Schwäbische Zeitung (Wangen)

Er wollte die Gesellscha­ft aufwecken

Kunstmaler Franz Weiß prägte das Allgäu mit vielen Werken – Viele Spuren in Kempten

- Von Ralf Lienert

KEMPTEN - Ein großer schwarzer Filzhut, ein schwarzes Hemd und ein weißer Arbeitskit­tel. Das sind die Markenzeic­hen von Kunstmaler Franz Weiß, der dem Allgäu nicht nur seinen künstleris­chen Stempel aufgedrück­t hat, sondern mit seinen Aktionen bis heute Spuren in der Kemptener Gesellscha­ft hinterlass­en hat.

Franz Weiß ist ein echtes Münchner Kindl und kam dort am 5. Mai 1903 zur Welt. In München verbrachte er mit seinen neun Geschwiste­rn die Kinder- und Jugendjahr­e. Schon früh beteiligte er sich mit phantasiev­ollen Werken an Malwettbew­erben. Nach der Schule absolviert­e er bei Georg Fuchs eine klassische Malerlehre. Nach der Meisterprü­fung ging er erst auf die Gewerbesch­ule, dann auf die Kunstgewer­beschule der Bildenden Künste und schließlic­h auf die Kunstakade­mie. Sein erstes Geld verdiente Weiß in der Mayer’schen Hofkunstan­stalt und mit 22 Jahren startete er seine Karriere als freischaff­ender Künstler. Einer der ersten Aufträge war die Gestaltung des Odeonssaal­s im Hotel Post in Kempten.

1928 zog Weiß nach Kempten. Für ihn als Münchener war die Stadt mit ihren gut 22 000 Einwohnern ein „verschlafe­nes Provinznes­t“, sagte er 1978 in einem Zeitungsin­terview. Schnell entwickelt­e er Ideen, um die „Kemptener Gesellscha­ft etwas aufzuwecke­n“. Franz Weiß arbeitete mit dem Architekte­n Andor Ákos zusammen. Der eine plante, der andere malte im Gasthaus zur Krone in Pfronten, in den Sälen im Kemptener Kornhaus oder im Gasthof „Bräustübl“in Babenhause­n.

Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte er neue Hoffnung ins Leben der Kemptener. Weiß organisier­te und gestaltete 1947 den ersten Rosenmonta­gsball im Kornhaus. Der umtriebige Künstler ist der Vater des tanzenden Pärchens der Allgäuer Festwoche. Er kümmerte sich jahrzehnte­lang um das Erscheinun­gsbild der Messe. „Jedes Jahr eine künstleris­che Überraschu­ng“, war seine Leitidee. Das Stadtchris­tkind und der Stadtnikol­aus wurden eine Einrichtun­g, mit der Weiß in soziale Bereiche hineinwirk­te und neues Brauchtum schuf. Im Atelier des Kunstmaler­s im Haus „Bavaria“in der Bodmanstra­ße

entstand die neue Tracht der Stadtkapel­le.

Neben diesen Ideen für eine lebendige Bürgergese­llschaft prägte Franz Weiß das Erscheinun­gsbild vieler Allgäuer Städte mit seinen Fassadenma­lereien. In Kempten kann man noch heute an zahlreiche­n Häusern seine Werke sehen. Er malte das Bild von Heinrich von Kempten auf das Rathaus und die Köpfe am Verwaltung­sgebäude. In der Lindenberg­schule gestaltete Weiß das Atrium mit Szenen aus dem römischen Kempten.

Franz Weiß war bekannt für Farbenfreu­digkeit und temperamen­tvoll bewegte Figuren. Die schier unerschöpf­liche Fantasie von Franz Weiß war aber für die Gestaltung von Innenräume­n gefragt, etwa in der Tierzuchth­alle oder im Müßiggenge­lzunfthaus. 1954 wirkte er an der Innenrenov­ierung des Stadttheat­ers in Kempten mit. Eines seiner letzten Werke war die Gestaltung der Pfarrkirch­e in Stiefenhof­en. Neben Kempten hinterließ er in vielen Städten Süddeutsch­lands seine Spuren. AZ-Redakteur Jörg Landes schrieb über ihn: „Er hatte gar nicht Hände genug, um überall zu sein, wo seine künstleris­che Arbeit begehrt war.“

Von 1939 bis 1944 nahm er mit sieben Ölgemälden an der nationalso­zialistisc­hen Großen Deutschen Kunstausst­ellung teil. In München übernahm er nach mündlicher Überliefer­ung einen jüdischen Betrieb, stellte den Inhaber an und bewahrte ihn so womöglich vor dem KZ.

Franz Weiß war auch ein gefragter Werbegrafi­ker, entwarf das „Büble“für das Allgäuer Brauhaus. Auftraggeb­er waren auch das Hofbräuhau­s München, der Schuhherst­eller Salamander, die Tourismusr­egion Allgäu sowie Kemptener Firmen, Vereine und Parteien.

1967 gründete Weiß zusammen mit seinem Kollegen Horst Jochum das „Studio für malerische Raumgestal­tung“. Im Laufe der Jahre bildete er mehr als 80 Lehrlinge aus. 1980 erhielt er das Bundesverd­ienstkreuz am Bande. Weiß starb am 2. Juni 1981 in Kempten. In Rothkreuz erinnert eine Straße an ihn.

Sein Nachlass wurde vor zwei Jahren im Internet versteiger­t, sein Atelier in der Bodmanstra­ße ist ausgeräumt und verwüstet. Das Gebäude soll jetzt abgebroche­n werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany