Wo die Mietpreisbremse gilt und wo nicht
Südwest-Regierung überarbeitet Regelung – Manche Städte wie Ravensburg ärgern sich
STUTTGART - Wohnraum ist knapp und mitunter sehr teuer – gerade in Baden-Württemberg. Wo der Wohnungsmarkt besonders angespannt ist, soll eine Mietpreisbremse Mietwucher eindämmen. Nachdem die erste Regelung hierzu von Gerichten kassiert wurde, startet die grünschwarze Landesregierung an diesem Dienstag nun einen zweiten Anlauf. Viel zu spät, kritisieren manche mit Verweis auf Bayern.
In 89 Städten und Gemeinden im Südwesten sollen die Mieten künftig nur noch begrenzt steigen dürfen. So sieht es die entsprechende Verordnung zur Mietpreisbremse vor, die das Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag wohl verabschieden wird. Sie soll greifen, sobald sie im Anschluss veröffentlicht wird.
Für Vermieter in diesen Kommunen bedeutet dies: Wenn sie eine Wohnung oder ein Haus neu vermieten, darf die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der Vergleichsmiete liegen. Dagegen hatte der Eigentümerverband Haus & Grund argumentiert, dass zum Vergleich ein Mietspiegel nötig sei – den gebe es vielerorts nicht. Stimmt nicht, hält Wohnungsbauministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dagegen. Unter anderem könnten Gutachten von Sachverständigen oder Mietdatenbanken als Basis dienen.
Grundlage für die Mietpreisbremse ist eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch vom April 2015. Der Bund hat es den Ländern mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz ermöglicht, Regeln zu treffen, um den Wohnungsmarkt in sehr betroffenen Gemeinden zu entspannen. Das hat die grün-rote Vorgängerregierung genutzt und Ende 2015 eine Mietpreisbremse im Südwesten beschlossen. Gerichte haben die Verordnung in Baden-Württemberg aber gekippt. Der Grund: Die Begründung der sogenannten Mietbegrenzungsverordnung sei nicht ausreichend veröffentlicht worden.
Dieses Problem hatten auch andere Länder wie Bayern. Der Freistaat hat bereits zum August vergangenes
Jahr nachgebessert. Seitdem gilt eine neue Mietpreisbremse für 162 Städte und Gemeinden statt der bisher 137 Kommunen – darunter in Lindau, Kempten, Memmingen, Neu-Ulm, Senden und Sonthofen.
„Wir haben ein bisschen neidisch nach Bayern geschaut“, sagt Udo Casper, Landesgeschäftsführer des Mieterbunds. Denn seit das Landgericht Stuttgart im März 2019 die Regelung gekippt hat, hätten Vermieter freie Hand gehabt. Das hat auch die SPD im Landtag kritisiert.
Casper lobt indes die Grundlage der neuen Mietpreisbremse. Im Auftrag des Landes hat das F+B-Institut aus Hamburg ein Gutachten für die Städte und Gemeinden im Südwesten anhand von mehreren Kriterien erstellt. Untersucht wurde unter anderem der Mangel an Wohnraum, die Höhe der Miete im Vergleich zum durchschnittlichen Nettoeinkommen
und die Entwicklung der Mieten. Erfüllt eine Gemeinde mindestens vier der fünf Kriterien, gilt für sie die Mietpreisbremse.
Das trifft auf 89 Kommunen zu. Laut Wohnbauministerium wohnt künftig mehr als ein Drittel der Südwest-Bürger in einem Ort mit Mietpreisbremse. Sie gilt für fünf Jahre. Zuvor standen 68 Städte und Gemeinden auf der Liste. Manche wie Ulm, Friedrichshafen und Weingarten sind wieder dabei. 31 Kommunen sind rausgefallen – darunter Baienfurt, Tettnang und Ravensburg.
„Das kann keiner nachvollziehen, warum Ravensburg rausgefallen ist und Weingarten drin bleibt“, moniert Dieter Katein vom Ravensburger Baudezernat. Die Städte seien zusammengewachsen und praktisch ein Wohnungsmarkt. „Wir sehen uns als Großraum, wir sehen uns nicht singulär als Ravensburg.“Rechtlich seien der Stadt nun die Hände gebunden. „Für die Bürger wird es nicht leichter, denn die Vermieter haben nun viel mehr Möglichkeiten an der Hand, die Mietpreise zu entwickeln.“
52 Kommunen sind derweil neu hinzugekommen. Zu diesen gehören die beiden Gemeinden Balgheim und Bubsheim im Kreis Tuttlingen. Bubsheims Bürgermeister Thomas Leibinger sieht das nüchtern, wie er sagt. „Das Wort Mietpreisbremse hat immer einen negativen Touch. Das ist einfach eine Ist-Analyse.“Eine die belege, dass die Wohnsituation in seiner 1400-Seelen-Gemeinde angespannt war. Zur Entspannung sei bereits ein Baugebiet ausgewiesen. Die Mietpreisbremse sehe er auch als Chance. „Das ist vielleicht ein Beleg dafür, dass wir Handlungsbedarf haben und vielleicht leichter an Fördertöpfe des Landes kommen.“
Ministerin Hoffmeister-Kraut will durch weitere Regelungen dafür sorgen, dass sich der Wohnungsmarkt entspannt. Mieten sollen innerhalb von drei Jahren nicht mehr als 15 Prozent steigen dürfen. Zudem sollen Mieter fünf Jahre vor einer Kündigung wegen Eigenbedarfs geschützt sein, wenn aus einer Miet- eine Eigentumswohnung wird. Diese Regelungen, die bislang für 44 Städte im Land gelten, laufen Ende Juni aus und sollen künftig für die 89 Kommunen mit Mietpreisbremse gelten.