Haustierboom durch die Corona-Krise im Allgäu?
In vielen Tierheimen stieg die Nachfrage nach Hunden und Katzen - Manche Vierbeiner zurückgegeben
ALLGÄU - Wer auf den Hof von „Zuflucht für Tiere im Allgäu“kommt, wird von freudig bellenden Hunden begrüßt. Besonders neugierig ist Arco. Ihm fehlt ein Stück Ohr, in Rumänien war er jahrelang in einen Zwinger eingesperrt und wäre dort gestorben, hätte er nicht im Allgäu ein neues Heim gefunden. Wie einige andere Tiere wird er wohl auf dem Hof bleiben. Auf dem großen Gelände am Kemptener Stadtrand leben derzeit aber auch etwa 25 Hunde, 20 Katzen, sechs Hasen und zwei Mäuse, die darauf warten, vermittelt zu werden. „Die Nachfrage war und ist trotz Corona wie immer“, sagt Daniela Kienle, die die Tiere betreut. Andere Allgäuer Einrichtungen sprechen dagegen von einem regelrechten Haustierboom, der mit der Krise eingesetzt hat.
Seit Beginn der Krise habe es verstärktes Interesse an Katzen, Hunden und Kaninchen gegeben, zugleich seien weniger Tiere abgegeben worden, sagt Lisa Hölzel, Leiterin des Tierschutzvereins Kaufbeuren. „Es gab Wochen, da klingelte ständig das Telefon und Leute haben gefragt, ob wir Tiere vermitteln können“, sagt Hölzel. Die Nachfrage sei im Vergleich zum vergangenen Jahr zwischen 20 und 40 Prozent höher. Die Menschen hätten während der Lockdown-Wochen wohl mehr Zeit gehabt, ein Haustier einzugewöhnen, vermutet Hölzel.
Die Tierheim-Mitarbeiter hätten die Interessenten jedoch gut geprüft: „Die Krise geht ja hoffentlich irgendwann vorüber, wer kümmert sich dann um den Hund?“Vor wenigen Wochen hatte sie sogar den Fall, dass eine Frau ihre Katze zurück ins Tierheim geben wollte: „Die Dame hatte Angst, sich bei ihrem Tier mit dem Coronavirus anzustecken.“Ihr Team musste die Frau erst ausführlich aufklären, dass das nicht möglich ist. „Ich denke, dass manche einfach sagen, dass sie ein Tier gefunden hätten, obwohl sie vielleicht nur Angst haben, sich anzustecken oder nach den Lockerungen keine Zeit mehr zu haben.“
Im Tierheim in Memmingen stellte sich die Situation ähnlich dar. „Im Frühjahr war die Nachfrage nach Katzen und Hunden deutlich höher als üblich“, berichtet Jennifer Gebhard,
Teamassistentin des Tierschutzvereins. Den enormen Anstieg gerade bei Katzen führt sie auf die Corona-Situation zurück. Ein paar Katzen seien aber schon wieder im Tierheim zurückgegeben worden. „Warum, das weiß man nie sicher, aber ich denke, dass viele nach den Lockerungen keine Zeit für ein Tier haben“, sagt sie. „Die Leidtragenden sind dabei die Tiere.“
Mehr Tiere als üblich sind auch im Oberallgäuer Tierheim Unterzollbrücke vermittelt worden. Vor allem die Zahl ernsthafter Anfragen sei höher gewesen, sagt Iris Thalhofer, Leiterin des Tierheims in Immenstadt. Am größten ist und war die Nachfrage nach Kaninchen, Katzen und Meerschweinchen. Vor der Weitergabe der Tiere achten Thalhofer und ihre Mitarbeiter darauf, dass die Interessenten geeignet sind. In den vergangenen Wochen habe es keine „Rückläufer“gegeben. „Für die kommenden Wochen haben wir aber zur Sicherheit mehr Platz für die Tiere eingerichtet.“
Genau darauf geachtet, an wen die Tiere vermittelt werden, wird auch bei „Zuflucht für die Tiere“. „Die Interessenten kommen vorbei und lernen die Tiere kennen. Im Laufe der Zeit entwickelt man auch ein Gespür dafür, wer geeignet ist und wer nicht“, berichtet Daniela Kienle. Wer acht Stunden am Tag bei der Arbeit ist oder in einer sehr kleinen Wohnung lebt, dem werde beispielsweise kein Hund vermittelt. Während des Lockdowns hat auch bei Kienle oft das Telefon geklingelt. Nicht wegen erhöhter Nachfrage, sondern weil die Menschen helfen wollten. „Wir haben viele Futter- und auch Geldspenden bekommen, das hat uns gefreut.“
Eine pauschale Aussage darüber, wie sich Corona auf die Nachfrage und die Vermittlung ausgewirkt hat, lässt sich laut eines Sprechers des Deutschen Tierschutzbundes nicht sagen. Aber: „Der Haustierboom hat womöglich dazu geführt, dass sich viele Menschen in der Corona-Zeit vorschnell und unüberlegt ein Tier angeschafft haben – im schlimmsten Fall über dubiose Internetangebote.“
Über kurz oder lang könnten diese Tiere ihren Besitzern wieder lästig werden und dann direkt im Tierheim abgegeben oder ausgesetzt werden. Wer ein Tier haben will, solle sich das gut überlegen.