Hebamme. Hausbesuche machen sie und ihre Kollegin in der Lindauer Hebammengemeinschaft noch, aber die Nachsorge sei schon eingeschränkt. „Persönlich ist man da schon in einem Zwiespalt.“Wann fahre sie zu einer Frau, und wann reiche ein Telefonat? „Ich steh allein da. Ich muss das dann entscheiden.“
Viel Verantwortung für jemanden in einem Beruf, der systemrelevant ist. Der dringend benötigt, aber nur schlecht bezahlt wird. Langfristig werde das finanziell schwierig, sagt sie. Vom Bund wurden für die Wirtschaft gerade finanzielle Hilfen in Milliardenhöhe garantiert. „Auch die Hebammen müssen da berücksichtigt werden“, fordert Mechthild Hofer. Meike Siegel bekommt für ein beratendes Telefonat von der Krankenkasse für 45 Minuten 7,80 Euro vergütet. „Das ist nicht erstrebenswert.“Besuche würden nun teils erheblich länger dauern, da die Frauen mehr Fragen hätten und verunsichert seien. „Bezahlt werde ich aber trotzdem nur pro Besuch. Und nicht pro Stunde“, gibt sie zu denken.
In einer Regensburger Kinderklinik sind mehrere Hebammen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Dieses Szenario drohe noch öfter. Dann müsse ein Notfallplan greifen, sagt Hofer. Rentnerinnen müssten reaktiviert werden und einspringen. Das Problem: Haben Hebammen länger nicht mehr in ihrem Beruf gearbeitet, greife zuerst einmal eine Schulungspflicht. „Das muss rasch geändert werden“, so Hofer. So gehe wertvolle Zeit verloren.
Zehn schwitzende Frauen in einem kleinen Raum? Momentan unvorstellbar. Eine Geburt kann man nicht absagen, Rückbildungskurse schon. Die entfallen bei allen Hebammen momentan.
Katharina Krolla wohnt in Weißensberg, ist Fitnesstrainerin und bietet Rückbildungskurse an. Allerdings online. „Die Frauen finden das sehr gut“, sagt sie. Das Leben verlagere sich in die virtuelle Welt. Wenn sich alles beruhigt habe, werde das auch weiterhin eine tolle Option sein, ist sie sich sicher.
Von dieser virtuellen Welt sind die Hebammen ausgeschlossen. Theoretisch könnten sie Rückbildungskurse online anbieten. Praktisch würden sie aber kein Geld bekommen, da sie diese Kurse nicht mit den Krankenkassen abrechnen können. „Grundsätzlich besteht kein Sonderrecht, die Kurse digital anzubieten“, teilt der Deutsche Hebammenverband mit. Nach einer Lösung werde gerade gesucht, schreibt der Verband. Solche Kurse wären eine gute Alternative, ist sich Linda Retzbach sicher. „Und es wäre so einfach.“