Agrarminister unter Beschuss
Hauk soll laut internem Dokument früh von Tierschutzverstößen in Gärtringen gewusst haben
STUTTGART - Was wusste Agrarminister Peter Hauk (CDU) über Missstände im Schlachthof Gärtringen – und wann? Videoaufnahmen haben Tierquälerei dort öffentlich gemacht. Daraufhin wurde der genossenschaftliche Betrieb im Kreis Böblingen im September stillgelegt. Am Dienstag forderte der Agrarausschuss des Landtags von Hauk Antworten. Ein Überblick.
Was genau ist passiert?
Im Schlachthof in Gärtringen gibt es Dutzende Mängel. Das wissen die Behörden seit 2018. Damals hatte Hauk ein landesweites SchlachthofMonitoring angestoßen, nachdem skandalöse Zustände in einem Betrieb in Tauberbischofsheim öffentlich wurden – aufgedeckt von den Aktivisten der Soko Tierschutz, die auch die Vorgänge in Gärtringen ans Licht brachten. Das zuständige Landratsamt in Böblingen hat den Gärtringer Betreiber daraufhin beauftragt, die Mängel zu beseitigen. Etliches blieb aber unerledigt, also verhängte das Landratsamt im Februar dieses Jahres ein Zwangsgeld.
Wie genau hat sich Hauk hier eingemischt?
Er hat veranlasst, das Zwangsgeld auszusetzen. Der „Schwäbischen Zeitung“liegt ein internes Dokument des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart vor, über das auch die „Stuttgarter Zeitung“berichtet hat. Darin wird aus einer Mail zitiert, die ein Abteilungsleiter aus Hauks Ministerium für Ländlichen Raum (MLR) am 2. April ans RP geschickt hat: „Im Auftrag von Herrn Minister Hauk bitte ich Sie, vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise, zu veranlassen, dass das gegen den Betreiber des Schlachthofs Gärtringen festgesetzte Zwangsgeld bis auf Weiteres ausgesetzt wird.“Der Betreiber solle dennoch aufgefordert werden, eine Konzeption vorzulegen, „wie und wann die zur Sicherstellung des Tierschutzes im Betrieb angeordneten Maßnahmen umgesetzt werden sollen“– allerdings ohne eine Frist.
Laut dem Dokument folgten weitere E-Mails aus dem Ministerium, weil der Wunsch des Ministers nicht schnell genug umgesetzt wurde und der Schlachthofbetreiber offenbar Druck machte. Schließlich schrieb der Abteilungsleiter aus dem Ministerium erneut ans RP: „Bitte schauen Sie doch danach, dass die Weisung des Ministers jetzt unverzüglich umgesetzt wird bzw. dass sie dem Betroffenen auch kommuniziert wird.“
Wie rechtfertigt sich Hauk?
Er erklärt seine Einmischung mit den Umständen. „In der Corona-Zeit war das nicht verhältnismäßig“, sagte Hauk am Dienstag mit Verweis auf das Zwangsgeld. Regionale Schlachthöfe seien wichtig – während der
Hochphase der Pandemie sogar systemrelevant. „Ziel war es damals, die Liquidität des Schlachthofs für die nötigen Umbauten zu sichern.“Damals seien die Aufzeichnungen der Soko Tierschutz noch nicht bekannt gewesen, verteidigte sich Hauk. „Die Mängel standen nicht in direktem Zusammenhang mit dem Leiden der Tiere, sonst hätte das Landratsamt auch anders eingreifen müssen“– etwa mit einer Betriebsschließung.
Hat Hauk dem Schlachthofbetreiber, einem Parteifreund, einen Gefallen getan?
So argumentiert die Opposition – zumal Hauk im Frühjahr einige Male dem Schlachhofbetreiber begegnet ist. Im Februar hat Hauk den Schlachthof auf dessen Einladung besucht. Im internen RP-Dokument heißt es, dass Hauk sich vor dem Treffen informieren ließ, wie es um die Mängel im Schlachthof und um deren Beseitigung stand. Das Landratsamt habe die entsprechenden Informationen geliefert. „Damit waren zu diesem Zeitpunkt dem MLR die weiterhin bestehenden tierschutzrelevanten Mängel bekannt“, heißt es im Papier. „Peter Hauk kann den Verdacht des Parteiklüngels und des Amtsmissbrauchs einfach nicht ausräumen“, erklärt Jonas Weber (SPD) nach der Sitzung am Dienstag. Hauk weist die Vorwürfe vehement von sich. Die Kommunikation habe sehr einseitig stattgefunden – offenbar hat der Betreiber Hauk mit E-Mails bombardiert.
Hat Hauk den Tierschutz vernachlässigt?
Das ist der große Vorwurf, gegen den sich Hauk ebenfalls kategorisch wehrt. Er verweist auf etliche Aktivitäten zur Stärkung des Tierschutzes – unter anderem auf sein Schlachthof-Monitoring. Genau hier sieht aber nicht nur die Opposition Probleme, sondern auch der grüne Regierungspartner. Hauk hat im Oktober 2019 ein Fazit der Kontrollaktion per Pressemitteilung gezogen. „Im Rahmen der Prüfungen wurden in keinem der untersuchten Schlachthöfe ein offensichtliches Fehlverhalten im Umgang mit Schlachttieren festgestellt“, teilt er mit. Der Großteil der Beanstandungen betreffe bauliche Mängel und Dokumentationspflichten. „Das deckt sich nicht mit dem, was wir jetzt wissen“, kritisierte der SPD-Abgeordnete Weber. Details nannte Hauk damals nämlich nicht. Erst am Montag gab er den Abgeordneten eine aktuelle anonymisierte Liste. Sie zeigt, dass in den 40 untersuchten Schlachthöfen mehr als 50 der gut 400 beanstandeten Mängel weiter bestehen.
Haben solche baulichen Mängel nichts mit Tierschutz zu tun?
Doch, das zeigt sich am Beispiel Gärtringen: Hier war eine Anlage im Einsatz, die den Strom zur Betäubung der Schweine zu kurz durch deren Kopf fließen ließ. Die Folge: Schweine waren wohl mitunter nicht ausreichend betäubt. Das sei tierschutzrelevant, heißt es im Dokument des Regierungspräsidiums – und Hauk habe das gewusst. Eine Rampe galt als zu steil, weshalb Mitarbeiter die Tiere mitunter antreiben mussten. Madeleine Martin, Tierschutzbeauftragte des Landes Hessen, sagt dazu: „Sowohl eine verkürzte Betäubungszeit wie auch ungeeignete Rampen sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Schmerzen und Leid der Tiere verbunden.“
Wie geht es nun weiter?
Hauk wird sich weiter erklären müssen. So haben etliche Mitglieder des Landestierschutzbeirats eine baldige Sitzung gefordert. Statt wie geplant Ende November soll diese nun noch im Oktober stattfinden. Dabei wird wohl das Schlachthof-Monitoring zur Sprache kommen. Der Beirat sei hierzu bislang abgespeist worden, sagt ein Mitglied. Details zu den konkreten Mängeln in den Betrieben hätten auch sie nicht bekommen.