Weingartener Arzt hilft afrikanischen „Feuerkindern“
Frauenarzt Thomas Dengg engagiert sich mit Ärzteteam des „Hammer-Forums“bei humanitärem Einsatz in Tansania
WEINGARTEN - Der Weingartener Frauenarzt Thomas Dengg hat im Februar erstmals als Mitglied im Ärzteteam des „Hammer-Forums“einen humanitären Einsatz begleitet. Gemeinsam mit seiner Frau Doris flog er ins 11 000 Kilometer entfernte Dorf Ifunda in Tansania – ein Krisengebiet, was die medizinische Versorgung betrifft.
Zwei Wochen pro Jahr operieren dort im Health-Center der Missionsstation Ärzte der Fachrichtungen Kinderchirurgie, Kinderorthopädie, Plastische Chirurgie, Gynäkologie und Anästhesie mit einem OP-Team unentgeltlich Kinder. Zu ihnen kommen junge Patienten mit schwersten Skelett-Fehlbildungen und Brandverletzungen sowie diversen chirurgischen Erkrankungen wie Nabel- und Leistenbrüche, Abszesse und mehr. Kinder, deren Familien sich keine medizinische Behandlung leisten könnten.
Einer der kleinen Patienten war John, dessen rechte Körperhälfte vollständig von offenen Brandwunden bedeckt ist. Er ist ein sogenanntes Feuerkind. Im Oktober 2019 war der Achtjährige in die offene Feuerstelle der Wohnhütte gefallen, in der er mit seiner Familie lebt. Fast ein halbes Jahr hat er mit diesen offenen Verbrennungswunden überlebt. Und das in einer Wellblechhütte ohne fließendes Wasser und ohne medizinische Versorgung irgendwo in Tansania.
Dass der Junge diese Verletzungen überhaupt so lange überlebt hat, grenze an ein Wunder, wie Doris Dengg erzählt: „Die Ärzte des Hammer-Forums haben gesagt, dass er die Verbrennungen hierzulande wahrscheinlich gar nicht überlebt hätte. Aber diese Kinder haben solche Widerstandskräfte, das können wir uns gar nicht vorstellen.“
Erst im Februar, fast ein halbes Jahr später, konnte John im Rahmen dieses humanitären Einsatzes operiert werden. Sein rechter Arm, der unterhalb der Achsel durch die offenen Wunden bereits mit seinem Oberkörper verwachsen war, wurde gelöst und die massiven Verbrennungen mit sogenannter Spalthaut und Vollhauttransplantaten versorgt. Fälle dieser Art gebe es unendlich viele, wie Denggs erklären. John war nur eines von rund 100 Kindern, denen die sieben Ärzte mit Team im Rahmen des Hilfsprojektes helfen konnten. Insgesamt konnten die Ärzte rund 360 Patienten in der Sprechstunde untersuchen.
Dass die Blitzenreuter in vorderster Reihe mit dabei waren, verdanken sie dem Hilfsprojekt „Klumpfuss-Feuerkinder“, das Monika und Horst Blaser aus Bad Waldsee vor mehr als 20 Jahren ins Leben gerufen haben. Gemeinsam mit dem Verein „Hammer-Forum“ermöglicht die Initiative die kostenlose medizinische Versorgung in der Missionsstation Ifunda der Diözesse Iringa.
Um den Kindern eine medizinische Behandlung zu ermöglichen, nehmen die Familien dabei große, finanzielle Kraftanstrengungen auf sich, wie Doris Dengg erklärt: „Teilweise reisen die Mütter mit ihren kranken Kindern mehrere Tage lang zu Fuß und mit Bus bis zu 700 Kilometer weit an, um dann geduldig darauf zu warten, dass ihnen geholfen wird.“Doch die Kapazitäten seien begrenzt. Bereits am Ende des ersten Einsatztages sei der OP-Plan für die zwei Wochen ausgeschöpft gewesen. Für Doris Dengg, die sich vor allem um die Organisation im Vorfeld der Operationen um die Kinder samt Familien gekümmert hat, war es auch eine emotionale Ausnahmesituation: „Das Schlimmste für mich war, am Abend zu sehen, dass da immer noch Hunderte Menschen vor der Tür sitzen. Menschen, denen man nicht helfen kann.“
Auch für Thomas Dengg, der in Weingarten als niedergelassener Gynäkologe praktiziert und darüber hinaus als Facharzt in der Frauenklinik der Oberschwabenklinik (OSK) tätig ist, war der Einsatz nicht nur fachlich eine Herausforderung. Bereits 2017, als die Frauenklinik der OSK in den Neubau des Mutter-Kind-Zentrums umgezogen ist, wurde ein Großteil der nicht mehr benötigten medizinischen Ausstattung und Mobiliar der Hilfsorganisation „Klumpfuss-Feuerkinder“gespendet und in Containern nach Tansania verschifft.
Dennoch mangelt es an vielem, wie er erklärt. Das nur begrenzt vorhandene medizinische Material im Health-Center in Ifunda sei das Eine. Denn trotz inzwischen solider Ausstattung müssten die Ärzte viel improvisieren: „Man operiert mit Stirnlampen. Dazu hat man zigmal am Tag einen Stromausfall.“Und seine Frau ergänzt: „Doch man funktioniert einfach und man wundert sich dann doch, wie viel man aushalten kann, wenn es drauf ankommt.“
Aber auch den Alltag beschreibt Thomas Dengg als außergewöhnlich. Untergebracht sei das Team in einfachen Zimmern im Pfarrhaus der Mission gewesen. Nach dem Frühstück seien alle ins Health-Center gegangen, um die operierten Patienten zu visitieren, die Kinder auf die anstehenden Operationen vorzubereiten und die dafür erforderlichen Aids-Tests durchzuführen. Knapp sechs Prozent der Bevölkerung in Tansania sind HIV-positiv.
Zwischen zehn und zwölf Stunden habe das Team täglich in zwei OP-Sälen operiert. Dementsprechend erschöpft seien sie abends ins Pfarrhaus zurückgekehrt. Doch auch dort habe man manches Mal improvisieren müssen. Thomas Dengg: „Wenn es Wasser gab, war es gut. Wenn das Wasser auch noch warm war, war es noch besser.“
Doch auch in emotionaler Hinsicht habe der Einsatz ihn tief berührt, wie er erzählt. Vor allem den Kindern mit Skelett-Fehlbildungen wie Klumpfüßen oder O- und X-Beinen könne man durch die Operationen zu einem nahezu normalen Leben verhelfen. Die Verbrennungskinder hingegen würden auch danach nur selten ein normales Leben führen können. Thomas Dengg: „Aber man kann ihnen wenigstens insofern helfen, dass sie ihre Hände wieder benutzen, den Arm wieder bewegen oder laufen können.“
Neben der praktischen Arbeit hatte der Gynäkologe bei seinem Einsatz auch viele organisatorische Vorarbeiten zu leisten. Im Mai dieses Jahres wird in der Mission ein „Female-Ward“fertiggestellt, eine Frauenklinik. In diese wird nicht nur die Geburtenstation aus dem jetzigen Health-Center umziehen, auch gynäkologische Eingriffe sollen durchgeführt werden. Zudem möchte das Team die Geburtshilfe ausbauen und an einen europäischen Standard annähern. Wie Thomas Dengg erklärt, eine wichtige Aufgabe: „Viele geistigen und körperlichen Behinderungen haben ihre Ursache in geburtshilflichem Sauerstoffmangel aufgrund einer mangelhaften medizinischen Überwachung. Das kann durch Maßnahmen wie Saugglocke und Kaiserschnitt verhindert werden.“
Für ihn und seine Frau steht bereits jetzt fest: Auch nächstes Jahr werden sie wieder gemeinsam nach Tansania reisen. Es sei zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, doch beide wollen sich weiter in Ifunda engagieren. Doris Dengg: „Das Mindeste ist, dass wir aus unserem Leben etwas zurück geben können.“
Das Hilfsprojekt „Klumpfuss – Feuerkinder“wurde 1998 von dem Bad Waldseer Ehepaar Monika und Horst Blaser ins Leben gerufen. Ziel des Projektes ist der Ausbau der medizinischen Infrastruktur im Health Center der Missionsstation in der Gemeinde Ifunda. Dort führen sie gemeinsam mit den Ärzten der Hilfsorganisation „Hammer-Forum“medizinische Behandlungen sowie sonstige Aktivitäten für hilfsbedürftige Menschen durch. Anhand der Spenden wird den Menschen vor Ort zudem die Ausbildung zur Krankenschwester und Hebamme und auch zum Medizinstudium ermöglicht. Zusätzlich wurde eine Schule eingerichtet, in der schulpflichtige Kinder aus armen, kinderreichen Familien kostenlos unterrichtet werden. Informationen über das Projekt gibt es online unter www.klumpfussfeuerkinder.de Informationen zum „Hammer-Forum“finden sich unter www.hammer-forum.de (cast)