„Hygieneregeln müssen eingehalten werden“
Präsident des Südwest-Gemeindetages will private Sicherheitsdienste einsetzen
RAVENSBURG - Risikogebiet Großstadt: In deutschen Metropolen verschärft sich die Corona-Lage. Kleine und mittlere Gemeinden benötigen ebenfalls Unterstützung – etwa bei der Kontrolle von Hygieneregeln. Warum erklärt Roger Kehle, Präsident des Baden-Württembergischen Gemeindetages (Foto: dpa,) im Interview mit Katja Korf.
Herr Kehle, am Freitag hat die Kanzlerin mit Oberbürgermeistern einiger Großstädte telefoniert. Liegt der Fokus zu sehr auf Metropolen?
Im Gegenteil. Es gab bereits am Donnerstag ein Gespräch der kommunalen Spitzenverbände mit der Kanzlerin. Sie hat ausgeführt, dass es mittlerweile große Unterschiede bei den Infektionszahlen zwischen Stadt und Land gibt. Wir sehen ja auch in Baden-Württemberg, dass die großen Zentren mehr Infizierte haben und die Zahlen dort schneller steigen. Die Bundesregierung hat spätestens in dieser Corona-Krise begriffen, welche zentrale Rolle die Städte und Gemeinden spielen. Egal was man in
Berlin, Stuttgart oder München beschließt: Umgesetzt werden muss es vor Ort bei den Menschen. Und dafür sind eben die Städte und Gemeinden zuständig.
Worum ging es in dem Gespräch?
Es waren sich alle mit der Bundeskanzlerin einig: Das Allerwichtigste ist, dass die Menschen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie weiterhin akzeptieren. Sonst können wir anordnen, was wir wollen. Die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland hält den Kurs der Bundesund Landesregierungen für richtig. Daran ändert sich derzeit auch nichts, das bestätigen Umfragen. Wenn die Bürger den Kurs nicht mitgehen, bringt das wenig. Wenn wir die Akzeptanz hoch halten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden.
Aber wer soll das überwachen?
Eben. Dazu fehlt vielerorts schlicht das Personal. Deswegen haben wir der Kanzlerin einen Vorschlag unterbreitet. Wir wünschen uns einen Pakt für kommunale Ordnungsdienste. Die Idee: Städte und Gemeinden sollen zertifizierter Sicherheitsdienste mit Kontrollen beauftragen. Deren Mitarbeiter hätten dann auch die Befugnis, Bürger zur Einhaltung etwa der Maskenpflicht anzuhalten und jene anzuzeigen, die sich nicht daran halten. Die allermeisten Menschen verhalten sich verantwortungsvoll. Wir müssen diese Mehrheit vor jenen schützen, die Regeln brechen und andere damit gefährden. Für ein solches Modell bräuchten Städte und Gemeinden aber das notwendige Geld von Bund und Ländern. Dieser Weg macht ja mehr Sinn, als jetzt neues Personal anzustellen, das wir nach der Corona-Pandemie nicht mehr benötigen. Und schon jetzt sind in vielen in Rathäusern Mitarbeiter bis an die Grenze des Möglichen belastet. Ich habe Bedenken, wie lange wir das vor Ort noch aushalten.
Die Bundesländer können weitgehend in eigener Verantwortung über Einschränkungen oder aber die Lockerung von Auflagen entscheiden. Schärfere Regeln auf Landesebene sind zurzeit in BadenWürttemberg nicht vorgesehen. „Eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum wird derzeit nicht flächendeckend geplant“, sagte eine Sprecherin. Zuletzt hatte eine Mehrheit der Bundesländer zudem ein Beherbergungsverbot für Reisende aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen beschlossen, sofern die Touristen keinen maximal 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Mit weiteren Auflagen will die Stadt Stuttgart gegen die stark ansteigenden Corona-Infektionen ankämpfen. Sobald die Stadt die kritische Marke von mehr als 50 Infektionen auf 100 000 Einwohner erreiche, werde für öffentliche Plätze in der Innenstadt eine Maskenpflicht erlassen, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) am Freitag. Außerdem sollen die Auflagen für private Feiern verschärft und die erlaubten Teilnehmerzahlen mehr als halbiert werden. Ebenfalls im Gespräch sei ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot.
Wo im Land ist es besonders kritisch?
Nach dem Kreis Esslingen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von zuletzt 54,6 bewegt sich auch die Landeshauptstadt Stuttgart auf die kritische Marke zu. Dort lag der Wert am Donnerstag bereits bei 43,7. Ebenfalls hohe Zahlen weisen die Kreise Ludwigsburg, Göppingen und Schwäbisch Hall, der Ortenaukreis und Mannheim auf. In der region nähert sich Tuttlingen dem Vorwarnwert von 35. Die niedrigste Ansteckungsgefahr besteht den Zahlen zufolge momentan im Kreis Rottweil.
Appell an die Jugend
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen Appell vor allem an junge Menschen gerichtet. Sie sollen sich an die Regeln zu halten. Merkel sagte am Freitag in Berlin nach Beratungen mit Oberbürgermeistern von Großstädten, junge Menschen fänden Einschränkungen von Feiern oder eine Sperrstunde vielleicht übertrieben. Sie fragte dann aber, ob die Einrschänkungen es nicht wert seien, ein wenig Geduld zu haben und an die Familie und Großeltern zu denken.