Corona-Krise trifft Kommunen mit voller Wucht
Mögliche Haushaltssperre, gestrichene Investitionen: Welche Einsparungen nun vonnöten sind
ARGENBÜHL/KISSLEGG/AMTZELL - Die Corona-Krise trifft nicht nur die Wirtschaft hart, auch Gemeinden geraten in Finanznot. Denn ein Großteil der Gewerbe- und Einkommensteuer fällt in diesem Jahr voraussichtlich weg. Ob Haushaltssperre oder gestrichene Investitionen: So regieren die Gemeinden Amtzell, Argenbühl und Kißlegg auf die Flaute in der Haushaltskasse.
Kommt in Kißlegg eine Haushaltssperre?
„Wir müssen eine gewisse Demut vor den Zahlen wieder bekommen“, sagt Kißleggs Kämmerer Roland Kant. Am Mittwoch wird der Kißlegger Gemeinderat über eine Haushaltssperre abstimmen. „2008/2009 haben wir zwei Haushaltssperren und dazu noch zwei Nachtragshaushalte gebraucht.“Die Haushaltssperre sei ein erstes Instrument. Schließlich wisse man noch nicht, was auf die Gemeinde zukommt.
Wie in Wangen (die SZ berichtete) gelte es, die Steuerschätzung vom 15. Mai abzuwarten. „Da wird’s spannend“, ist sich Kant sicher. Mit 3,6 Millionen Euro Gewerbesteuern wurde für dieses Jahr geplant. Bei den Schätzungen im November habe es noch geheißen, dass es trotz der abflachenden Konjunktur leicht anzieht. Wie viel es wirklich kommt, sei im Moment nicht absehbar. Normalerweise kommen bei der Gemeinde pro Quartal etwa eine Million Vorauszahlungen ein, erklärt Kant. „Da sind schon einige Anpassungen reingekommen.“Denn die Vorauszahlungen der aktuellen Situation anzupassen, sei für die Betriebe „relativ einfach“.
Ein weiterer großer Posten bei den Einnahmen der Gemeinde sind die Anteile an Einkommen– und Umsatzsteuer. „Verteilt wird ja nur das, was tatsächlich rein kommt“, ist für Kant klar. Und er befürchtet: „Durch die gestiegene Zahl an Kurzarbeitern und Arbeitslosen wird der Topf weniger gefüllt sein.“Ein Rückgang um 20 bis 30 Prozent bekomme die Gemeinde mit einem sechs– bis siebenstelligen Betrag zu spüren, der dann fehlt. „Das würden wir sehr schnell in der Kasse spüren.“
Was eine Haushaltssperre da bringen kann, erklärt der Kämmerer so: „Haushaltssperre heißt, wenn es erkennbar ist, dass die Ertragsentwicklung den Erwartungen hinterherhinkt, dann werden Ausgaben verschoben.“Neue Vorhaben sollen im Moment also nicht angegangen werden, auch wenn das im Haushaltsplan so vorgesehen war.
„Im Frühjahr fassen wir normalerweise, beispielsweise beim Straßenunterhalt, die Beschlüsse, die dann das ganze Jahr über abgewirtschaftet werden“, erklärt Kant. Darauf verzichte man vorerst. Im laufenden Betrieb schaue man, wo man sparen könne. Es gibt aber auch Bereiche, die vorerst nicht angetastet werden sollen. „Beim Strandbad wären wir in diesem Jahr personell gut aufgestellt. Wir wissen zwar wegen der aktuellen Situation noch nicht, ob, wann und wie wir öffnen können, aber die Vorbereitungen für die Badesaison laufen. Da streichen wir jetzt nichts weg.“
Bekanntlich hat die Gemeinde Kißlegg millionenschwere Investitionen geplant. Mit rund vier Millionen schlagen beispielsweise der Neubau des Kindergartens in Waltershofen und die Turn– und Festhalle in Kißlegg zu Buche. „Diese Projekte laufen schon und sie laufen auch weiter“, so Kant. Auch ein neues Feuerwehrfahrzeug, was schon zu zwei Dritteln angezahlt sei, „wird natürlich kommen.“Ebenfalls soll die Sanierung der Grundschule noch in diesem Jahr angegangen werden. Denn: „Sonst verfallen 210 000 Euro an Fördergeldern. Das wollen wir natürlich nicht“, sagt Kant und erklärt: „Das ist von Förderprogramm zu Förderprogramm unterschiedlich, ob Gelder verfallen.“
Alle noch nicht begonnenen Vorhaben liegen vorerst auf Eis. Das heiße aber nicht, dass sie vom Tisch sind. „Es ist halt bei allem jetzt die Frage: „Muss das unbedingt dieses Jahr sein?“Schließlich, so berichtet der Kämmerer aus seiner langen Erfahrung, müsse man ab einem gewissen Punkt gemäß antizyklischer Investitionen auch wieder „auf Zack“sein: „Hinterher, wenn der Staat dann dafür sorgen muss, dass das Geld unter die Leute kommt, müssen wir schnell sein und unseren Handwerkern und Betrieben wieder Aufträge erteilen können.“
Was plant die Verwaltung in Amtzell?
In der Gemeinde Amtzell ist die Verwaltung gerade an der Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2020. Dieser soll in der Sitzung am nächsten Montag vorgestellt werden. Durch die Coronakrise erwarten Bürgermeister Clemens Moll und Kämmerer Jürgen Gauß einen massiven Rückgang der Gewerbesteuer und beim Gemeindeteil an der Einkommensteuer. „Und auch mit geringeren Finanzzuweisungen müssen wir rechnen“, sagt Moll.
Im Jahr 2019 hat die Gemeinde Amtzell 2,9 Millionen Euro an Einkommensteuer und 2,1 Millionen Euro an Gewerbesteuer erwirtschaftet. Wie hoch die genaue Summe ist, die die Gemeinde in diesem Jahr an Einnahmen durch die Coronakrise wahrscheinlich verliert, lasse sich noch nicht sagen. Die ersten Anträge auf Steuerstundungen seien aber bereits eingegangen.
„Wir planen daher sehr vorsichtig und haben daher veranlasst, dass zunächst keine Ausschreibungen für die Sanierung des Kindergartens St.
Johannes erfolgen“, sagt Bürgermeister Moll. Durch diese Maßnahme habe der Gemeinderat weitere Handlungsoptionen und könne festlegen mit welchen Maßnahmen die Gemeinde durch die zu erwartende gesamtwirtschaftliche Krise gehen kann. „Im Moment sind wir auch auf die sogenannte Mai-Steuerschätzung gespannt“, sagt Moll. Eine Haushaltssperre, um auf die Krise zu reagieren, will der Bürgermeister nicht ausschließen. „Wir brauchen aber erst den Haushalt.“
Setzt die Gemeinde Argenbühl die geplanten Investitionen weiterhin um?
Die Verwaltung in Argenbühl rechnet ebenfalls mit weniger Einkommenund Gewerbesteuer. Erste Hinweise, wie hoch die Einbußen sein werden, könne die Steuerschätzung im Mai ergeben. Steuerstundungen seien zwar derzeit noch die Ausnahme, in mehreren Fällen hätten aber Unternehmen beim Finanzamt bereits eine Herabsetzung der Gewerbesteuervorauszahlung beantragt. Die Verwaltung will auf die CoronaKrise reagieren, in dem sie künftige Ausgaben kritisch prüft.
Beim überwiegenden Teil der derzeit im Haushalt veranschlagten Ausgaben handle es sich jedoch um Kosten, zu denen die Gemeinde rechtlich verpflichtet ist, wie zum Beispiel Gehälter für Personal. Investitionen sollen, wenn möglich, nicht gestrichen werden. „Zumindest laufen die Planungen für diese Projekte weiter“, sagt Bürgermeister Roland Sauter. „Wenn sich zeigt, dass es die finanzielle Situation erfordert, werden einzelne Investitionen möglicherweise hinausgeschoben.“
Projekte, wie die Erweiterung des Kindergartens Ratzenried oder Investitionen in das Wasser- und Abwassernetz, stehen in diesem Jahr auf der Agenda. Außerdem plant die Gemeinde seit Jahren den Ausbau der Breitbandversorgung in Form einer Backboneleitung. Bund und Land genehmigten der Gemeinde dafür eine gewaltige Fördersumme (die SZ berichtete). „Auch diese Maßnahme soll wie geplant begonnen werden.“Angst, dass die Unterstützung aufgrund der Corona-Krise gekürzt oder ganz gestrichen wird, hat der Bürgermeister nicht: „Wir gehen davon aus, dass bereits genehmigte Fördergelder von Bund und Land wie bewilligt gewährt werden.“