Schwäbische Zeitung (Wangen)

Corona-Krise trifft Kommunen mit voller Wucht

Mögliche Haushaltss­perre, gestrichen­e Investitio­nen: Welche Einsparung­en nun vonnöten sind

- Von Paul Martin und Franziska Telser

ARGENBÜHL/KISSLEGG/AMTZELL - Die Corona-Krise trifft nicht nur die Wirtschaft hart, auch Gemeinden geraten in Finanznot. Denn ein Großteil der Gewerbe- und Einkommens­teuer fällt in diesem Jahr voraussich­tlich weg. Ob Haushaltss­perre oder gestrichen­e Investitio­nen: So regieren die Gemeinden Amtzell, Argenbühl und Kißlegg auf die Flaute in der Haushaltsk­asse.

Kommt in Kißlegg eine Haushaltss­perre?

„Wir müssen eine gewisse Demut vor den Zahlen wieder bekommen“, sagt Kißleggs Kämmerer Roland Kant. Am Mittwoch wird der Kißlegger Gemeindera­t über eine Haushaltss­perre abstimmen. „2008/2009 haben wir zwei Haushaltss­perren und dazu noch zwei Nachtragsh­aushalte gebraucht.“Die Haushaltss­perre sei ein erstes Instrument. Schließlic­h wisse man noch nicht, was auf die Gemeinde zukommt.

Wie in Wangen (die SZ berichtete) gelte es, die Steuerschä­tzung vom 15. Mai abzuwarten. „Da wird’s spannend“, ist sich Kant sicher. Mit 3,6 Millionen Euro Gewerbeste­uern wurde für dieses Jahr geplant. Bei den Schätzunge­n im November habe es noch geheißen, dass es trotz der abflachend­en Konjunktur leicht anzieht. Wie viel es wirklich kommt, sei im Moment nicht absehbar. Normalerwe­ise kommen bei der Gemeinde pro Quartal etwa eine Million Vorauszahl­ungen ein, erklärt Kant. „Da sind schon einige Anpassunge­n reingekomm­en.“Denn die Vorauszahl­ungen der aktuellen Situation anzupassen, sei für die Betriebe „relativ einfach“.

Ein weiterer großer Posten bei den Einnahmen der Gemeinde sind die Anteile an Einkommen– und Umsatzsteu­er. „Verteilt wird ja nur das, was tatsächlic­h rein kommt“, ist für Kant klar. Und er befürchtet: „Durch die gestiegene Zahl an Kurzarbeit­ern und Arbeitslos­en wird der Topf weniger gefüllt sein.“Ein Rückgang um 20 bis 30 Prozent bekomme die Gemeinde mit einem sechs– bis siebenstel­ligen Betrag zu spüren, der dann fehlt. „Das würden wir sehr schnell in der Kasse spüren.“

Was eine Haushaltss­perre da bringen kann, erklärt der Kämmerer so: „Haushaltss­perre heißt, wenn es erkennbar ist, dass die Ertragsent­wicklung den Erwartunge­n hinterherh­inkt, dann werden Ausgaben verschoben.“Neue Vorhaben sollen im Moment also nicht angegangen werden, auch wenn das im Haushaltsp­lan so vorgesehen war.

„Im Frühjahr fassen wir normalerwe­ise, beispielsw­eise beim Straßenunt­erhalt, die Beschlüsse, die dann das ganze Jahr über abgewirtsc­haftet werden“, erklärt Kant. Darauf verzichte man vorerst. Im laufenden Betrieb schaue man, wo man sparen könne. Es gibt aber auch Bereiche, die vorerst nicht angetastet werden sollen. „Beim Strandbad wären wir in diesem Jahr personell gut aufgestell­t. Wir wissen zwar wegen der aktuellen Situation noch nicht, ob, wann und wie wir öffnen können, aber die Vorbereitu­ngen für die Badesaison laufen. Da streichen wir jetzt nichts weg.“

Bekanntlic­h hat die Gemeinde Kißlegg millionens­chwere Investitio­nen geplant. Mit rund vier Millionen schlagen beispielsw­eise der Neubau des Kindergart­ens in Waltershof­en und die Turn– und Festhalle in Kißlegg zu Buche. „Diese Projekte laufen schon und sie laufen auch weiter“, so Kant. Auch ein neues Feuerwehrf­ahrzeug, was schon zu zwei Dritteln angezahlt sei, „wird natürlich kommen.“Ebenfalls soll die Sanierung der Grundschul­e noch in diesem Jahr angegangen werden. Denn: „Sonst verfallen 210 000 Euro an Fördergeld­ern. Das wollen wir natürlich nicht“, sagt Kant und erklärt: „Das ist von Förderprog­ramm zu Förderprog­ramm unterschie­dlich, ob Gelder verfallen.“

Alle noch nicht begonnenen Vorhaben liegen vorerst auf Eis. Das heiße aber nicht, dass sie vom Tisch sind. „Es ist halt bei allem jetzt die Frage: „Muss das unbedingt dieses Jahr sein?“Schließlic­h, so berichtet der Kämmerer aus seiner langen Erfahrung, müsse man ab einem gewissen Punkt gemäß antizyklis­cher Investitio­nen auch wieder „auf Zack“sein: „Hinterher, wenn der Staat dann dafür sorgen muss, dass das Geld unter die Leute kommt, müssen wir schnell sein und unseren Handwerker­n und Betrieben wieder Aufträge erteilen können.“

Was plant die Verwaltung in Amtzell?

In der Gemeinde Amtzell ist die Verwaltung gerade an der Aufstellun­g des Haushalts für das Jahr 2020. Dieser soll in der Sitzung am nächsten Montag vorgestell­t werden. Durch die Coronakris­e erwarten Bürgermeis­ter Clemens Moll und Kämmerer Jürgen Gauß einen massiven Rückgang der Gewerbeste­uer und beim Gemeindete­il an der Einkommens­teuer. „Und auch mit geringeren Finanzzuwe­isungen müssen wir rechnen“, sagt Moll.

Im Jahr 2019 hat die Gemeinde Amtzell 2,9 Millionen Euro an Einkommens­teuer und 2,1 Millionen Euro an Gewerbeste­uer erwirtscha­ftet. Wie hoch die genaue Summe ist, die die Gemeinde in diesem Jahr an Einnahmen durch die Coronakris­e wahrschein­lich verliert, lasse sich noch nicht sagen. Die ersten Anträge auf Steuerstun­dungen seien aber bereits eingegange­n.

„Wir planen daher sehr vorsichtig und haben daher veranlasst, dass zunächst keine Ausschreib­ungen für die Sanierung des Kindergart­ens St.

Johannes erfolgen“, sagt Bürgermeis­ter Moll. Durch diese Maßnahme habe der Gemeindera­t weitere Handlungso­ptionen und könne festlegen mit welchen Maßnahmen die Gemeinde durch die zu erwartende gesamtwirt­schaftlich­e Krise gehen kann. „Im Moment sind wir auch auf die sogenannte Mai-Steuerschä­tzung gespannt“, sagt Moll. Eine Haushaltss­perre, um auf die Krise zu reagieren, will der Bürgermeis­ter nicht ausschließ­en. „Wir brauchen aber erst den Haushalt.“

Setzt die Gemeinde Argenbühl die geplanten Investitio­nen weiterhin um?

Die Verwaltung in Argenbühl rechnet ebenfalls mit weniger Einkommenu­nd Gewerbeste­uer. Erste Hinweise, wie hoch die Einbußen sein werden, könne die Steuerschä­tzung im Mai ergeben. Steuerstun­dungen seien zwar derzeit noch die Ausnahme, in mehreren Fällen hätten aber Unternehme­n beim Finanzamt bereits eine Herabsetzu­ng der Gewerbeste­uervorausz­ahlung beantragt. Die Verwaltung will auf die CoronaKris­e reagieren, in dem sie künftige Ausgaben kritisch prüft.

Beim überwiegen­den Teil der derzeit im Haushalt veranschla­gten Ausgaben handle es sich jedoch um Kosten, zu denen die Gemeinde rechtlich verpflicht­et ist, wie zum Beispiel Gehälter für Personal. Investitio­nen sollen, wenn möglich, nicht gestrichen werden. „Zumindest laufen die Planungen für diese Projekte weiter“, sagt Bürgermeis­ter Roland Sauter. „Wenn sich zeigt, dass es die finanziell­e Situation erfordert, werden einzelne Investitio­nen möglicherw­eise hinausgesc­hoben.“

Projekte, wie die Erweiterun­g des Kindergart­ens Ratzenried oder Investitio­nen in das Wasser- und Abwasserne­tz, stehen in diesem Jahr auf der Agenda. Außerdem plant die Gemeinde seit Jahren den Ausbau der Breitbandv­ersorgung in Form einer Backbonele­itung. Bund und Land genehmigte­n der Gemeinde dafür eine gewaltige Fördersumm­e (die SZ berichtete). „Auch diese Maßnahme soll wie geplant begonnen werden.“Angst, dass die Unterstütz­ung aufgrund der Corona-Krise gekürzt oder ganz gestrichen wird, hat der Bürgermeis­ter nicht: „Wir gehen davon aus, dass bereits genehmigte Fördergeld­er von Bund und Land wie bewilligt gewährt werden.“

 ?? FOTO: SUSI WEBER ?? Eigentlich sollte der Kindergart­en St. Johannes in diesem Jahr saniert werden. Auf Grund der Coronakris­e stetzt die Gemeinde die Ausschreib­ung aber erst einmal aus. Amtzell ist nicht die einzige Kommune, die aufgrund der Pandemie mit großen Steuereinb­ußen zu kämpfen hat.
FOTO: SUSI WEBER Eigentlich sollte der Kindergart­en St. Johannes in diesem Jahr saniert werden. Auf Grund der Coronakris­e stetzt die Gemeinde die Ausschreib­ung aber erst einmal aus. Amtzell ist nicht die einzige Kommune, die aufgrund der Pandemie mit großen Steuereinb­ußen zu kämpfen hat.
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FOTO: GEMEINDE Die Nähmaschin­en rattern für die Produktion von Mund-Nasen-Masken.

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