Spahn hält Corona-Pandemie für „beherrschbar“
Minister zieht positive Bilanz – Krankenhäuser sollen von Mai an Betten füllen – Debatte um Maskenpflicht
BERLIN - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat eine positive Zwischenbilanz des Kampfes gegen das Coronavirus in Deutschland gezogen. „Der Ausbruch ist, Stand heute, wieder beherrschbar und beherrschbarer geworden“, sagte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin. Die „Vollbremsung“im öffentlichen Leben habe der Ausbreitung die Dynamik genommen. Gleichwohl warnt die Regierung vor vorzeitigen Lockerungen. Die Fortschritte seien „zerbrechlich“, warnte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag. „Wir sind nicht auf sicherem Grund.“
Welche Erfolge sieht Spahn?
Aus dem exponentiellen Wachstum bei den Infektionen Mitte März ist Mitte April ein lineares geworden. Die Basisreproduktionszahl (R0) ist laut Robert-Koch-Institut (RKI) auf 0,7 gesunken. Das heißt, rechnerisch steckt ein Erkrankter in Deutschland nur noch 0,7 andere Menschen an. Bei einem Wert von größer als 1 breitet sich die Krankheit weiter aus, das scheint gestoppt. Obendrein sind die derzeit 40 000 Intensivbetten in den deutschen Krankenhäusern weiterhin nicht ausgelastet. „Das Gesundheitssystem war zu keiner Zeit überfordert“, sagte Spahn. Deutschland schneide international gut ab, das mache de-, aber nicht übermütig. „Wir haben eine gute Chance, gut durch die Epidemie zu kommen“, sagte er.
Wie sind die Zahlen?
Bis Freitagvormittag waren in Deutschland mehr als 134 400 Infektionen registriert. Mindestens 3827 Menschen starben an oder mit dem Virus, täglich nimmt derzeit die Zahl der Verstorbenen zu. Etwa 81 000 Menschen in Deutschland gelten als geheilt. Wie hoch die Dunkelziffer ist, ist aber offen. Sechs von sieben Corona-Patienten werden den Zahlen zufolge ambulant behandelt. Von den Patienten auf den Intensivstationen sterben demnach etwa 30 Prozent.
Sollen die Kliniken umsteuern?
Ja, da etwa 10 000 Intensivbetten derzeit leer sind, sollen ab Mai bisher verschobene Operationen wieder aufgenommen werden, um die Quote der belegten Betten langsam zu erhöhen. Spahn sprach von einer „neuen Normalität“im Krankenhausbetrieb. Da die Kliniken seit Donnerstag ihre freien Intensivbetten bundesweit melden müssen, hofft er auf eine genauere Steuerung. Frei sind Betten auch, weil andere Patienten fehlen: So ist die Zahl derer, die mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Notaufnahme kommen, bundesweit um etwa 40 Prozent eingebrochen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fürchtet, dass Menschen mit leichten Symptomen derzeit die Kliniken meiden.
Gibt es Tests und Masken?
Die Testkapazität in Deutschland ist auf 700 000 pro Woche gestiegen, ausgeschöpft wird diese aktuell nicht mehr. Die PGR-Tests sollen künftig zielgerichteter sein, so sollen auch Altenheimbewohner öfter überprüft werden. Bei den professionellen Masken sieht Spahn Deutschland auf gutem Weg: So seien Millionenbestellungen aus China auf dem Weg, zudem haben etwa 50 hiesige Unternehmen die Genehmigung erhalten, ab Mitte August ebenfalls professionelle Masken herzustellen. Wie es um die Versorgung der Deutschen mit sogenannten Alltagsmasken steht, weiß die Regierung nicht.
Kommt eine Maskenpflicht?
Spahn verteidigte das Mittwochabend verkündete nicht verpflichtende Maskengebot beim Einkaufen oder in Bus und Bahn. „Mein Eindruck
ist, dass die meisten Bürger sehr verantwortlich damit umgehen“, sagte der Minister. Nun gelte es abzuwarten. Am gleichen Tag preschte Sachsen mit einer Pflicht vor: Ab Montag ist dort die Mundund Nasenbedeckung beim Einkauf und im öffentlichen Nahverkehr verbindlich. Anlass sind die Erfahrungen aus dem thüringischen Jena: Die Stadt hatte vor etwa zwei Wochen eine Mundschutzpflicht eingeführt – und verzeichnet seit mehreren Tagen keine Neuinfektion mehr.
Gibt es bald Medikamente und Impfstoffe?
Zumindest wird daran geforscht. Es laufen derzeit unter anderem Medikamenten-Tests mit den Wirkstoffen Remdesivir und Chloroquin. Nach weltweit mehreren Todesfällen wegen unkontrollierter Einnahme und bei einer Chloroquin-Studie in Brasilien betonte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dass man zwar schnell prüfe, aber keine Standards absenke. Dasselbe gelte für Masken. Weltweit laufen nach Angaben des Instituts 50 bis 60 Impfstoffprojekte, vier davon sind bereits in der klinischen Prüfung. In Kürze sollen die ersten klinischen Tests auch in Deutschland starten.
Wann kommt die Corona-App?
Wohl nicht so schnell wie zunächst gedacht: Es dauere wohl „eher vier als zwei Wochen“, bis alle Anforderungen erfüllt seien, sagte Spahn.
Gibt es neue Erleichterungen?
Bei der Frage nach einer Erlaubnis von Gottesdiensten und Museumsbesuchen verweist die Bundesregierung auf die nächste Bund-LänderKonferenz am 30. April. In Sachen Gottesdiensten wolle man ein bundesweit möglichst einheitliches Vorgehen, sagte ein Sprecher von Innenminister Horst Seehofer.