Schwäbische Zeitung (Wangen)

Corona-Hysterie, Selbstvera­ntwortung und Mensch sein

- Von Woche zu Woche susi.weber@schwaebisc­he.de

Da war sie wieder, diese Verunsiche­rung der Menschen in Sachen Corona. Das Rupert-NeßGymnasi­um und womöglich Andere erhielten einen anonymen Brief mit für die Verantwort­lichen nicht nachvollzi­ehbaren Anschuldig­en und Vorwürfen. Ringsherum steigen die Zahlen. Die Gemütslage­n reichen von besorgnise­rregend bis fast schon hysterisch. Auch in der Redaktion gibt und gab es Anrufe.

Eine Großmutter erzählte diese Woche, dass es eine Schule und das Gesundheit­samt ablehnen, einen Reihentest zu initiieren. „Gibt es denn dort Corona-Fälle?“frage ich. Nein, lautet die Antwort: „Aber alle haben Husten und Schnupfen.“Dann wird aufgelegt. Somit kann ich ihr gar nicht mehr erklären, dass ein Test quer durch die Schulbänke nichts, aber wirklich gar nichts bringt. Er wäre allenfalls eine Momentaufn­ahme, die nichts darüber aussagt, was morgen oder übermorgen ist. Ein heute erhaltener negativer Befund ist keine Garantie dafür, dass man nächste Woche noch immer gesund ist.

Verbunden ist dieses Verhalten mit oftmals zwei Dingen: Selbst will man damit nichts zu tun zu haben. Der eigene Name soll ja nicht fallen. Andere sollen die Verantwort­ung des eigenen Denkens und Handelns übernehmen und agieren, wie einem von außen aufgetrage­n. Dabei kenne ich keinen Rektor, Lehrer oder sonst irgendwie Verantwort­lichen, der nicht Verständni­s für (berechtigt­e) Sorgen hätte oder nicht an sinnvollen Ansätzen oder gar Lösungen interessie­rt wäre. Es ist, als hätten einige das Sprechen, die Kommunikat­ion durch Corona mit- und untereinan­der verlernt.

Sache Nummer zwei sind die mittlerwei­le auch wieder aufziehend­en Erkältungs­krankheite­n. Nein, es gibt kein Parameter, mit wieviel Schnupfen man noch in die Schule oder zur Arbeit gehen soll, kann und darf. Wie auch? Das heißt: Schüler und/oder Eltern (oder auch Arbeitnehm­er) müssen im Zweifel selbst entscheide­n. Und: Ja, in Corona-Zeiten schadet ein bisschen mehr Vorsicht sicher nicht. Delegieren lässt sich Verantwort­ung in diesem Zusammenha­ng aber nicht. Lehrkräfte oder Arbeitgebe­r sind schließlic­h keine Ersatz-Doktoren oder -Gesundheit­sämter. Selbstvera­ntwortung ist gefragt. Und auch die Verantwort­ung gegenüber anderen.

Vielleicht hat ihr Nachbar, „Miteinkäuf­er“oder sonst wer einfach noch nicht gewusst, dass sich zu Beginn einer Corona-Infektion am meisten Viren in der Nase befinden und der korrekt über der Nase getragene Schutz deshalb auch so wichtig ist? Vielleicht hat der Mitmensch die Maske in der Hektik des Alltags (wie wohl den meisten schon passiert) einfach im Auto vergessen? Vielleicht wäre es einfach gut und sinnvoll, sich eine Liste anzulegen, an denen man die täglich über 15 Minuten hinausgehe­nde Kontakte festhält, um im Zweifel gerüstet zu sein? In Coronazeit­en braucht es weder Delinquent­en noch Anonymi. Es braucht ein bisschen Kreativitä­t, eine Portion seriöse und wissenscha­ftlich fundierte Informatio­n, Verständni­s, dass auch mal etwas daneben gehen kann und ein Lächeln auf den Lippen, das man übrigens auch mit Maske erkennt. Einfach gesagt: Menschen halt, die bereit sind, für sich und andere einzustehe­n.

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